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Enrico Brissa»Ich bin Europäer, Deutscher und Italiener«

Enrico Brissa führte sein Berufsweg ins Schloss Bellevue und in den Bundestag – als Protokollchef

Enrico Brissa

Dr. Enrico Brissa (*1971) war von 2016 bis Mai 2023 Leiter des Protokolls beim Deutschen Bundestag; seit Juni 2023 ist er Unterabteilungsleiter Ausschüsse beim Bundestag. Der gebürtige Heidelberger studierte von 1990 bis 1995 an der Universität Heidelberg Jura, absolvierte das zweite Staatsexamen in Berlin und wurde in München promoviert. 2001 wurde er Referent im Referat „Internationale Beziehungen“ des Deutschen Bundestags und war anschließend in verschiedenen Funktionen in der Bundestagsverwaltung tätig, zu denen unter anderem das Amt des Sekretärs im sogenannten Kunduz-Untersuchungsausschuss gehörte. 2011 wurde Enrico Brissa Protokollchef im Bundespräsidialamt, zunächst für Bundespräsident Christian Wulff und anschließend für dessen Nachfolger Joachim Gauck. Ebenfalls 2011 übernahm er einen Lehrauftrag am Lehrstuhl für Deutsches und Europäisches Verfassungs- und Verwaltungsrecht der Universität Jena. Daneben publiziert Enrico Brissa regelmäßig Fachaufsätze und Buchbesprechungen und veröffentlichte die Bücher „Auf dem Parkett. Kleines Handbuch des weltläufigen Benehmens (2018) und „Flagge zeigen! Warum wir gerade jetzt Schwarz-Rot-Gold brauchen“ (2021).

Das Interview wurde im August 2022 von Mirjam Mohr geführt.

Herr Brissa, welche Aufgaben hat der Protokollchef des Bundestags beziehungsweise des Bundespräsidenten?

Die Definition von „Protokoll“ ist nicht ganz einfach, aber man kann sich das Protokoll als ein kommunikatives Instrument ordnenden Charakters vorstellen, das in ganz unterschiedlichen Bereichen zur Anwendung kommt – im staatlichen, aber auch im außerstaatlichen Bereich, etwa bei Unternehmen oder Kirchen, und auch bei Universitäten, was sich etwa in den spezifischen Anreden als Magnifizenz oder Spektabilität zeigt. Im Deutschen Bundestag habe ich eine doppelte Zuständigkeit: Ich bin einerseits für das Protokoll des gesamten Hauses zuständig, andererseits bin ich der außenpolitische Berater der Bundestagspräsidentin. Das bedeutet, dass ich für die internationalen Kontakte der Präsidentin und auch der anderen Präsidiumsmitglieder zuständig bin. Dazu gehören inhaltliche Aufgaben wie die Erstellung von Dossiers, aber auch logistische Aufgaben, denn internationale Begegnungen funktionieren ja nur, wenn sie sauber vorbereitet und abgestimmt sind. Gemeinsam mit meinem Team bin ich also von der diplomatischen Korrespondenz über Reisen und Besuche in vielen Bereichen der internationalen Beziehungen des Bundestags tätig. Was das Protokoll angeht, sind meine Kolleginnen und Kollegen beispielsweise für die zentrale Gedenkstunde des Bundestages aus Anlass des Tags des Gedenkens an die Opfer des Nationalsozialismus zuständig, die jährlich am 27. Januar im Deutschen Bundestag stattfindet und die von meinem Team konzipiert, vorbereitet und durchführt wird. Außerdem sind wir für andere Sonderveranstaltungen zuständig, beispielsweise für Reden ausländischer Staatsoberhäupter im Plenum, oder für Staatsakte und dergleichen mehr.

Die Aufgaben des Protokolls beim Bundespräsidenten sind ähnlich, aber nicht identisch, und dort ist die Bedeutung des Protokolls natürlich noch größer: Man bereitet vielerlei Veranstaltungs- und Begegnungsformate, Reisen und Besuche vor – so habe ich als Protokollchef beispielsweise auch 2011 den damaligen Bundespräsidenten Christian Wulff bei seinem Besuch der Universität Heidelberg begleitet.

 

Gibt es persönliche Eigenschaften, die für ein solches Amt hilfreich sind?

Ich glaube fest daran, dass es solche Eigenschaften gibt – ich tue mich aber etwas schwer damit, sie zu benennen oder gar zu gewichten. In der Tat glaube ich, dass man nicht alles, was für dieses Amt nötig ist, erlernen und es auch nicht durch Erfahrung akkumulieren kann, sondern man muss eben etwas mitbringen. Zum einen ist wohl ein großes Interesse an internationalen Beziehungen und an interkulturellen Phänomenen nötig, um in diesem Beruf erfolgreich und auch glücklich sein zu können. Zum anderen braucht man eine gewisse Form der Stressresistenz, die sich meistens – jedenfalls bei mir – durch eine Mischung aus Humor und Gelassenheit auf der einen Seite und Detailversessenheit auf der anderen Seite ergibt. Das ist nötig, damit man bei den zahlreichen Änderungen in letzter Minute nicht die Nerven verliert – denn man kann noch so gut planen, am Ende läuft es häufig anders als im protokollarischen Ablauf vorgeschrieben.

Gedenkstunde des Deutschen Bundestages für die Opfer des Nationalsozialismus am 27. Januar 2022

Sie haben ein „Handbuch des weltläufigen Benehmens“ geschrieben. Gibt es einen Zusammenhang zwischen Protokoll und gutem Benehmen?

Protokoll und Manieren sind tatsächlich artverwandte Disziplinen, die zwar nicht identisch sind, aber sehr viel miteinander zu tun haben, und zwar nicht nur kulturgeschichtlich, sondern auch in ihrer Bedeutung für die Gegenwart. Aber dass ich mal ein Buch über Manieren schreiben würde, hätte ich eigentlich nie gedacht. Zunächst war das wirklich nicht mein Plan. Ich wurde zwar immer wieder einmal aufgefordert, ein Protokollbuch zu schreiben, aber das erschien mir als Projekt wenig interessant. Während meiner Zeit im Schloss Bellevue habe ich dann zunehmend bemerkt, wie verunsichert viele Bürgerinnen und Bürger waren, wenn sie mit dem Bundespräsidenten zu tun hatten. Mir wurden viele Detailfragen gestellt, etwa zu den Tischmanieren, und das hat mich doch überrascht. Die Verunsicherung schien mir größer zu sein als beispielsweise in Italien oder auch in anderen kontinentaleuropäischen Ländern. Deswegen bin ich der Frage nachgegangen, wie es eigentlich zu einer solchen Entwicklung gekommen war, und habe meine Erkenntnisse in dem Buch „Auf dem Parkett“ in einer lockeren, humorvollen Art ohne Zeigefinger darzustellen versucht. Im Grunde wollte ich einen Debattenbeitrag zum Thema Manieren schreiben, weil ich glaube, dass dieses Thema gerade in unserer digitalisierten und globalisierten Welt aus verschiedenen Gründen immer wichtiger sein wird.

Cover: Handbuch des weltläufigen Benehmens

Haben Sie eine Erklärung dafür, warum diese Verunsicherung in Deutschland größer ist als in anderen Ländern?

Dafür gibt es sicher verschiedene Ursachen, die nur zum Teil landesspezifisch sind.  Die Globalisierung und Digitalisierung und ihre Folgen haben einen großen Einfluss auf die Art unserer Lebensführung und damit natürlich auch auf unsere Manieren. Diese Faktoren wirken ihrer Natur nach unterschiedslos auf alle Länder und Kulturen. Was die länderspezifischen Faktoren angeht, ist für Deutschland vor allem die Gebrochenheit unserer jüngeren Geschichte hervorzuheben. Die auffällige Häufung von tiefgreifenden historischen Zäsuren, die ja nicht nur historische Daten in Geschichtsbüchern sind, sondern jeweils mit sehr wirkmächtigen Erschütterungen einhergegangen sind. Diese Zäsuren betrafen das ganze Gemeinwesen, also die politische Ordnung, die Rechtsordnung, die Wirtschaftsordnung und natürlich auch das Private. Wenn man sich vor Augen führt, was das von der späten Reichsgründung 1871 bis zur Wiedervereinigung konkret bedeutete, dann ist das eine Aneinanderreihung von Umbrüchen, die jeweils massive und langandauernde Auswirkungen auf das Privatleben hatten. Und ich glaube, dass der Grad des Selbstverständlichen, des ohne Hinterfragung Tradierten bei uns geringer ist als etwa in den Benelux-Staaten, im Vereinigten Königreich, in Frankreich, Italien oder Schweden. Diese länderspezifischen Faktoren trafen dann, insbesondere nach Ende der 1990er-Jahre, auf die Folgen der Globalisierung und Digitalisierung und haben sich gegenseitig verstärkt.

 

Mit welchem Ziel haben Sie Jura studiert – hatten Sie da schon eine Tätigkeit im politischen Bereich vor Augen?

Das ist nicht so einfach zu beantworten. Mir war schon vor dem Studium klar, dass ich mich gerne in einem Bereich einsetzen würde, der mit Staat und internationalen Beziehungen zu tun hat – das war ein Gefühl, das mich seit der politischen Bewusstseinsentwicklung begleitet hat. Allerdings habe ich mich im Studium selbst zunächst im Privatrecht herumgetrieben, als wissenschaftliche Hilfskraft von Professor Erik Jayme einerseits, andererseits aber auch bei den Professoren Peter Ulmer und Peter Hommelhoff, bei denen ich Gesellschaftsrecht gehört und meinen Seminarschein gemacht habe. Mir war allerdings früh klar, dass ich nicht in eine Frankfurter Großkanzlei gehen wollte, aber alles andere war unklar – es gehört ja zu den großen Vorteilen des volljuristischen Daseins, dass man solche Entscheidungen recht spät treffen kann. Ich hatte auch ein Angebot aus der Industrie, habe dann aber recht schnell und deutlich gewusst, dass für mich das Politische langfristig interessanter sein wird als das Ökonomische, und so habe ich mich auf eine Ausschreibung des Deutschen Bundestages beworben. Ich glaube, während des Studiums wusste ich noch nicht einmal, dass es eine Bundestagsverwaltung gibt – überhaupt spielt das Parlamentsrecht im Rahmen des Staatsrechts auch heute noch keine ausgeprägte Rolle, die parlamentsrechtlichen Themen könnten durchaus ein bisschen intensiver beleuchtet werden. Aber ich habe irgendwann im Studium die Kurve bekommen, habe mich vom Privatrecht verabschiedet und bin Richtung Öffentliches Recht gegangen, wo ich mich nun auch sehr wohl fühle.

Enrico Brissa als Heidelberger Student

Würden Sie sagen, dass Sie in Heidelberg studiert haben, obwohl oder weil Sie dort auch aufgewachsen sind?

Obwohl ich in Heidelberg aufgewachsen bin! Meiner Empfindung nach ist Heidelberg eine interessante Zwiebel mit unterschiedlichen Schichtungen: Es gibt das Heidelberg der Universität und es gibt das Heidelberg der Schülerinnen und Schüler, und diese Schichten haben nicht unbedingt immer etwas miteinander zu tun. Ursprünglich wollte ich im Studium auch relativ schnell weiterziehen, habe das aber dann doch nicht gemacht, weil ich früh das Glück hatte, bei einem großen Professor wissenschaftliche Hilfskraft zu sein, und weil ich auch relativ schnell scheinfrei war. Ich habe aber gar nicht so examensorientiert studiert, wie das vielleicht andere getan haben, sondern habe mich von meinen Interessen leiten lassen und eine längere Zeit dem Staatsrecht und der allgemeinen Staatslehre gewidmet, obwohl das in dieser Form gar nicht examensrelevant war. Ich habe viele der großen Weimarer Juristen gelesen, aber auch diejenigen Juristen, auf denen ein dunkler Schatten lag, beispielsweise Carl Schmitt, aber auch Ernst Forsthoff.

 

Haben Sie prägende Erinnerungen an Ihre Studienzeit, die wichtig für Ihr weiteres Leben waren?

Meine Studienzeit war geprägt von einer Atmosphäre des wirklich freien Ideen- und Meinungsstreites, der immer auch interdisziplinär war und zahlreiche internationale Vernetzungen aufwies. Genau diese Art und Weise finde ich faszinierend und sie hat mein weiteres Wirken beeinflusst, auch mein wissenschaftliches Wirken in ganz unterschiedlichen Bereichen. Ich bin großen Köpfe begegnet, die mich geprägt haben, vor allem Prof. Jayme, aber auch großen Wissenschaftlern, die damals noch gar keinen Lehrstuhl hatten, beispielsweise die Rechtswissenschaftler Heinz-Peter Mansel und Mathias Habersack, die mich als Assistenten ebenfalls fasziniert haben und dann ja auch auf bedeutende Lehrstühle berufen worden sind. Zu nennen sind auch die bereits angesprochenen Rechtswissenschaftler Peter Ulmer und Peter Hommelhoff und natürlich im Bereich der Politikwissenschaft der kürzlich verstorbene Klaus von Beyme. Zu Heidelberg – wenn auch nicht zur Universität Heidelberg – gehört für mich auch der Soziologe und Philosoph Hans Albert, der als Wissenschaftstheoretiker und Popper-Schüler einen großen Einfluss auf mich hatte und der, mittlerweile 101 Jahre alt, noch immer in Heidelberg lebt. Und der Zivilrechtler Othmar Jauernig, der ein Nachbar meiner Eltern war: Nach dem Abitur hat er mich auf eine Flasche Weißwein eingeladen und sich meine Noten vortragen lassen, um sorgfältig zu prüfen, ob es denn erfolgreich sein würde, wenn der Junge Jura studierte. An ihm habe ich immer die prägnante, konzise Art seines Denkens und Schreibens bewundert, die sich ja auch in dem von ihm herausgegebenen Kurzkommentar zum BGB zeigte.

 

Fühlen Sie sich der Universität über Ihren Vater Ettore Brissa, der am Institut für Übersetzen und Dolmetschen lehrte, nochmal besonders verbunden?

Ja, denn ich habe natürlich viele Kindheitserinnerungen an die Universität, an Besuche im Institut meines Vaters oder auch an gemeinsame Mensabesuche. Mein Vater war auch im Senat der Universität und hat die wilden 68er-Jahre und die Rektoratsbesetzung durch Angehörige des sogenannten Sozialistischen Patientenkollektivs unter dem damaligen Rektor Rolf Rendtorff miterlebt. Das sind für mich also keine historisch-abstrakten Tatsachen, sondern Ereignisse, die sich in relativer Nähe zu meinem Elternhaus abgespielt haben und somit auch in der Folge meine Kindheit mit geprägt haben.

 

Neben Ihrer Arbeit als Protokollchef sind Sie auch Lehrbeauftragter an der Universität Jena und veröffentlichen regelmäßig zu juristischen, historischen oder politikwissenschaftlichen Themen. Wie wichtig sind Ihnen diese Tätigkeiten?

Die Zeit, die ich seit 2011 an der Juristischen Fakultät in Jena investiere, ist mir sehr wichtig. Mein Leben steht immer in einem Spannungsverhältnis zwischen meinem Dasein als Bundesbeamter einerseits und der akademischen Arbeit andererseits, und meine persönliche Mischung mit dem Schwerpunkt im Öffentlichen Dienst und dem „Spielbein“ im Bereich des Akademischen ist für mich eine sehr fruchtbare Beziehung. Ja, ein wichtiger Ausgleich, gerade in stressigen Zeiten. Wenn ich nicht mehr lehren oder anderen interessanten Themen schriftstellerisch, wissenschaftlich oder publizistisch nachgehen könnte, dann würde mir etwas fehlen, und insofern kann ich dieses Yin-und-Yang-Verhältnis eigentlich nur empfehlen!

 

Haben Sie sich deshalb auch mit der Frage beschäftigt, ob Franz Josef Strauß für den US-Geheimdienst tätig war?

Das war eine langjährige Forschungsarbeit, die schließlich in einen Aufsatz mündete – nach einem Zufallsfund, denn ich habe eigentlich zu einem ganz anderen Thema geforscht. Der Schwerpunkt meiner wissenschaftlichen Tätigkeit liegt im Bereich der parlamentarischen Kontrolle von Regierungshandeln, und in diesem Sachzusammenhang bin ich der Frage nachgegangen, inwiefern es der Stasi gelungen ist, die Instrumente der parlamentarischen Kontrolle in der Bundesrepublik mit nachrichtendienstlichen Mitteln zu durchdringen. Im Zuge dieses Forschungsthemas bin ich dann auf Aktenbestandteile gestoßen, die Strauß betrafen, und dann bin ich natürlich dieser Frage nachgegangen. Das war schließlich mit einer großen Aufmerksamkeit verbunden, als die Arbeit 2015 im Zusammenhang mit Strauß’ 100. Geburtstag erschien.

2021 haben Sie das Buch „Flagge zeigen!“ veröffentlicht. Worum geht es darin und was hat Sie zu diesem Buch motiviert?

Dieses Buch ist entstanden als Plädoyer für einen gelebten Verfassungspatriotismus und hat insofern auch wieder mit Heidelberg zu tun, als ich es dem großen Politologen Dolf Sternberger gewidmet habe. Ähnlich wie bei meinem Buch „Auf dem Parkett“ hätte ich auch hier nicht gedacht, dass ich mal ein Buch über Verfassungspatriotismus schreiben würde. Aber dann gab es die schrecklichen rassistischen Ausschreitungen in Chemnitz und ich habe mich gemeinsam mit Freunden bei der Vorbereitung der Demonstration des „Bündnisses #unteilbar“ engagiert, die im Oktober 2018 in Berlin mit einer Viertel Million Teilnehmerinnen und Teilnehmern stattgefunden hat. Dorthin sind wir ganz bewusst mit Deutschland- und Europaflaggen gegangen, als Zeichen dafür, dass wir die Symbole unserer Republik nicht den Rechtsradikalen und Rechtsextremen überlassen dürfen, wie es in den Jahren nach 2015 schon der Fall war. Dort bin ich dann wegen der Deutschlandflagge attackiert worden, die man mir auch entrissen hat – es war ein mehrstündiger Spießrutenlauf, der mich in seiner Radikalität dann doch überrascht hat, weil ich der Überzeugung war, dass wir nach der Fußball-WM 2006 in Deutschland mittlerweile doch einen etwas entspannteren Umgang mit den Symbolen unseres Landes hätten. Daher bin ich der Frage nachgegangen, wie es sein kann, dass Schwarz-Rot-Gold als Farben unsere Verfassung und unserer freiheitlichen demokratischen Grundordnung solche Aggressionen auf sich zieht, und woher dieses große Unwissen kommt. So wurden wir etwa angeschrien, Schwarz-Rot-Gold sei „die Flagge des Holocausts". All das hat mich dazu bewegt, ein Plädoyer zur Bedeutung eines auch symbolischen Verfassungspatriotismus zu schreiben. In dieser Streitschrift gehe ich der besonderen Geschichte unserer Staatssymbole nach und versuche, Lösungsansätze für die Probleme im Umgang mit ihnen aufzuzeigen.

Cover: Flagge zeigen

Fühlen Sie sich denn Italien, dem Heimatland Ihres Vaters, genauso verbunden wie Deutschland?

Die Heimat meines Vaters ist auch meine Heimat. Ich bin ja auch italienischer Staatsbürger und habe zwei Pässe, daher fühle ich mich beiden Ländern verbunden. Es wird wohl einen Schwerpunkt auf der deutschen Seite geben. So bin ich deutscher Beamter, habe die meiste Zeit in Deutschland gelebt und auch hier meinen Wehrdienst absolviert. Aber schlussendlich würde ich sagen, dass auch die Identität wieder wie eine Zwiebel aufgebaut ist: Es gibt verschiedene Schichten, und meine europäische Identität war vielleicht von Anfang an etwas stärker ausgeprägt als bei den meisten meiner Altersgenossen. In den letzten Jahren hat sich nach meinem Eindruck bei vielen eine immer stärker werdende europäische Identität herausgebildet, und das erfüllt mich natürlich mit Freude. Ich bin Europäer, Deutscher und Italiener.