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Tonpilz – Königsinschrift zur falschen Zeit am falschen Ort

Uruk-Warka-Sammlung

Dieser sogenannte Tonpilz aus Uruk im heutigen Südirak war dazu bestimmt, in einem neu errichteten Tempel in der bis heute unbekannten Stadt Dūrum verbaut zu werden. Er gelangte jedoch nie an seinen Bestimmungsort, sondern wurde zusammen mit anderen Tonpilzen in einem Brennofen innerhalb des Palasts des Königs Sîn-kāšid (ca. 1865–1833 v. u. Z.) in Uruk gefunden.

Die Pilze tragen eine sumerische Inschrift, in der sich Sîn-kāšid rühmt, die Tempel der Götter Lugal-Irra und Meslamtaea erbaut zu haben. Im Gegenzug erbittet er die Gunst der Gottheiten. Interessant ist, dass solche Tonpilze im Mauerwerk zwischen die Ziegel gesetzt wurden, so dass ihre Inschrift nicht sichtbar war. Dies ist umso auffälliger, als dass auf den Pilzen auch eine »Getreide-Kursangabe« vermerkt ist: Sie nennt die Mengen an Getreide, Pflanzenöl, Wolle und Kupfer, die man mit nur einem Šekel Silber kaufen konnte. Aus zeitgenössischen Wirtschaftstexten ist jedoch überliefert, dass diese Angabe nicht der Realität entsprach. Die Inschriften waren also nicht für das menschliche Auge bestimmt, sondern für die Götter selbst. Der König wollte sich vor den Gottheiten als rechtschaffener Herrscher präsentieren, unter dessen Führung Grundnahrungsmittel und Werkstoffe für jedermann erschwinglich waren.

Insgesamt wurden in dem Ofen über 70 solcher Tonpilze gefunden, die bei genauerer Betrachtung spannende Einblicke in ihre Herstellung erlauben. Die Königsinschriften wurden vor Ort im Palast selbst gefertigt. Zunächst von einem Töpfer auf der Scheibe gedreht, zeigen die Pilze deutliche Herstellungsspuren, so sind einige im Trocknungsprozess umgekippt und eingedellt. Andere tragen die Fingerabdrücke der Schreiber, die die Pilze beim Beschriften fest umschlossen hielten und uns so verraten, dass einer von ihnen Linkshänder war.

Ton, Höhe 12,2 cm, Durchmesser Kopf 13–13,6 cm, Durchmesser Schaft 6,4–6,8 cm, 19. Jh. v. u. Z., Inventarnummer W 21415,18, Uruk-Warka-Sammlung des Deutschen Archäologischen Instituts / Heidelberg Center for Cultural Heritage

K. Sieckmeyer © Uruk-Warka-Sammlung, DAI Orient-Abteilung