4EU+Nach Paris: Klimaschutz in EU-Staaten unzureichend

16. Mai 2023

Nachwuchsforscher der 4EU+ European University Alliance untersuchen Einstellungen zum Klimawandel und politische Maßnahmen in der Europäischen Union

Das Thema Klimawandel ist in den vergangenen Jahren in der Europäischen Union verstärkt in das öffentliche Bewusstsein gerückt, doch die Mitgliedsstaaten haben nach dem Pariser Klimaschutzabkommen aus dem Jahr 2015 ihre klimapolitischen Maßnahmen nicht ausreichend intensiviert. Das ist ein zentrales Fazit aus einer Untersuchung, in der Nachwuchswissenschaftlerinnen und Nachwuchswissenschaftler der 4EU+ European University Alliance der Frage nachgegangen sind, was das Abkommen in der EU gebracht hat. Während sich unter dem Eindruck der zunehmenden klimatischen Auswirkungen die Einstellungen in der Öffentlichkeit zum Klimawandel verändert haben, bleiben die auf nationaler Ebene umgesetzten politischen Maßnahmen unzureichend.

Durchgeführt wurden die Forschungsarbeiten im Collegio Futuro, das am Heidelberg Center for the Environment (HCE), dem umweltwissenschaftlichen Forschungszentrum der Universität Heidelberg, angesiedelt und im Themenschwerpunkt „Ökologische Übergänge“ der 4EU+-Universitätsallianz verankert ist. Im Kolleg befassen sich Doktorandinnen und Doktoranden aus mehreren europäischen Ländern über Disziplingrenzen hinweg mit zentralen Fragestellungen einer nachhaltigen Entwicklung. Ein Team aus Ökologen, Hydrologen, Physikern, Psychologen, Epidemiologen und Politikwissenschaftlern hat nun untersucht, in welchem Verhältnis die Auswirkungen des Klimawandels zu öffentlichen Einstellungen und klimapolitischen Maßnahmen in den Ländern der EU stehen. Als Referenzpunkt diente das Pariser Klimaschutzabkommen.

Mit dem Abkommen haben sich im Jahr 2015 knapp 200 Staaten weltweit darauf geeinigt, die Erderwärmung mithilfe von nationalen Klimaschutzbeiträgen auf unter zwei Grad Celsius zu begrenzen. Die Europäische Union trägt maßgeblich zu den globalen Kohlenstoffdioxidemissionen bei, verfehlt jedoch auf Länderebene bislang ihre Klimaziele, so Dr. Maximilian Jungmann, Geschäftsführer des HCE. „Vor diesem Hintergrund sind wir im Collegio Futuro der Frage nachgegangen, ob Länder, die in besonderem Maße von den Auswirkungen des Klimawandels betroffen sind und deren Bürger sich stark mit diesem Thema auseinandersetzen, auch eine engagiertere Klimapolitik vorweisen können“, so der Politikwissenschaftler. Dazu analysierte das Team drei Klimaindizes mit Datensätzen aus 27 europäischen Ländern im Hinblick auf Klimawandelfolgen, nationale Klimapolitik und öffentliche Einstellungen.

Die Analysen für den Zeitraum von 2007 bis 2021 zeigen, dass der Klimawandel zwar in der gesamten EU immer mehr in den Fokus der Öffentlichkeit – in Nordeuropa mehr als in Südeuropa – gerückt ist, die Mitgliedsstaaten jedoch auch nach dem Pariser Klimaschutzabkommen ihre politischen Anstrengungen für den Klimaschutz nicht weiter verstärkt haben. In der osteuropäischen Makroregion hat sogar eher eine Verschlechterung stattgefunden. Während in nordeuropäischen Ländern negative Folgen des Klimawandels, insbesondere zunehmender Hitzestress, zu einer engagierteren Klimapolitik geführt haben, ist das Gegenteil in südeuropäischen Ländern der Fall, so ein weiterer Befund. „Worauf die Ergebnisse unserer Untersuchungen ganz klar hindeuten, ist eine Entkopplung von öffentlicher Wahrnehmung und effektiven politischen Maßnahmen. Diese sind jedoch dringend erforderlich, um auf die zunehmenden Auswirkungen des Klimawandels zu reagieren“, betont Patricia Nayna Schwerdtle, Erstautorin der Studie und Doktorandin am Heidelberger Institut für Global Health, das an der Medizinischen Fakultät Heidelberg und am Universitätsklinikum Heidelberg angesiedelt ist.

An den Forschungsarbeiten waren Nachwuchswissenschaftlerinnen und Nachwuchswissenschaftler der Universitäten Heidelberg, Sorbonne/Paris, Mailand, Warschau und Prag beteiligt. Mit den Universitäten Kopenhagen und Genf bilden sie die 4EU+ European University Alliance, einen länderübergreifenden strategischen Zusammenschluss sieben forschungsstarker Universitäten, der im Rahmen der Erasmus+-Ausschreibung „Europäische Hochschulen“ gefördert wird. Die Forschungsergebnisse wurden in der Fachzeitschrift „Sustainability“ veröffentlicht.

Die Mitglieder des Collegio Futuro bei einem Treffen in Mailand. Von links hinten: Dr. Maximilian Jungmann, Silvio Oggioni, Edwige Cavan, Lukas Pilz, Patricia Nayna Schwerdtle, Tobias Naryniecki; im Vordergrund: Arianna Crosta, Filip Szarvas. Es fehlen Veranika Kaleyeva und Peshang Hama Karim.

Originalveröffentlichung

P. N. Schwerdtle, E. Cavan, L. Pilz, S. D. Oggioni, A. Crosta, V. Kaleyeva, P. H. Karim, F. Szarvas, T. Naryniecki, M. Jungmann: Interlinkages between Climate Change Impacts, Public Attitudes, and Climate Action—Exploring Trends before and after the Paris Agreement in the EU, Sustainability 15(9), 7542 (4 May 2023)