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ForschungsmagazinSelbstermächtigung. Spaltung der Gesellschaft durch Misstrauen

Peter Kirsch, Hanno Kube & Reimut Zohlnhöfer

Gesellschaftliche Selbstermächtigung ist ein Thema unserer Zeit, das nicht unerheblich zur Spaltung unserer Gesellschaft beitragen kann. Gemeint ist damit das Phänomen, dass Menschen aus idealistischen, politischen oder ethischen Motiven rechtliche oder auch soziale Regeln des Zusammenlebens überschreiten. Beispiele sind die Fridays-for-Future-Demonstrationen oder der bewusste Verstoß gegen Corona-Regeln. Rechtliche Rechtfertigungsgründe wie Notwehr oder Selbsthilfe greifen hier in der Regel nicht. Vielmehr lässt sich die Selbstermächtigung oftmals als Form zivilen Ungehorsams einordnen.

Empirisch zeigt sich in zwei von den Autoren durchgeführten repräsentativen Befragungen beispielhaft für die bewusste Verletzung von Corona-Regeln, dass nur ein kleiner Teil der Menschen zu Selbstermächtigung neigt. Diese Personen sind einerseits eher unzufrieden mit der Politik zur Bekämpfung der Pandemie selbst, andererseits aber auch mit dem Funktionieren der Demokratie in Deutschland allgemein. Diese Demokratieunzufriedenheit wiederum könnte mit einem wahrgenommenen Auseinanderfallen von Bevölkerungs- und Parlamentsmehrheiten auch in anderen Politikfeldern, etwa der Europa- und der Migrationspolitik, zusammenhängen.

Betrachtet man in der Person liegende Ursachen für die Selbstermächtigung, so kann festgestellt werden, dass es kein einheitliches Persönlichkeitsmuster gibt, dass selbstermächtigendem Verhalten zu Grunde liegt. Dies liegt nicht zuletzt auch daran, dass unterschiedliche Formen der Selbstermächtigung von ganz unterschiedlichen Menschen für zulässig gehalten werden. Betrachtet man spezifisch die Selbstermächtigung im Kontext der Corona-Pandemie, findet sich aber durchaus ein Muster von Eigenschaften, die sich im Konstrukt der Verschwörungsmentalität zusammenfassen lassen. Menschen mit einer ausgeprägten Verschwörungsmentalität sind misstrauisch gegenüber Staat, Autoritäten, Wissenschaft und Institutionen, aber auch gegenüber ihren Mitmenschen.

Maßnahmen, die darauf zielen, Selbstermächtigung zu reduzieren und damit ein Stück weit die Spaltung der Gesellschaft zu überwinden, sollten nicht zuletzt auf eine Steigerung des Vertrauens in das demokratische Gemeinwesen, seine Institutionen und die Wissenschaft zielen.

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RuCa 18 Kapitel II-3

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Das Forschungsmagazin „Ruperto Carola“ berichtet über wissenschaftliche Erkenntnisse und laufende Forschungsvorhaben der Universität Heidelberg. Jede seiner Ausgaben ist einem gesellschaftlich relevanten Schwerpunktthema gewidmet, zu dem Heidelberger Forscherinnen und Forscher über Disziplinen und Fächer hinweg ihre wissenschaftliche Arbeit vorstellen. In allgemein verständlicher Sprache zeigen die Autoren, auf wie vielfältige Weise an der Universität Heidelberg geforscht wird.

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