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ForschungWie „Proteinfabriken“ reifen

23. Oktober 2020

Heidelberger Biowissenschaftler untersuchen Entstehungsprozess von Ribosomen

Ribosomen sind kleine „Fabriken“, in denen Proteine nach den Bauplänen des Erbguts zusammengesetzt werden. Die Reifung der Ribosomen, von denen sich bis zu einer Million in jeder menschlichen Zelle befinden, ist ein komplizierter und vielschichtiger Vorgang. Wissenschaftler der Universität Heidelberg und der Ludwig-Maximilians-Universität München konnten nun mithilfe der Kryo-Elektronenmikroskopie einen wichtigen Entstehungsschritt aufklären und zeigen, dass sich die kleinere der beiden ribosomalen Untereinheiten, aus denen diese „Proteinfabriken“ bestehen, aus einem Vorläuferkomplex „herausschält“ und nicht en bloc abspaltet, wie bisher angenommen. Die Ergebnisse wurden in der Fachzeitschrift „Science“ veröffentlicht. 

90S-Prae-Ribosom

Bei Ribosomen handelt es sich um Riesenmoleküle – ein komplexes Konstrukt aus speziellen Proteinen und der Erbsubstanzvariante RNA. Doch wie der Zusammenbau der Ribosomen genau erfolgt, ist noch nicht in allen Einzelheiten verstanden. In den vergangenen Jahren ist den Heidelberger Wissenschaftlern gelungen, elementare Schritte der Ribosomen-Entstehung im Reagenzglas ablaufen zu lassen. Ribosomen setzen sich aus zwei unterschiedlich großen Untereinheiten zusammen, die sich jeweils aus Vorläufer-Komplexen, den sogenannten Prä-Ribosomen, herausbilden. Darin kommen auch die ribosomalen RNA-Ketten vor, welche in einem Vorläufer-Stück zunächst noch miteinander verbunden sind. „Wie und wann diese RNA-Ketten voneinander getrennt werden, um schließlich die Bildung der reifen Untereinheiten zu ermöglichen, war bislang noch unklar“, sagt Prof. Dr. Ed Hurt vom Biochemie-Zentrum der Universität Heidelberg (BZH).

In Zusammenarbeit mit Strukturbiologen aus München konnten die Heidelberger Wissenschaftler nun wichtige Montageschritte bildlich darstellen – sowohl biochemisch als auch mittels hochauflösender Kryo-Elektronenmikroskopie. Dazu gehört auch der Prozess, mit der sich die kleine 40S-Untereinheit in vielen Schritten aus einem riesigen Vorläufer-Komplex, dem 90S-Prä-Ribosom, „herausschält“. Das Team von Ed Hurt hatte vor allem durch biochemische Analysen erste Hinweise auf diesen Mechanismus gefunden, der den bisherigen Vorstellungen einer En-bloc-Ablösung widersprach.

Um die RNA-Kette im 90S-Prä-Ribosom in zwei Abschnitte zu trennen, bedarf es zunächst einiger spezieller „zellulärer Monteure“, sogenannte Biogenese-Faktoren. Sie bereiten die Ribosomen-RNA an vorgesehenen Stellen für zwei Schnitte der Trennung vor, damit eine RNA-Schere, das Enzym Utp24, diese gezielt und zeitlich koordiniert durchführen kann. Die 40S-Untereinheit ist dabei zunächst von einer schützenden Proteinhülle umgeben. In einer Serie von zusätzlich ablaufenden Reaktionen löst sich dieses Außenskelett von der Rohversion der Untereinheit ab und setzt sie frei. „Die 40S-Untereinheit durchläuft damit eine Art Häutung, bei der sich einzelne Vorgängermodule Schicht für Schicht ablösen“, erklärt Prof. Hurt. Schritt für Schritt konnten dabei die Münchner Experten für Kryo-Elektronenmikroskopie die komplexen dreidimensionalen Molekülstrukturen aus ihren Aufnahmen berechnen.

Mit ihren Ergebnissen erhoffen sich die Forscher, zu einem besseren Verständnis sogenannter Ribosomopathien beitragen zu können. Dabei handelt es sich um Krankheiten, die durch Fehler bei der Ribosomen-Entstehung verursacht werden. Die Forschungsarbeiten wurden im Zuge des ERC Advanced Grant durchgeführt, mit dem Prof. Hurt vom Europäischen Forschungsrat gefördert wird.

Originalveröffentlichung

J. Cheng, B. Lau, G. La Venuta, M. Ameismeier, O. Berninghausen, E. Hurt, R. Beckmann (2020): 90S pre-ribosome transformation into the primordial 40S subunit. In: Science 369, 1470–1476.