Katharina Windscheid Eine Pionierin der Mädchen- und Frauenbildung
Die Philologin Käthe Windscheid wurde als erste Frau an der Universität Heidelberg promoviert

Mit der Immatrikulation der ersten Studentinnen an den Universitäten Heidelberg und Freiburg zu Beginn des Jahres 1900 war das Land Baden Vorreiter des Frauenstudiums in Deutschland. Die Ruperto Carola hatte allerdings bereits fünf Jahre zuvor einer Frau den Doktortitel verliehen: Katharina Windscheid, die sich zeitlebens für die Bildung von Mädchen und Frauen einsetzte, war nicht nur die erste Frau, die an der Ruperto Carola promoviert wurde, sondern eine der allerersten promovierten Frauen in Deutschland generell. „Die Frage der rein intellektuellen Begabung ist überhaupt nicht als eine im Geschlecht begründete, sondern als eine individuelle aufzufassen“, schrieb sie 1897 in einem Beitrag für das „Handbuch des höheren Mädchenschulwesens“ – eine damals keineswegs selbstverständliche Auffassung.
Der Name Katharina Windscheid ist zwar eng mit Leipzig verbunden, wo sie die Schule abschloss, als Hörerin Universitätsveranstaltungen besuchte und als Lehrerin Mädchen auf das Abitur vorbereitete. Aber in Heidelberg verbrachte die 1859 geborene Katharina – genannt Käthe – vor ihrer Promotion bereits einen Teil ihrer Schulzeit, da ihr Vater drei Jahre lang an der Ruperto Carola lehrte: Bernhard Windscheid, einer der bekanntesten Rechtswissenschaftler seiner Zeit, war als Nachfolger von Adolph von Vangerow von 1871 bis 1874 Professor für Römisches Recht, bevor er einem Ruf nach Leipzig folgte. Da an der Universität Leipzig ab dem Wintersemester 1873/74 vereinzelt Frauen als Hörerinnen zugelassen wurden (bei der Einführung des Frauenstudiums gehörte Deutschland zu den Schlusslichtern in Europa), konnte dort später auch seine Tochter philologische Lehrveranstaltungen besuchen.
Die Frage der rein intellektuellen Begabung ist überhaupt nicht als eine im Geschlecht begründete, sondern als eine individuelle aufzufassen.
Katharina Windscheid
Eine Promotion war ihr aber in Leipzig nicht möglich, dafür in Heidelberg. Dort hatte bereits 1869 Sofja Kovalevskaja als erste Frau inoffiziell an Vorlesungen teilnehmen dürfen – mit einigen wenigen Nachfolgerinnen, bevor der Große Senat 1873 die Teilnahme von Frauen am Vorlesungsbetrieb wieder grundsätzlich untersagte. Doch im November 1891 ließ die ein Jahr zuvor eingerichtete Naturwissenschaftlich-Mathematische Fakultät gegen den Willen des Senats – aber mit Erlaubnis des Karlsruher Ministeriums – Hörerinnen zu, was in zahlreichen Tageszeitungen publiziert wurde und für Aufsehen sorgte. Anfang 1894 beschloss die Fakultät, dass Frauen unter den gleichen Bedingungen wie Männer zur Promotion zugelassen werden können, was das Ministerium bestätigte.
Bereits am 10. November 1893 vermeldete die „Badische Landeszeitung“: „Wie die naturwissenschaftliche, so will nun auch die philosophische Fakultät der Heidelberger Hochschule weibliche Studenten zum Besuch der Vorlesungen und zur Doktorprüfung zulassen. Wenn das Ministerium dem Fakultätsbeschlusse zustimmt, wird Fräulein Windscheid, eine Tochter des berühmten Leipziger Juristen, zuerst das Examen ablegen.“ Auch die Vereinszeitschrift des Allgemeinen Deutschen Frauenvereins (ADF) schrieb 1893, dass die Heidelberger Philosophische Fakultät Käthe Windscheids Gesuch „um Zulassung zur Promotion nicht abschläglich beschieden“ habe.
Mit dem Datum 17. Februar 1894 erschien schließlich in der „Badischen Presse“ die Meldung aus Heidelberg, dass sich am Vortag Käthe Windscheid vor der Philosophischen Fakultät als erste Studentin der Doktorprüfung unterzogen habe, „und zwar als Neuphilologin in den Fächern der englischen und romanischen Philologie. Sie bestand, geprüft von den Herren Professoren Braune, Neumann und Schick, das Examen mit Erlangung des dritten Grades und der Note ‚cum laude‘. Die Inauguralschrift, welche die Dame eingereicht hatte, war eine Abhandlung über ‚die englische Hirtenpoesie von 1579 bis 1625‘, die von der Fakultät als eine allen Anforderungen genügende wissenschaftliche Leistung approbirt werden konnte.“ Die gedruckte Fassung dieser Dissertation wurde 1895 veröffentlicht und im Anschluss Käthe Windscheids Doktordiplom ausgestellt – erst damit war ihre Promotion offiziell erfolgt. Die Zeitungsmeldung schloss mit den Worten: „Wie man hört, wird Fräulein Dr. Windscheid bald in der naturwissenschaftlichen Fakultät unserer Hochschule eine Nachfolgerin bekommen“ – damit war Marie Gernet aus Karlsruhe gemeint, die im Sommer 1891 den Besuch von Vorlesungen und „eventuell“ auch eine Doktorprüfung beantragt und damit schließlich erreicht hatte, dass Hörerinnen an der Naturwissenschaftlich-Mathematischen Fakultät zugelassen wurden. Sie wurde im Oktober 1895 mit einer Arbeit zur „Reduktion hyperelliptischer Integrale“ promoviert, nachdem sie im August 1894 ihre mündliche Prüfung abgelegt hatte.

Ich darf wohl sagen, daß mir mein Beruf als Lehrerin stets das höchste und wertvollste im Leben gewesen ist.
Katharina Windscheid
Käthe Windscheid, die deutschlandweit als erste weibliche „Dr. phil.“ gilt, strebte aber nicht nur eine eigene Karriere an, sondern nutzte ihre berufliche Kompetenz vor allem, um die Bildung von Mädchen und Frauen voranzutreiben. Vor ihrer Promotion hatte sie 1882 nach Kursen am Berliner Victoria-Lyzeum das Sprachlehrerinnenexamen für Englisch und Französisch abgelegt und anschließend zunächst als Aushilfslehrerin gearbeitet. Nach einem mehrmonatigen Aufenthalt in London 1885, bei dem sie neben Studien in englischer Sprache und Literatur auch Quellenstudien für ihre geplante Dissertation betrieb, unterrichtete sie ab 1886 an der privaten Teichmann‘schen Höheren Mädchenschule in Leipzig und legte 1887 in Dresden das Lehrerinnenexamen ab. Von 1890 an besuchte sie als Hörerin an der Leipziger Universität Vorlesungen über romanische und germanische Philologie, zugleich engagierte sie sich im ADF, der für Frauen einen gleichberechtigten Zugang zu Schule, Bildung und Erwerbsarbeit anstrebte – mit Erfolg: Nachdem 1893 in Karlsruhe und Berlin erste private Gymnasialkurse für Mädchen eingerichtet worden waren (die Karlsruher Kurse waren ein wichtiger Impuls für die Einführung des Frauenstudiums in Baden und damit in Heidelberg), startete der ADF kurz nach Käthe Windscheids Doktorprüfung an Ostern 1894 auch in Leipzig Gymnasialkurse für Mädchen, deren Leitung das nun erfolgreich geprüfte Vorstandsmitglied Windscheid übernahm.

„Bis 1914 führte sie 197 Mädchen zum Abitur und 1906 waren unter den ersten 27 Studentinnen der Universität Leipzig 9 ADF-Abiturientinnen“, schreibt die Leipziger Kulturwissenschaftlerin Gerlinde Kämmerer. 1914 stellte der ADF die Kurse ein, nachdem Sachsen öffentliche Abiturstufen für Mädchen – unter männlicher Leitung – eingeführt hatte, und Käthe Windscheid unterrichtete bis zu ihrer Pensionierung 1924 an der I. Höheren Mädchenschule. „Ich darf wohl sagen, daß mir mein Beruf als Lehrerin stets das höchste und wertvollste im Leben gewesen ist und daß es mir vergönnt war, […] jungen Menschenkindern den Weg zu geistigen Werten zu zeigen und ihnen die bestimmende Richtung für das Leben zu geben“, zitiert sie das Stadtarchiv Leipzig. 1943 starb Katharina Windscheid. Ihr zu Ehren verleiht die Graduiertenakademie Leipzig an Personen, die unter besonderen Lebensumständen eine hervorragende Dissertation erstellt haben, den Katharina-Windscheid-Preis.
(Erscheinungsjahr 2025)
Zum Weiterlesen
Table
Marco Birn: Die Anfänge des Frauenstudiums in Deutschland: Das Streben nach Gleichberechtigung von 1869-1918, dargestellt anhand politischer, statistischer und biographischer Zeugnisse. Universitätsverlag Winter Heidelberg, 2015 |


