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I lost my heart in Heidelberg„Das Studium war eine großartige Erfahrung für mich“

Yung-Hui Kuan, Biowissenschaftlerin am Institute of Biomedical Science der Academia Sinica in Taiwan

Von 2001 bis 2006 Doktorandin am Zentrum für Molekulare Biologie der Universität Heidelberg (ZMBH)

Porträt Yung-Hui Kuan

Wann, wie lange und in welcher Position waren Sie an der Universität Heidelberg?

Vor 22 Jahren, gegen Ende des Jahres 2001, hat mich Prof. Konrad Beyreuther als Doktorandin angenommen. Ich arbeitete mit in einem Forschungsprojekt zur Untersuchung des Alzheimer-Proteins APPBP1 unter der Leitung von Dr. Stefan Kins, der jetzt Professor an der Universität Kaiserslautern ist. Nachdem ich im Februar 2005 mit einer Arbeit zum Thema „Targeting APPBP1 influences APP metabolism and axonal transportation“ promoviert worden war, verließ ich Heidelberg Anfang Mai 2006 für eine Postdoc-Ausbildung an der Columbia University in New York (USA).

Warum haben Sie sich für die Universität Heidelberg entschieden?

Als jemand, der im Bereich der Medizinischen Wissenschaften mit einem Master-Abschluss in Pathologie studiert hat, habe ich ein Land und Bildungssystem, das viele Nobelpreisträger hervorbringen konnte, bewundert und war neugierig darauf. Nach meinem Eindruck gilt die Universität Heidelberg als eine der besten Universitäten Deutschlands, und so kam mir der Gedanke, sie vielleicht einmal zu besuchen. Im Sommer 2001 konnte ich an einem von der Universität Heidelberg angebotenen Sommersprachkurs teilnehmen. Während dieser Zeit fühlte ich mich sehr angezogen von dem ruhigen, mittelalterlichen, literarischen Temperament der Stadt Heidelberg und ihrer Umgebung mit dem schönen, gemütlichen Fluss und den Bergen. All das motivierte mich, Heidelberg näher kennenzulernen, und in dieser Zeit hörte ich auch, dass die Universität Heidelberg einen guten Ruf in der biomedizinischen Forschung genießt. Also machte ich mich auf die Suche nach geeigneten Möglichkeiten für ein Promotionsstudium in Heidelberg, anstatt in die USA zu gehen, wie ich es vor meiner Abreise nach Heidelberg geplant hatte. Nach mehreren Kontakten und persönlichen Gesprächen bekam ich die Chance, in der Forschungsgruppe von Prof. Beyreuther zu arbeiten.

Was gefällt Ihnen besonders gut hier, wo haben Sie Verbesserungsvorschläge?

Wie bereits erwähnt liebe ich an dieser berühmten Universitätsstadt das literarische Temperament der kleinen Stadt und die leicht zugänglichen nahe gelegenen Berge, die Aussicht auf den Fluss und die gemütlichen Wanderwege, die sie für Naturliebhaber verbindet. Akademisch hatte ich großartige Unterstützung von allen Gruppenmitgliedern, die mich während meiner Zeit begleiteten. Prof. Beyreuther war ein sehr sachkundiger und warmherziger Mensch, der es gut hinbekam, auf die Anfragen der Gruppenmitglieder zu reagieren, obwohl er sehr beschäftigt und oft nicht da war, und der immer sein Bestes tat, um zu helfen, wo er konnte. Das Studium war eine großartige Erfahrung für mich und hat mir geholfen, eine solide Grundlage für meine Arbeit im Bereich der neurowissenschaftlichen Forschung zu legen.

Wie ist Ihr weiterer Karriereweg nach Ihrer Zeit in Heidelberg verlaufen?

Nach Abschluss meiner Studien bei Prof. Beyreuther habe ich Heidelberg Anfang Mai 2006 für eine Postdoc-Ausbildung an der Columbia University in New York (USA) verlassen. Das dortige Projekt, bei dem es um die Bildung synaptischer Vesikel ging, war sehr attraktiv, verlief aber nicht so gut, wie mein Mentor Prof. Gilbert De Paolo und ich erwartet hatten. Daher entschied ich rund zwei Jahre später, Anfang März 2008, mich der Gruppe von Prof. Heinrich Betz am Max-Planck-Institut für Hirnforschung (MPIH) in Frankfurt anzuschließen, um an einem Projekt über den ATP-Rezeptor/Ionenkanal P2X7 zu arbeiten. Meine Arbeit dort half mir, alle Grundlagen für spätere Arbeiten über nozizeptive Verläufe und Regulierungen im Zusammenhang mit dem Ionenkanal P2X7 zu legen. Ende 2009 verließ ich das MPIH aus familiären Gründen und kehrte nach Taiwan zurück. Im März 2010 schloss ich mich als Postdoktorandin der Gruppe von Dr. Bai-Chuang Shyu am Institute of Biomedical Science der Academia Sinica in Taiwan an, um ein neues Projekt zu starten, das die Rolle von P2X7 bei der Entstehung, Empfindung, Regulierung und Übertragung von chronischen und akuten Schmerzen untersuchen sollte. Dank meiner Ausbildung an der Universität Heidelberg, der Columbia University und dem MPIH Frankfurt kann ich inzwischen etliche Publikationen und Auszeichnungen im Bereich der Schmerz-/Neurowissenschaften vorweisen. Anfang 2021 bin ich zum Special Project Investigator befördert worden.  

Wie beurteilen Sie das deutsche Wissenschaftssystem im Vergleich zu Ihrem Heimatland oder anderen Ländern, in denen Sie bereits geforscht haben?

Meine Erfahrungen in Deutschland beruhen auf zwei Einrichtungen, dem ZMBH in Heidelberg und dem MPIH in Frankfurt. Obwohl ich nicht sagen kann, dass sie in jeder Hinsicht exzellent waren, sehe ich vor allem einen bemerkenswerten und sehr nützlichen Punkt: Es gab eine gut organisierte Struktur aus unterstützenden Systemen, Büros und Einrichtungen für den Laborbedarf, was wirklich großartig war und ein sehr angenehmes Umfeld für Forscher:innen schuf. Dadurch konnten sich diese auf die Entwicklung und Umsetzung von Forschungsideen konzentrieren und zögerten weniger, bestimmte komplizierte Ansätze auszuprobieren, die nicht von der eigenen Gruppe entwickelt wurden, sondern von umliegenden Gruppen oder unterstützenden Einrichtungen bereitgestellt werden konnten. Während meiner Doktorarbeit bei Prof. Beyreuther habe ich sehr die Unterstützung durch das Labor des ZMBH und andere Einrichtungen geschätzt. Ich bin immer noch dankbar für die sehr aufgeschlossene Atmosphäre – die gesamte Umgebung war sehr freundlich und stellte bei Bedarf Ausrüstung zur Verfügung. 

Für wie wichtig halten Sie internationalen Austausch in der Wissenschaft?

Ich bin der festen Überzeugung, dass es für Forscher:innen sehr wichtig ist, mehr Möglichkeiten zum Erfahrungsaustausch mit anderen Forschern:innen zu haben – das ist immer nicht nur für die beteiligten Personen, sondern auch für das entsprechende Forschungsgebiet von Vorteil. In der heutigen Zeit nimmt das Wissen schnell zu, viele festgefügte Konzepte ändern sich durch neue Entdeckungen, neue Technologien und die Verbesserung der Forschungsausbildungen. Wissenschaftliche Forschung zeichnet aus, dass sie auf dem neuesten Stand sein muss – je neuer, desto besser und nützlicher für die Gesellschaft. Es ist wahrscheinlich nicht möglich, dass einzelne Forscher:innen alle damit zusammenhängenden Kenntnisse abdecken und dass alle Untersuchungen von einer einzigen Gruppe durchgeführt werden; wenn Forscher:innen also die Möglichkeit haben, ihre eigenen Arbeiten mit anderen zu teilen und sich auszutauschen, kann das wirklich dazu beitragen, Fortschritte im entsprechenden Forschungsgebiet zu ermöglichen. 

Empfehlen Sie einen Forschungsaufenthalt an der Universität Heidelberg an Ihre Studierenden bzw. innerhalb Ihres wissenschaftlichen Netzwerks?

Meine persönlichen Arbeitserfahrungen während meiner Zeit in Heidelberg waren insgesamt sehr positiv. Ich bin mir sicher, dass ich meinen Kolleg:innen und Studierenden empfehlen werde, für alle Arten von Besuchen –  für ein weiterführendes Studium, ein Austauschprogramm oder für mögliche praktische Kooperationen – Heidelberg zu wählen. 

Wie beurteilen Sie die Möglichkeiten, die Ihnen das Research Alumni Netzwerk bietet? Nutzen Sie diese?

Ich selbst habe erst vor einigen Monaten von der Existenz des Research Alumni Netzwerks erfahren und konnte mich noch nicht richtig in das System einarbeite, da ich zurzeit sehr beschäftigt bin. Ich würde gerne eine Verbindung mit meinen früheren Kollegen aufbauen, die damals Ärzt:innen oder Studierende waren und heute in der Bioforschung, in der Biotechnologie oder in pharmazeutischen Unternehmen arbeiten. Es wäre schön, wenn wir die Verbindung aus der gemeinsamen Heidelberger Zeit erweitern könnten, um uns gegenseitig auszutauschen und bei Bedarf helfen zu können.