Hommage Gedenken an einen besonderen Professor aus einer besonderen Stadt
Professor Robert Schmitt-Brandt (1927–2025) war über Jahrzehnte eine prägende Persönlichkeit am Sprachwissenschaftlichen Institut der Universität Heidelberg. Sein wissenschaftlicher Weg, der von der Indogermanistik über zahlreiche Auslandsgastprofessuren bis zur Beschäftigung mit unterschiedlichen Sprachfamilien führte, spiegelt das breite Spektrum seiner Interessen und fachlichen Kompetenz. In dieser persönlichen Hommage hält sein früherer Schüler und Heidelberger Alumnus Professor Oleg Poljakov (Universität Vilnius, Litauen) Rückschau auf einen Forscher und Lehrer, dessen Wirken in Forschung und Lehre ebenso fundiert wie facettenreich war.
Hommage an Professor Robert Schmitt-Brandt
von Prof. Oleg Poljakov
Wir leben zwar auf verschiedenen Kontinenten, doch – wie es Bernhard Eitel, der langjährige Rektor der Universität Heidelberg, stets betonte – gehören wir alle zur Universität Heidelberg. Und in jedem von uns lebt das Semper Heidelbergensis weiter. Als ich am 19. März 1991 am Hauptbahnhof in Berlin in den Zug einstieg, wurde ich gefragt, wohin ich fahre. Ein älterer Herr im Abteil äußerte mit ehrfürchtigem Ton: „Nach Heidelberg?! Oh! Vor dem Krieg entstand jenes berühmte Lied: Ich hab mein Herz in Heidelberg verloren.“ (Die Interjektion „Oh, Heidelberg!“ hörte ich zum ersten Mal in meiner Kindheit auf Russisch mit einer ganz eigenen, besonderen Intonation – und seither begleitet mich dieser Ruf wie ein leiser Refrain, der in verschiedenen Sprachen durch mein Leben ähnlich klingt.) Am Morgen des nächsten Tages verlor wohl auch ich, ein frischer Habilitand, mein Herz an dieses märchenhafte Fleckchen Erde.

Das Sommersemester 1991 begann am 15. April. Obwohl ich vor allem meine Habilitationsschrift schreiben und zwei Proseminare halten musste, verwandelte ich mich zugleich in einen Studenten. Als promovierter Indogermanist konnte ich es mir nicht entgehen lassen, einschlägige sowie für mich interessante Vorlesungen zu besuchen. So begann meine Bekanntschaft mit Robert Schmitt-Brandt, einem renommierten Professor auf diesem Gebiet. Während ich in den Hörsälen saß, gewann ich nicht nur neue Erkenntnisse, sondern auch die entscheidenden Ideen für meine Arbeit. Er wurde einer meiner zwei Habilitationsväter.
Am 27. März dieses Jahres, nur wenig entfernt vom 100. Lebensjahr, trat er aus dem Leben – leise, wie ein großer Geist, der seine Aufgabe völlig erfüllt hat. Also hatte ich 34 Jahre lang das besondere Glück, ihn zu kennen – und mit ihm Gedanken, Wege und Zeiten teilen zu dürfen. Er war ein besonderer, außergewöhnlich bescheidener und wunderbarer Mensch. Sein Beitrag zur Wissenschaft ist einzigartig, deutlich sichtbar – und in jeder Hinsicht bemerkenswert. Natürlich ist es in Heidelberg kaum möglich, jemanden mit wissenschaftlichen Leistungen zu überraschen. Als ich 1991 zum ersten Mal nach Heidelberg kam, erhielt ein Heidelberger Gelehrter den Nobelpreis. Die Rhein-Neckar-Zeitung kommentierte dies mit den Worten, seit Langem habe in Heidelberg niemand mehr den Nobelpreis gewonnen. „Seit langem“ – das waren gerade einmal zwölf Jahre!
Viele Jahre lang dachte ich, meinen Lehrer recht gut zu kennen – doch meine eigentliche, völlig unerwartete Entdeckung machte ich, als ich Robert Schmitt-Brandts autobiographisches Buch Auf der Suche nach einer vergangenen Welt (Hamburg 2001) las. Diese Überraschung lässt sich leicht erklären: Der Professor war vollkommen frei von jeder Form der Selbstinszenierung, frei von Überheblichkeit, Herablassung oder selbstgefälliger Haltung. Er sprach selten über sich – und wenn er es tat, war es stets zurückhaltend, obwohl das, was er erzählte, höchst bemerkenswert war. Ich konnte kaum glauben, dass sich hinter dieser Bescheidenheit – die auf den ersten Blick so selbstverständlich wirkte – ein wahrhaft genialer Mensch verbarg.
Es handelt sich nicht nur um eine persönliche Biografie, sondern zugleich um ein Stück Zeitgeschichte – mit Einblicken in staatliche Entwicklungen, gesellschaftliche Orientierungen, Werte und Stimmungen in unterschiedlichen Epochen. Der Reichtum an Themen, Beobachtungen, Fakten, Daten und Kommentaren ist überwältigend. Die Sprache des Werkes ist zugleich reich, verständlich und schön.
Besonders wertvoll ist das Werk auch als Quelle zur Geschichte Heidelbergs und seiner Universität. Ich habe die gesamte Romanreihe Strangers and Brothers von C. P. Snow gelesen, der in Cambridge studierte und eng mit der Universität verbunden war. Ich kann mit Überzeugung sagen: Aus Robert Schmitt-Brandts Erinnerungen erfährt man weitaus mehr über Heidelberg und seine Universität, als Snow über Cambridge und seine Universität vermittelt.
Professor Schmitt-Brandt beschrieb alles, wie es wirklich war – ohne Beschönigungen oder Verdrehungen der Tatsachen. Er öffnete Seiten, über die sonst oft geschwiegen wird, z. B. über die Hitlerjugend. Daraus:
„Noch heute klingen mir diese Gesänge im Ohr: ‚Wir werden weitermarschieren, bis alles in Scherben fällt, denn heute gehört uns Deutschland und morgen die ganze Welt.‘ Korrekt hätte es heißen müssen ‚hört uns Deutschland‘, aber wir sangen ‚gehört uns Deutschland‘ – und niemand verbesserte uns.“ (S. 6).
Doch schon bald fand er einen gewitzten Weg, dem zu entgehen:
„Es war noch kein Antifaschismus, der mich all dies ablehnen ließ. Es war viel mehr der Wunsch, zu singen und zu spielen, was ich wollte und wann ich es wollte und nicht auf Befehl mit anderen Jungen, mit denen mich nichts verband als die gemeinsame Zugehörigkeit zu einem ‚Fähnlein‘. So heckte ich einen Plan aus, wie ich mich diesem ‚Dienst‘ entziehen könnte. Ich ließ mich sowohl zu Hause in Ludwigshafen als auch in Fürth/Odw., wo Verwandte meines Vaters wohnten, in die Listen der Hitlerjugend eintragen und meldete mich einige Monate später an beiden Stellen mit der Begründung ab, ich sei ja im anderen Ort angemeldet.“ (ebd.)
Und sein ganzes Leben lang – selbst in schwierigen und gefährlichen Situationen – vermochte er es, einen Ausweg zu finden.
Der Krieg. Anfang 1943 – als sechzehnjähriger Schüler wurde Robert Schmitt-Brandt, wie so viele andere, zum Luftwaffenhelfer eingezogen. Zwei Jahre verbrachte er dort – und schilderte diese Zeit später mit fotografischer Genauigkeit:
„Die ganze Nacht hindurch dröhnen über uns die ‚fliehenden Festungen‘, d.h. die Formationen der viermotorigen Bomber, die Ihre Bombenlast in Mannheim-Ludwigshafen (seine Heimatstadt – O.P.) abgeworfen hatten. Bald wurde Nacht zum Tage.“ (S. 15)
Am 17. Februar begann sein Militärdienst in Leipzig. Robert Schmitt-Brandt nahm nur an wenigen Gefechten teil – doch es reichte, um ein erschütterndes Bild des Krieges zu zeichnen, oder, wie er es selbst nannte: eine „Begegnung mit dem Tod“ (S. 15).
In seinem Buch fehlt nur eine Episode, die aus historischer Sicht von besonderem Wert ist. Nach meiner Habilitation in Heidelberg im Jahr 1996 war er mein Gast in Wilna. In meiner Wohnung erzählte er mir eine erschütternde Geschichte: Im Frühling 1945 befreiten die Amerikaner das Konzentrationslager Buchenwald. Er selbst befand sich zu dieser Zeit mit anderen deutschen Kriegsgefangenen in der Nähe. General Dwight D. Eisenhower, der Oberbefehlshaber der alliierten Streitkräfte, besuchte das Lager – und verließ es entsetzt. In einem Zustand tiefer Erschütterung befahl er, dass sämtliche deutschen Kriegsgefangenen die folgende Nacht unter freiem Himmel verbringen sollten.
Alpinisten wissen sehr gut, was eine kalte Nacht unter offenem Himmel, sogar im Zelt bedeuten kann – in vielen Fällen mit tragischen Folgen. Doch hier handelte es sich um ausgemergelte, halbverhungerte, zerlumpte Männer. Man kann sich vorstellen, wie viele apathisch dasaßen und murmelten: „Es gibt keine Gerechtigkeit. Es gibt keinen Gott …“ Doch das war nicht der Fall für den jungen Soldaten Robert Schmitt-Brandt. Seine Findigkeit – und seine Englischkenntnisse – retteten ihm das Leben. Er ging zu den Amerikanern, stellte sich (wie er selbst später schmunzelnd bemerkte) fälschlich als Sanitäter vor und versetzte sie in Angst und Schrecken: „Wenn Sie jetzt nicht anfangen, die Leichen zu beseitigen, droht eine Epidemie. Sie werden krank und sterben.“ Sein Mut und seine Entschlossenheit überzeugten. Er erhielt Nahrung, warme Kleidung – und den Auftrag, das Begräbniskommando zu leiten. (Wie viele Menschen am nächsten Morgen nicht mehr vom Boden aufstanden – darüber schweigt die Geschichte.)
Auch seine guten Russischkenntnisse – und sein Verständnis für die russische Kultur – retteten ihm das Leben. Als er zusammen mit seinen Kameraden von einer Gruppe ehemaliger russischer Kriegsgefangener angehalten wurde – Männer, die sich bewaffnet hatten und nun der heranrückenden Roten Armee entgegenzogen –, war der Anführer dieser Gruppe von Schmitt-Brandts Sprachkenntnissen und Auftreten so beeindruckt, dass er ihm vorschlug, bei ihm zu bleiben und mit nach Leningrad zu fahren. Der Professor lehnte ab, wusste er doch, dass Stalin alle sowjetischen Soldaten, die in Kriegsgefangenschaft gerieten, als Verräter ansah, der Anführer also selbst um seine Zukunft würde bangen müssen. Immerhin aber erhielt Schmitt-Brandt von der Gruppe einen „Eimer mit rohem Schweinefleisch als Wegzehr“, und er berichtet: „Dieses Fleisch tauschte ich noch am selben Abend bei einigen Ukrainerinnen in einem nahe gelegenen Lager gegen einen riesigen Laib Brot ein, der meinen ganzen Rucksack ausfüllte“ (S. 26-27). Damit konnte er dem Hunger gut entgehen.
Und so endete für ihn der Krieg: „Nun konnte ich endlich meine nutzlose ‚Braut‘ (sarkastisch für Gewehr – O.P.) einem amerikanischen Soldaten überreichen. Und ich war erleichtert bei dem Gedanken, dass ich in diesem Krieg gewiss niemandem damit ein Leid zugefügt hatte“ (S. 27). Eine außergewöhnliche – und geradezu beneidenswerte – Leistung. Wie wenige konnten das von sich sagen!
In seinem Buch erscheinen die Szenen der Nachkriegszeit und der Ära des Wirtschaftswunders in beeindruckender Detailfülle, eindringlich und fast malerisch. Der Professor selbst war – so könnte man sagen – ein Gewächs jenes vielbeschworenen ‚Wunders‘. Besonders ausführlich schreibt er über Heidelberg und die Universität, mit der nahezu sein gesamter Lebensweg bis zu seiner Pensionierung im Jahr 1994 verbunden war.
Für das Studium an der Universität Heidelberg war er bestens vorbereitet: Neben Russisch und Englisch beherrschte er auch Französisch – eine Sprache, die in vielen Familien in Ludwigshafen ganz selbstverständlich gesprochen wurde – sowie ausgezeichnetes Latein und Spanisch. An der Universität widmete er sich im Rahmen seines Studiums einem breiten Fächerspektrum: Slavistik, Romanistik, Indogermanistik und Arabistik. 1958 wurde er im Fach Indogermanistik promoviert, 1966 folgte die Habilitation. Anschließend wirkte er als Professor am Sprachwissenschaftlichen Institut der Universität Heidelberg.
Prof. Schmitt-Brandt lebte ein langes Leben – und es ist selten, außergewöhnlich und geradezu bewundernswert, dass er in Wahrheit zwei wissenschaftliche Leben führte: eines vor und eines nach seiner Pensionierung. Denn gewöhnlich endet die wissenschaftliche Tätigkeit mit der Emeritierung oder sie verblasst zumindest. Nicht jedoch im Falle des Indogermanen. Er erlebte gewissermaßen einen zweiten wissenschaftlichen Frühling – einen „zweiten Wind“. In dieser Phase veröffentlichte und vollbrachte er sichtbar mehr als in den Jahren zuvor. Ein Höhepunkt seines Spätwerks war die Einführung in die Indogermanistik, die 1998 in Stuttgart erschien – eine Art Krönung seiner jahrzehntelangen Arbeit auf diesem Gebiet.
Er war kein „Sesselwissenschaftler“ – er brauchte Zuhörer, Austausch, lebendige akademische Räume. Ein ruhiges Leben zu genießen und Bier zu trinken, war nicht seine Vorstellung vom Ruhestand. In Deutschland dürfen Professoren im Ruhestand nicht mehr regulär unterrichten – eine Regelung, die jedoch nicht für die Herder-Gastprofessur gilt. Das wusste Robert Schmitt-Brandt zunächst nicht, wohl aber sein Kollege, der berühmte Indogermanist Tamás Gamqrelidze (1929–2021), damals Rektor der Universität Tiflis und später Präsident der Georgischen Akademie der Wissenschaften. Er war überrascht zu erfahren, dass sein deutscher Kollege Spanisch an einer Volkshochschule unterrichtete – nur um nicht untätig zu Hause zu sitzen – während Professoren in Osteuropa häufig bis zum Lebensende aktiv in der Lehre bleiben. Auf Gamqrelidzes Einladung reiste Schmitt-Brandt im Jahr 2001 nach Georgien, wo er im Rahmen einer Herder-Gastprofessur an der Universität Tiflis lehrte (2001-2005, 2009 in Kutaissi). Dort traf er seine spätere Ehefrau Tamara, mit der er tief verbunden ein glückliches gemeinsames Leben bis zu seinem Tod führte. Aus dieser Zeit entstand später das wunderbare Buch: „Das Land, aus dem Medea kam. Lehrer für Deutschland in Georgien“ (Verlag Röll, 2013). Gastprofessuren führten ihn an weitere Universitäten im Ausland: Tetovo (Nordmazedonien, 2009-2010), Baku (Aserbaidschan, 2011-2012), sowie an die Baltische Föderale Immanuel-Kant-Universität in Kaliningrad (Russland, 2012-2013).

Der Professor bewegte sich nicht nur innerhalb des weiten Rahmens der Indogermanistik – er überschritt ihre Grenzen bewusst und forschte weit darüber hinaus. Ich wusste bereits, dass er auch ein ausgewiesener Fachmann für die Berbersprachen war – in Paris (an der Sorbonne) begutachtete er sogar eine Habilitationsschrift auf diesem Gebiet. Doch aus seinem autobiographischen Buch erfuhr ich, dass er sich während eines wissenschaftlichen Aufenthalts in Marokko intensiv mit der Sprache und Kultur der Berber auseinandersetzte – „Als Berber unter Berbern“ (S. 132-145). Auch 1985 in Senegal ging er sprachlichen Spuren nach, die deutliche Ähnlichkeiten mit den Berbersprachen aufwiesen. 1989 in Indien richtete sich seine Aufmerksamkeit auf die drawidischen Sprachen, deren Eigenart und Struktur ihn tief beeindruckten.
In seinem unruhigen Ruhestand ab 1994 hielt er Vorlesungen an der Universität Tokio. Seine Reise dorthin begann – nach dem Flug aus Frankfurt am Main – in Moskau, von wo aus er mit der Transsibirischen Eisenbahn mit Zwischenstopps an bedeutenden Orten, ganz Russland bis nach Wladiwostok durchquerte. Von dort flog er schließlich weiter nach Tokio. Mit einem zweiwöchigen Bahnticket reiste er kreuz und quer durch Japan. Auf Hokkaido suchte er nach Spuren der ursprünglichen Bewohner – der Träger der früher dort verbreiteten Ainu-Sprache. Mit Bitterkeit erkannte er, dass die sogenannten „Ainu“, die dort lebten, in Wirklichkeit lediglich verkleidete Japaner waren – Teil einer touristischen Kulisse und keine echten Träger einer uralten Kultur. 1997 führte ihn eine weitere Forschungsreise nach Australien, wo er sich für die einheimischen Sprachen und Kulturen interessierte. Und das sind nur einige wenige Beispiele seiner wissenschaftlichen Reisen. In Wirklichkeit waren es weit mehr – ein Leben unterwegs, im Dienst des Wissens und der Verständigung zwischen Kulturen.
Die Krönung seines Lebens als Gelehrter wurde das Buch „Wie nützlich ist es dann und wann, wenn man 'ne fremde Sprache kann“ (Verlag Röll, 2019), das für Wissenschaftler und für einen breiten Leserkreis vorgesehen ist. Dieses Werk handelt von zwölf wichtigen Sprachen, von denen er viele nicht nur linguistisch gut beherrschte, sondern auch fließend sprach.
Bis zu seinem Tod bewahrte er ein ausgezeichnetes Gedächtnis – und nicht Jack Londons Love of Life, sondern sein eigenes Leben, Begegnungen und die intensive persönliche Kommunikation mit ihm, hielten in mir den Durst nach Leben lebendig. Als er vor einigen Jahren einen Herz-Bypass erhielt, schrieb er mir, seine Ärzte hätten ihm geraten, auf eine Reise zu seiner geliebten Kanarischen Insel El Hierro zu verzichten – dem Ort, an dem er fast jedes Jahr gemeinsam mit seiner Frau verweilte. Doch er bemerkte schlicht: ‚Wir sind trotzdem geflogen.“ Und das war keineswegs seine letzte Reise.
Heidelberg! Unter all den vielen wunderbaren Dingen, die mir die Stadt geschenkt hat, war sicher – wie Sie sehen können – das Zusammentreffen mit meinem Lehrer Robert Schmitt-Brandt. Es gibt viele hervorragende Universitäten in der Welt, und doch ist Heidelberg einzigartig – besonders, unverwechselbar. Die Interjektion „Oh, Heidelberg!“ hörte ich ständig auch in Oxford und Cambridge. In Oxford war ich mehrfach als Stipendiat der Britischen Akademie zu Gast. Vor meiner Habilitation in Heidelberg im Jahre 1996 hielt ich dort sogar ein Seminar. Cambridge besuchte ich oft, besonders in der Zeit, als mein Sohn Edward dort studierte (geboren ist er übrigens in der Frauenklinik der Universität Heidelberg). Oxford und Cambridge – so schön sie auch sind – wären ohne ihre berühmten Universitäten nur hübsche englische Städte mit sanften Hügeln und schmalen Flüssen. Aber Heidelberg – malerisch gelegen zwischen bewaldeten Bergen, am romantischen Neckar und in der Nähe der Oberrheinischen Tiefebene – ist viel mehr als nur eine Stadt mit einer Universität.
Um nicht allzu sehr in ein pathetisches Schwärmen zu verfallen – und weil es sich nicht ziemt, die drei Städte ernsthaft zu vergleichen –, fragte ich meine Kollegen in Oxford und Cambridge oft: „Wissen Sie, was der wichtigste Unterschied zwischen Oxford und Cambridge einerseits und Heidelberg andererseits ist?“ – „Nein?“ – „Nun: In Oxford und Cambridge sind drei sonnige Tage pro Woche schon fast zu viel. In Heidelberg aber – wenn es drei Regentage im Monat gibt, ist das bereits zu viel!“
In Oxford und Cambridge kann man den Kopf verlieren. Doch sein Herz verliert man nur in Heidelberg...
Semper Heidelbergensis
Oleg Poljakov

