Jubiläum 50 Jahre Umweltphysik an der Universität Heidelberg
5. August 2025
Wegweisende Forschung zum Fluss von Energie und Materie in der Umwelt
Es war das erste seiner Art in Deutschland und hat als Wegbereiter einer neuen Forschungsrichtung die physikalische Umweltforschung maßgeblich geprägt: 2025 feiert das Institut für Umweltphysik der Universität Heidelberg sein fünfzigjähriges Bestehen. Als Teil der Fakultät für Physik und Astronomie Anfang 1975 mit dem Ziel gegründet, die physische Umwelt mit physikalischen Methoden zu verstehen, werden dort heute insbesondere Fragen zum Fluss von Energie und Materie im Klimasystem bearbeitet. In den vier großen Themenbereichen Atmosphäre, Aquatische Systeme, Klima sowie Simulation und Modellierung erforschen die Mitglieder des Instituts die physikalischen und geochemischen Prozesse, die im natürlichen sowie in dem durch den Menschen veränderten Klimasystem der Erde ablaufen.

Ihren Ursprung hat die umweltphysikalische Forschung an der Universität Heidelberg in wegweisenden kernphysikalischen Untersuchungen, mit denen das radioaktive Isotop von Kohlenstoff C-14 quantitativ bestimmt werden konnte. Sie wurden in den 1950er Jahren am damaligen II. Physikalischen Institut von Prof. Dr. Otto Haxel (1909 bis 1998) und seinem Doktoranden Karl Otto Münnich (1925 bis 2003) durchgeführt und mündeten in der Gründung eines „C-14-Labors“. Aus den experimentellen Forschungsarbeiten Münnichs’ – späterer Gründungsdirektor des Instituts für Umweltphysik – gingen neue Anwendungen der Radiocarbonmethode hervor, die davor insbesondere bei der Datierung von archäologischen Funden zum Einsatz kam. Eine zentrale Erkenntnis von Münnich bestand darin, dass sie sich auch zur Untersuchung von Prozessen in der Umwelt eignet. Aus dem C-14, das während der in den 1950er und 1960er Jahren oberirdisch durchgeführten Kernwaffenversuche freigesetzt wurde, konnten mit der Radiocarbonmethode neue Erkenntnisse über den Kohlenstoffkreislauf der Erde und den Austausch zwischen verschiedenen Umweltkompartimenten gezogen werden. C-14, aber auch der radioaktive Wasserstoff Tritium, wurde unter anderem eingesetzt, um die Tiefenzirkulation des Ozeans zu verfolgen und das Alter von Grundwasser zu bestimmen. Hinzu kamen Messungen stabiler und weiterer radioaktiver Isotope, die zur Erforschung von Seen oder zur Untersuchung des Gasaustauschs zwischen Ozean und Atmosphäre genutzt wurden.
Die physikalischen Umweltstudien an der Universität Heidelberg etablierten sich in der Folge als neue Forschungsrichtung. Mit der stetigen Ausweitung der Forschungsaktivitäten entstand Anfang der 1970er Jahre auf dem Campus Im Neuenheimer Feld das Institut für Umweltphysik (IUP), das 1975 als erstes und bis dahin einziges seiner Art in Deutschland formell gegründet wurde. Es ist bis heute eines von nur wenigen Instituten weltweit, die physikalische Umweltforschung in der umfassenden Kombination aus Atmosphären- und Klimaforschung, Ozeanographie, Hydrologie sowie Glaziologie als Teil einer Physik-Fakultät durchführen.
Ein bereits sehr früh etablierter Forschungsschwerpunkt am Institut für Umweltphysik liegt in der Erforschung des globalen Kohlenstoffkreislaufs und der Grundursachen für den menschengemachten Klimawandel. Aus den frühen C-14-Messungen der atmosphärischen Radioaktivität entwickelten sich langjährige Zeitreihen, im Laufe der Zeit ergänzt um Messreihen der Konzentration von Kohlendioxid und anderer Treibhausgase. Die Heidelberger Tradition der Treibhausgas- und C-14-Forschung wird bis heute fortgesetzt, unter anderem in einem zentralen Labor für die Messung von Radiokohlenstoff, das Teil der europäischen Infrastruktur des Integrated Carbon Observation System (ICOS) ist. Als weitere Forschungsschwerpunkte kamen im Laufe der Jahre die Glaziologie und Bodenphysik – die Erforschung von Gletschern und Eisschilden sowie der Wasserbewegung in Böden – hinzu, ebenso die Rekonstruktion des Klimas der Vergangenheit. Hier dienen Meeres- und Seesedimente oder auch Stalagmiten und Korallen als Klimaarchive. Eine sehr wichtige Rolle spielt außerdem die Physik und Chemie der Atmosphäre. Dazu werden – neben dem Studium der Treibhausgase – zum Beispiel Untersuchungen zum stratosphärischen Ozon sowie zur Photochemie und dem Transport von Halogenoxiden durchgeführt.
Charakteristisch für das Institut für Umweltphysik ist die Entwicklung neuer, anspruchsvoller physikalischer Messmethoden. Dazu zählt die Differentielle Optische Absorptions-Spektroskopie (DOAS), die zur präzisen Messung von Spurengasen in der Atmosphäre eingesetzt wird. Das sogenannte Aelotron, ein ringförmiger Wind-Wellen-Kanal, diente bis 2024 dazu, laborgestützt den Luft-Wasser-Gas-Austausch zu erforschen. Aus den Versuchen sind verschiedene innovative bildgebende Verfahren hervorgegangen. Heute wird die umweltphysikalische Forschung mit modernsten Technologien fortgesetzt, etwa basierend auf der Quantenphysik. Sie ist Grundlage eines weltweit führenden Versuchsaufbaus, der in enger Zusammenarbeit mit dem Kirchhoff-Institut für Physik betrieben wird. Mit der Atom Trap Trace Analysis (ATTA) können seltene und langlebige Isotope von Edelgasen nachgewiesen und zur Datierung von Umweltarchiven der Vergangenheit genutzt werden. An Bedeutung gewonnen hat außerdem die Modellierung von Umweltsystemen und des Klimas. Mit numerischen Modellen und Simulationen untersuchen die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler des IUP unter anderem die Ausbreitung von Treibhausgasen oder erforschen die Wechselwirkungen von Aerosolen mit der Dynamik der Atmosphäre – nach wie vor eine der größten Unsicherheiten in unserem Verständnis des Klimawandels.
Das Institut für Umweltphysik umfasst heute vier Professuren, mehrere individuelle Forschungsgruppen sowie die europäische Forschungsinfrastruktur ICOS. Den Bereich Physik und Chemie der Atmosphäre, Treibhausgase und Fernerkundung vertritt Prof. Dr. André Butz. Zu aquatischen Prozessen forscht Prof. Dr. Werner Aeschbach und die Klimavergangenheit der Erde untersucht Prof. Dr. Norbert Frank. Die Messung und Simulation der Strahlungswirkung von Aerosolen im Klimasystem ist Forschungsschwerpunkt von Prof. Dr. Stephanie Fiedler. Das Institut kooperiert bei Fragen der Bildverarbeitung mit dem Interdisziplinären Zentrum für Wissenschaftliches Rechnen der Universität Heidelberg, im Bereich Fernerkundung der Atmosphäre mit dem Max-Planck-Institut für Chemie in Mainz und auf dem Gebiet der Aerosol-Forschung mit dem Karlsruher Institut für Technologie. Zu den Kooperationspartnern gehört darüber hinaus das Klaus-Tschira-Labor für Physikalische Altersbestimmung, eine Einrichtung des Curt-Engelhorn-Zentrums für Archäometrie und der Curt-Engelhorn-Stiftung.
Aus Anlass des fünfzigjährigen Bestehens hat das Institut für Umweltphysik am 17. Juli 2025 eine Festveranstaltung ausgerichtet. Zu dem Programm mit wissenschaftlichen Beiträgen waren insbesondere auch Alumni eingeladen. Eröffnet wurde die Veranstaltung von Prof. Dr. Karin Schumacher, Prorektorin für Qualitätsentwicklung und Nachhaltigkeit der Universität Heidelberg. Keynote-Speaker war Prof. Dr. Ralph Keeling, Leiter des CO2-Forschungsprogramms an der Scripps Institution of Oceanography der University of California in San Diego (USA).











