ForschungSport gegen Stress im Lockdown

27. Oktober 2021

Studie zu den Auswirkungen von sportlicher Aktivität auf Corona-bedingten Stress

Wer auch im Corona-bedingten Lockdown körperlich-sportlich aktiv war, litt weniger häufig an negativen psychischen Auswirkungen wie Ängsten oder Stress. Das zeigt eine gemeinsame Studie von Sportpsychologinnen der Universitäten Heidelberg und Gießen. Sie basiert auf einer Befragung von 365 Sportstudierenden an sechs baden-württembergischen Universitäten, die im April 2020 durchgeführt wurde. Danach sorgte Sport sowohl bei Frauen als auch bei Männern für ein besseres Wohlbefinden und ein geringeres Stressempfinden.

„Die Coronavirus-Pandemie hat nicht nur den Alltag der Menschen in Deutschland verändert, sondern sich auch auf ihr Gesundheitsverhalten ausgewirkt“, sagt Erstautorin Laura Giessing, die vom Institut für Sport und Sportwissenschaft der Universität Heidelberg mittlerweile an die Deutsche Sporthochschule in Köln gewechselt ist. Dazu gehört insbesondere das Bewegungs- und Sportverhalten. Aktuelle Untersuchungen dokumentieren, dass die körperlich-sportliche Aktivität während der Lockdown-Phase in allen Altersgruppen – bei Kindern und Jugendlichen ebenso wie bei Erwachsenen – deutlich abnahm. „Erste Berichte, die im Rahmen der bundesweiten Motorik-Modul-Studie des Robert Koch-Instituts veröffentlicht wurden, legen außerdem nahe, dass sich dieser Mangel an Bewegung auch negativ auf die psychische Gesundheit auswirken kann“, erläutert die Sportpsychologin.

In einer gemeinsamen Studie mit Prof. Dr. Jana Strahler vom Fachbereich Psychologie und Sportwissenschaft der Universität Gießen, mittlerweile an der Universität Freiburg, befragten die Heidelberger Wissenschaftlerinnen 160 männliche und 205 weibliche Sportstudierende aus Baden-Württemberg. Im Mittelpunkt der Erhebung standen das Sportverhalten in der Freizeit, das Stresserleben und das psychische Wohlbefinden während des ersten Corona-Lockdowns im Frühjahr vergangenen Jahres. Außerdem wurden Defizite in der Regulation von Emotionen erfasst.

Nach Angaben der Wissenschaftlerinnen erreichten vor dem Lockdown annähernd 52 Prozent der Befragten die aktuell empfohlenen Werte zur körperlich-sportlichen Aktivität der Weltgesundheitsorganisation. Diese liegen bei mindestens 150 Minuten moderater bis intensiver Aktivität pro Woche. Im Lockdown sank dieser Wert für den Freizeitsport auf knapp 41 Prozent. Frauen trieben im Mittel 52 Minuten pro Woche weniger Sport, bei Männern verringerte sich dieser Wert um 57 Minuten. Die Auswertung der Daten zeigt zugleich aber, dass die sportlich Aktiveren von einem besseren Wohlbefinden und einem geringeren Corona-bezogenen Stresserleben berichteten.

„Auch unter Stress weiter oder sogar vermehrt Sport zu treiben gilt als wichtige Gesundheitsressource und Möglichkeit, einer Verschlechterung des Wohlbefindens entgegenzuwirken. Dieses Phänomen ist als Stresspuffereffekt von Sport bekannt“, ergänzt Julia Kannen vom Institut für Sport und Sportwissenschaft der Universität Heidelberg. Sportliche Aktivität wirkt sich nicht nur direkt auf die Gesundheit aus, sondern führt auch indirekt dazu, dass Emotionen besser reguliert werden können und sich Stress besser abbauen lässt. „Dieser Effekt zeigte sich in unserer Studie jedoch nur für die Stichprobe der Männer“, so die Sportwissenschaftlerin. Von Sport profitierten vor allem die männlichen Befragten, die größere Schwierigkeiten haben, Emotionen zu regulieren. Sie gaben an, auch unter Stress mehr Energie zu haben.

Dr. Marie Ottilie Frenkel, Sportpsychologin und Privatdozentin an der Universität Heidelberg: „Unsere Daten lassen den vorsichtigen Schluss zu, dass die Bereitstellung von Trainingsmöglichkeiten und die Förderung von Bewegungsprogrammen wirksame Strategien sein können, um zu einer Förderung der allgemeinen Gesundheit in Ausnahmesituationen wie einer Pandemie beizutragen.“ Die Forschungsergebnisse wurden in der Fachzeitschrift „International Journal of Environmental Research and Public Health“ veröffentlicht.

Originalveröffentlichung

L. Giessing, J. Kannen, J. Strahler und M.O. Frenkel: Direct and Stress‐Buffering Effects of COVID‐19‐Related Changes in Exercise Activity on the Well‐Being of German Sport Students, International Journal of Environmental Research and Public Health (2 July 2021)