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ForschungNahrungsmittelproduktion und Kohlenstoffspeicherung optimieren

8. Januar 2024

Modellsimulationen zeigen, wie durch eine räumliche Neuordnung der Landnutzung die Produktion von Nahrung gesteigert und gleichzeitig mehr Kohlenstoff gespeichert werden kann

Mit einer radikalen Neuordnung historisch gewachsener Systeme der Landnutzung wäre es grundsätzlich möglich, die Nahrungsmittelproduktion zu verdoppeln, Wasser zu sparen und gleichzeitig die Kohlenstoffspeicherung zu erhöhen. Das zeigt eine Studie, die der Geoinformatiker Prof. Dr. Sven Lautenbach, Wissenschaftler an der Universität Heidelberg und am Heidelberg Institute for Geoinformation Technology (HeiGIT), gemeinsam mit zwei Forscherinnen des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT) erstellt hat. Die Untersuchungen des biophysikalischen Ertragspotentials beruhen auf einem dynamischen Vegetationsmodell, das mit einem Optimierungsalgorithmus kombiniert wurde. Damit ist es möglich, alternative Anordnungen der globalen Landnutzung zu simulieren. 

Die Art und Weise, wie Menschen die Erdoberfläche für die Produktion von Nahrungsmitteln nutzen, hat sich in den vergangenen Jahrhunderten stark verändert. Mit einer wachsenden Weltbevölkerung steigt der Bedarf an Nahrung; zugleich können Lebensmittel heute in kurzer Zeit rund um die Welt transportiert werden. Die historisch gewachsenen Systeme der Nahrungsmittelproduktion spiegeln jedoch das biophysikalische Potential der Ökosysteme auf der Erde nicht wider. Wie Prof. Lautenbach betont, werden Lebensmittel nicht dort produziert, wo es mit Blick auf den Flächen- und Wasserverbrauch sowie den CO2-Ausstoß am effizientesten wäre. Stattdessen werden, so der Heidelberger Wissenschaftler und seine beiden Karlsruher Kolleginnen, weiterhin Wälder für Acker- und Weideland gerodet und Felder in trockenen Gebieten bewässert – Maßnahmen, die sich negativ auf die Wasserverfügbarkeit und die Kohlenstoffspeicherung auswirken.

Das dynamische Vegetationsmodell mit Optimierungsalgorithmus macht es möglich, unter den Aspekten der Optimierung und der Effizienz alternative Anordnungen der globalen Landnutzung zu untersuchen. So wurden in verschiedenen Szenarien beispielsweise Felder, Weiden und natürliche Vegetation dorthin verlagert, wo die Landnutzung besonders effizient ist, und Ackerflächen auf Gebiete beschränkt, die keine intensive Bewässerung erfordern. Die Modellierung berücksichtigt dabei zwei unterschiedliche Klimawandelszenarien – für die nahe Zukunft in den Jahren 2033 bis 2042 sowie für die Zeit von 2090 bis 2099. 

Ein Ergebnis der Simulationen: Allein durch räumliche Umstrukturierung könnte die Produktion von Lebensmitteln im Durchschnitt um 83 Prozent erhöht werden, während gleichzeitig die zur Verfügung stehende Wassermenge – nach Abzug des Wasserbedarfs der natürlichen Vegetation und der Landwirtschaft – um acht Prozent und die CO2-Speicherung um drei Prozent zunehmen würden. Die Steigerungen wären noch deutlich höher, wenn eine der drei Zielgrößen Vorrang vor den anderen hätte. Die Forschungsergebnisse zeigen, dass die regionale Praxis vom theoretisch erreichbaren Optimum stark abweicht und massive Landnutzungsänderungen nötig wären, um das biophysikalische Potential besser auszunutzen und so die Gesamterträge an Nahrungsmitteln, Wasser und Kohlenstoffspeicherung gleichermaßen zu erhöhen. 

„Auch wenn solche großflächigen Landnutzungsänderungen auf den ersten Blick völlig unrealistisch erscheinen, ist es hilfreich, sich bewusst zu machen, dass der Klimawandel ohnehin große Veränderungen der Anbaugebiete mit sich bringen wird“, sagt Prof. Lautenbach, der am Geographischen Institut der Universität Heidelberg lehrt und forscht. „Diese zu erwartenden Veränderungen sollte man nicht einfach geschehen lassen, sondern vermehrt versuchen, sie unter Berücksichtigung des biophysikalischen Potenzials zu gestalten.“

Die Ergebnisse wurden in den „Proceedings of the National Academy of Sciences“ veröffentlicht. Gefördert wurden die Arbeiten im Rahmen des von der Europäischen Kommission finanzierten Projekts „Operational Potential of Ecosystem Research Applications“, sowie durch das Bundesministerium für Bildung und Forschung über die Helmholtz-Gemeinschaft und ihr Forschungsprogramm „Atmosphäre im globalen Wandel“.

Originalpublikation

A. D. Bayer, S. Lautenbach, A. Arneth: Benefits and trade-offs of optimizing global land use for food, water, and carbon. PNAS (9 October 2023).