Themenseite Soziale Herkunft
Die Universität bekennt sich in ihrem Leitbild zur Vielfalt ihrer Mitglieder. Dazu gehört auch, benachteiligende und diskriminierende Strukturen, Sprache und Handlungen zu identifizieren, diskriminierungssensibles Wissen aufzubauen und eine chancengerechtes Umfeld zu schaffen.
Diese Themenseite sammelt Informationen, Unterstützungs- und Vernetzungsangebote rund um das Thema soziale Herkunft und Erststudierende an der Universität.
Übersicht:
Glossar - Worüber sprechen wir?
Veranstaltungen und Angebote - Was macht die Universität?
Lese-und Hörempfehlungen - Wie kann ich mich selbst weiterbilden?
Empowerment und Vernetzung - Wo finde ich Anschluss?
Glossar
Arbeiterkinder ist ein Sammelbegriff für Studierende, die als Erste in ihren Familien studieren. Häufig wird in diesem Zusammenhang die Zugehörigkeit zu niedrigem sozialen Status, geringeren Bildungschancen und finanziellen Möglichkeiten assoziiert. Der historisch gewachsene Begriff ist nicht unumstritten, aus diesem Grund wird mittlerweile oft von Studierenden der ersten Generation, Erststudierenden oder Studierenden aus Nichtakademikerfamilien / nichtakademischen Elternhäusern gesprochen.
Bildungserfolg
Bildungserfolg meint den Erwerb bestimmter formaler Bildungsabschlüsse im schulischen und beruflichen Bildungssystem. In der Bildungshierarchie gilt der Abschluss einer Promotion an einer Hochschule als höchster Bildungsgrad. Faktoren, die den Bildungserfolg beeinflussen, sind vielfältig, häufig werden jedoch familiäre Bedingungen (z.B. Herkunft, sozio-ökonomischer Status, Bildungsstatuts der Eltern), schulische Bedingungen (z.B. Strukturen der Schule uvm.) und/ oder politische Bedingungen (z.B. Sozial- und Bildungssystem des Landes) in diesem Kontext genannt.1
Bildungsferne
In Verbindung mit nichtakademischen Elternhäusern wird manchmal noch von "bildungsferner" oder "bildungsarmer" Herkunft gesprochen. Diese beschreibungen sollten vermieden werden. Problematisch sind sie deshalb, weil sie implizieren, dass nur Hochschulbildung als Bildung Bedeutung hat, zum anderen sind diese Beschreibungen negativ konnotiert, wecken Assoziationen von Selbstverschuldung oder "Naturgegebenheit" und ignorieren die strukturellen gesellschaftlichen Ungleichheitsstrukturen, die den Betroffenen Teilhabemöglichkeiten und Bildungsaufstiege erschweren (siehe Klassismus).
Habitus
Im Diskurs um soziale Herkunft wird häufig von Habitus gesprochen. Der Soziologe Pierre Bourdieu2 beschreibt mit diesem Begriff die bestimmten Wahrnehmungs-, Denk- und Handlungsschemata im Zusammenhang mit der Sozialisation eines Individuums. In diesem Zusammenhang spicht er auch von unterschiedlichen Kapitalformen (finanzielles, kulturelles und soziales Kapital), die die eigene Position und Möglichkeiten in der Gesellschaft bestimmen. Ist eine Person durch die eigenen Sozialisation in Familie und Umfeld mit einem bestimmten Habitus vertraut, bewegt sie sich leichter in gesellschaftlichen Räumen, in denen dieser eine Rolle spielt. Ebenso kann ein spezieller Habitus exkludierend wirken auf Menschen, denen Rhetorik, Verhalten und Codes einer Gruppe nicht vertraut sind. Daraus resultieren unterschiedliche Chancen der Verwirklichung und ungleiche Möglichkeiten der Teilhabe im gesellschaftlichen und beruflichen Leben. Auch die Universität ist ein gesellschaftlicher Raum, der von universitären/akademischen Habitus geprägt ist. Erststudierenden ist der akademische Habitus oft fremd, was das Wohlbefinden und den Studienerfolg beeinträchtigen kann.
Klassismus beschreibt die Diskriminierung von Menschen aufgrund ihrer sozialen Herkunft oder Position. Klassismus wirkt, wie andere Diskriminierungsformen auch, auf individueller Ebene (beleidigende Kommentare, Herabwürdigungen etc.) ebenso wie auf struktureller Ebene (begrenzter Zugang zu Wohnraum, Bildungsabschlüssen, Gesundheitsversorgung). Soziale Herkunft als wesentliches Merkmal der Mehrfachdiskriminierung („Gender, race, class“) wurde als erstes Ende der 70iger Jahre von einer Gruppe Schwarzer, lesbischer Feminist*innen formuliert.3 In Deutschland ist „soziale Herkunft“ (noch) nicht als schützenswertes Merkmal im AGG aufgeführt. Laut des dritten Antidiskriminierungsberichts der Antidiskriminierungsstelle des Bundes (ADS) ist „soziale Herkunft“ aber eine wirkmächtige Querschnittskategorie.4
Nicht-traditionelle Studierende
Hierunter werden Studierende gefasst, die nicht dem ersten Bildungsweg (Abitur) angehören und somit ihren Hochschulzugang auf dem zweiten oder dritten Bildungsweg erworben haben. Unter zweitem Bildungsweg wird das Nachholen von Schulabschlüssen verstanden, die außerhalb des traditionellen Bildungsgangs liegen, z.B. durch den Besuch eines Abendgymnasiums. Der dritte Bildungsweg bedeutet die Aufnahme eines Studiums ohne (Fach) Abitur von Menschen mit abgeschlossener Berufsausbildung und Praxiserfahrung.
Soziale Herkunft
Soziale Herkunft als Diversity-Merkmal bezeichnet das soziokulturelle und auch ökonomische Erbe, das jeder Mensch durch Geburt und Sozialisation mit sich trägt. Aus diskriminierungssensibler Perspektive ist die soziale Herkunft geprägt von ungleicher Ressourcenverteilung.
Im Hochschulkontext wirkt sich soziale Herkunft insbesondere auf die Faktoren Hochschulzugang, Studienerfolg, - verlauf und -finanzierung aus.6 Soziale Herkunft wird zum Diskriminierungsmerkmal, wenn Menschen aufgrund ihrer sozialen Herkunft und Position Vorurteilen ausgesetzt, herabwürdigend behandelt, benachteiligt oder ausgeschlossen werden.
1 Gerhartz-Reiter S. (2017) Einflussfaktoren auf den Verlauf von Bildungskarrieren. In: Erklärungsmuster für Bildungsaufstieg und Bildungsausstieg. Springer VS, Wiesbaden. S. 61-138 ff
2Bourdieu, P. (1993): Sozialer Sinn (Strukturen, Habitusformen, Praktiken). Frankfurt Suhrkamp. S. 101 ff
Pierre Bourdieu: Der Sozialraum und seine Transformationen. In: Die feinen Unterschiede – Kritik der gesellschaftlichen Urteilskraft. Frankfurt am Main 1982, S. 171–210.
3Combahee River Collective. 1977: A Black Feminist Statement. In: Zillah Eisenstein (Hrsg.): Capitalist Patriarchy and the Case For Social Feminism
5Hradil, S. (2004). Die Sozialstruktur Deutschlands im internationalen Vergleich (1. Aufl.). Wiesbaden: VS, Verl. für Sozialwiss. S. 134ff
Veranstaltungen und Angebote - Was macht die Universität?
WS 2022/23
Förderprogramm für Studierende aus nichtakademischen Familien, um den Studienerfolg von Erststudierenden zu fördern und die Vielfalt im akademischem Umfeld zu fördern:
New Potentials - Förderprogramm für Erststudierende
Lese- und Hörempfehlungen
Bücher
- Julia Reuter / Markus Gamper / Christina Möller / Frerk Blome (Hg.):Vom Arbeiterkind zur Professur. Sozialer Aufstieg in der Wissenschaft. Autobiographische Notizen und soziobiographische Analysen
- Francis Seeck, Brigitte Theissl (2021): Solidarisch gegen Klassismus – organisieren, intervenieren, umverteilen organisieren, intervenieren, umverteilen
- Riccardo Altieri, Bernd Hüttner (Hg): Klassismus und Wissenschaft. Erfahrungsberichte und Bewältigungsstrategien
- Aladin El-Mafaalani: Mythos Bildung: Die ungerechte Gesellschaft, ihr Bildungssystem und seine Zukunft
- Andreas Kemper: Klassismus. Eine Bestandsaufnahme. Herausgegeben vom Landesbüro Thüringen der Friedrich-Ebert-Stiftung, 2016. Online
abrufbar
- Combahee River Collective. 1977: A Black Feminist Statement. In: Zillah Eisenstein (Hrsg.): Capitalist Patriarchy and the Case For Social Feminism.
- Anja Meulenbelt: Scheidelinien. Über Sexismus, Rassismus und Klassismus. Rowohlt Verlag, Reinbek 1988
Berichte/Studien:
- Studie:
Diversität und Studienerfolg (CHE, 2017)
- Bericht:
Bildungsbericht 2020 (Hier Kapitel Chancengleichheit, ab S. 317)
Empowerment und Vernetzung in der Region und deutschlandweit
Arbeiterkind.de e.V.: Netzwerk, Orientierung und Mentoring für Erststudierende
Regionalgruppe Heidelberg
heidelberg@arbeiterkind.de
Netzwerk Chancen: Unterstützung sozialer Aufstieg für Schüler*innen
Erste Generation Promotion e.V.: Mentoring und Netzwerk für Promovierende
Ada Netzwerk e.V.: Netzwerk und Mentoring zur Förderung (angehender) Afro-Deutscher (Erst-)Akademiker*innen
Speed up, Buddy! e.V.: Mentoring und Netzwerk für Erstakademiker*innen bis zum Berufseinstieg
Stipendien und Finanzierung:
Förderprogramm Studienkompass der Stiftung der Deutschen Wirtschaft
Lux Like Stipendium der Rosa-Luxemburg-Stiftung: Stipendium speziell für angehende Erstakademiker*innen
ApplicAid e.V.: Stipendienratgeber, Tipps, Workshops und Mentoring zur Stipendien-Bewerbung für (angehende) Erstakademiker*innen