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RAN Newsletter 01/2024Künstliche Intelligenz und Maschinelles Lernen in Heidelberg

Heidelberg hat sich zum Standort einer aktiven wissenschaftlichen Community im Forschungsfeld Maschinelles Lernen und Künstliche Intelligenz (KI) entwickelt. Einblick in die Anwendungsmöglichkeiten von KI in der Forschung geben zwei Projekte an der Medizinischen Fakultät Heidelberg und am Institut für Pharmazie und Molekulare Biotechnologie der Universität Heidelberg.

Angesichts der großen Bedeutung von KI hatte die Universität Heidelberg einen eher zögerlichen Start mit nur wenigen Laboren, die in diesem Bereich arbeiteten. Das änderte sich mit dem Exzellenzcluster STRUCTURES, der als erster die Notwendigkeit erkannte, die Entwicklung voranzutreiben. Daraufhin beschloss das Interdisziplinäre Zentrum für Wissenschaftliches Rechnen (IWR), einen neuen Schwerpunkt im Bereich des Maschinellen Lernens (ML) einzurichten, um seine Arbeit auf den Feldern Modellierung, Simulation und Optimierung zu ergänzen. Das Rektorat hat eine neue Professur für „Mathematische Grundlagen des Maschinellen Lernens“ eingerichtet, die gerade besetzt wird, und mehrere Professuren in der Mathematik werden derzeit auf das Maschinelle Lernen umorientiert. 

Wie in anderen Bereichen auch, profitiert die Universität Heidelberg in hohem Maße von der Zusammenarbeit mit den umliegenden Institutionen, insbesondere dem Deutschen Krebsforschungszentrum (DKFZ), dem Europäischen Laboratorium für Molekularbiologie (EMBL), dem Heidelberger Institut für Theoretische Studien (HITS) und dem Zentralinstitut für Seelische Gesundheit (ZI) in Mannheim. Expert:innen aus diesen Einrichtungen arbeiten mit Laboren der Universität im Rahmen des AI Health Innovation Cluster und der Einheit ELLIS Life Heidelberg zusammen, die Teil des Europäischen Labororatoriums für Lernen und Intelligente Systeme (ELLIS) ist. Auch wenn der Bereich noch weiter gestärkt werden muss, ist Heidelberg heute Standort einer aktiven wissenschaftlichen Community im Forschungsfeld Maschinelles Lernen und KI, deren Beiträge von der Grundlagenforschung bis zu Anwendungen in der Physik, den Lebens- und Geowissenschaften und den Geisteswissenschaften reichen. 

Beispielsweise hat das Forschungsprojekt „Artificial Intelligence for treating Cancer therapy Resistance“ (AI-Care), an dem Bioinformatiker:innen der Universität Heidelberg beteiligt sind, als Ziel, mit KI-Methoden vorherzusagen, wie aggressive Hirntumoren auf bestimmte Wirkstoffe reagieren. Mithilfe von experimentellen Arbeiten in Verbindung mit KI-basierten mathematischen Ansätzen wollen die Wissenschaftler:innen ein Modell entwickeln, mit dem die Fähigkeit von Tumorzellen, sich an Therapien anzupassen, modelliert werden kann. Mit diesen Vorhersagen sollen mögliche Resistenzen vermieden werden. Die Carl-Zeiss-Stiftung fördert die Forschungsarbeiten für einen Zeitraum von sechs Jahren mit fünf Millionen Euro. An den wissenschaftlichen Arbeiten sind insgesamt zehn Forschungsgruppen an den drei Projektstandorten in Heidelberg und Kaiserslautern-Landau beteiligt.

Hoch-invasive und aggressive Gehirntumoren, sogenannte Glioblastome, bestehen aus unterschiedlichen Arten von Krebszellen mit einer besonders hohen Plastizität. Sie besitzen damit die Fähigkeit, sich an Therapien anzupassen und Resistenzen zu entwickeln, sodass konventionelle Behandlungen wie Chemo- oder Strahlentherapie versagen, wie Prof. Dr. Carl Herrmann erläutert. Er ist Leiter der Abteilung Bioinformatik am Institut für Pharmazie und Molekulare Biotechnologie der Universität Heidelberg und Partner in dem Projekt AI-Care. In der Verbindung von Einzelzell-Sequenzierungstechnologie und Methoden der KI wollen die beteiligten Wissenschaftler:innen die molekularen Schlüsselprozesse, die die Plastizität von Glioblastomen regulieren, charakterisieren und modellieren. Das Team von Prof. Herrmann wird dabei die Daten, die aus der Einzelzellanalyse von künstlich gezüchtetem Glioblastomgewebe gewonnen werden, mithilfe von Methoden des Maschinellen Lernens verarbeiten. Auf der Grundlage eines daraus resultierenden Modells soll das Verhalten der Krebszellen kontrolliert, ihre Reaktion auf Medikamente vorhergesagt und personalisierte Therapien optimiert werden. Von ihrem Ansatz erhoffen sich die Wissenschaftler:innen nicht nur neue Möglichkeiten bei der Behandlung von Glioblastomen und anderen Krebsarten, sondern auch neue Impulse für eine KI-unterstützte, personalisierte Präzisionsmedizin.

Bewegungstherapie mit “Exosuit”
Juniorprofessorin Dr. Sandy Engelhardt

Ein anderes Heidelberger Forschungsprojekt zur Verbesserung der Prognosen von Menschen mit Herzschwäche mithilfe von KI wird seine Arbeit im Juli 2024 aufnehmen. Um die häufig schwer abzuschätzende Prognose des Krankheitsverlaufs und damit die Therapieoptionen zu verbessern, wollen Wissenschaftler:innen aus Heidelberg und Mainz in einem gemeinsamen Forschungsprojekt unter Einsatz von KI-Verfahren sowie Anwendungen aus der Robotik individualisierte Therapien für Patient:innen mit Herzinsuffizienz entwickeln. Das Verbundvorhaben ist federführend an der Medizinischen Fakultät Heidelberg der Universität Heidelberg und an der Universitätsmedizin Mainz angesiedelt und wird von der Carl-Zeiss-Stiftung über einen Zeitraum von sechs Jahren mit fünf Millionen Euro gefördert. 

Das Projekt „Multi-dimensionAI: linking scales of information to improve care for patients with heart failure“ wendet sich an eine Patient:innengruppe, die an einer häufigen Form der chronischen Herzschwäche leidet: Dabei versteift die linke Herzkammer, wobei dennoch eine ausreichende Menge an Blut ausgestoßen wird. Nach Angaben der Expert:innen gibt es keine einheitlichen Behandlungsmöglichkeiten, die die Veränderungen des Herzmuskels rückgängig machen und die Prognose der Betroffenen verbessern können. Unbehandelt kann es langfristig zu Herzversagen kommen, wie Juniorprofessorin Dr. Sandy Engelhardt von der Medizinischen Fakultät Heidelberg betont. Die Wissenschaftlerin ist Sprecherin des Projekts und forscht mit ihrer Arbeitsgruppe „Künstliche Intelligenz in der Kardiovaskulären Medizin“ in den Kliniken für Kardiologie, Angiologie und Pneumologie sowie für Herzchirurgie des Universitätsklinikums Heidelberg. 

Die Wissenschaftler:innen wollen KI multi-modal mit den Gesundheitsdaten von mehreren tausend Patient:innen trainieren. „Von der Unterstützung durch die KI erhoffen wir uns, zukünftig Therapien sehr viel gezielter als bisher auswählen und auf ihren Nutzen hin bewerten zu können“, erklärt Prof. Engelhardt. Als konkretes Anwendungsbeispiel für eine KI-gestützte Therapieempfehlung soll eine Bewegungstherapie-Studie angeboten werden, die in den sportmedizinischen Abteilungen des Universitätsklinikums Heidelberg sowie der Universität Mainz entwickelt und betreut wird. Dabei werden die aufgrund der Herzschwäche schnell unter Atemnot leidenden Patient:innen in ihrem Training von einem individuell angepassten Exosuit unterstützt. Konzipiert wurde dieser von einem Team um Prof. Dr. Lorenzo Masia, Leiter der Abteilung Biorobotik und Medizintechnik am Institut für Technische Informatik der Universität Heidelberg.