ForschungMethanbildung in der unbelebten Umwelt
16. August 2023
Wissenschaftler aus Heidelberg und Marburg zeigen, wie Methan in den frühen Wasserregionen der Erde entstand und heute noch freigesetzt wird
Eisen und reaktive Sauerstoffspezies treiben – befeuert durch Licht und Wärme – die Bildung des Treibhausgases Methan in wässrigen Umgebungen an. Die Methanbildung ist dabei auch unter abiotischen Bedingungen möglich, das heißt in einem Ökosystem ohne Beteiligung von Lebewesen. Das haben Forscher des Instituts für Geowissenschaften der Universität Heidelberg und des Max-Planck-Instituts für terrestrische Mikrobiologie in Marburg nachgewiesen. In der Frühgeschichte der Erde könnte dieser rein chemische Vorgang nach Angaben der Wissenschaftler die Entstehung des Lebens begünstigt haben, indem Methan in den frühen Wasserregionen entstand. Möglicherweise liefert dieser Prozess auch eine Erklärung für das Phänomen, dass Methan über die Oberflächen der Ozeane freigesetzt wird.
Bereits in der Urzeit der Erde, noch vor der Evolution des Lebens, führte der Ausstoß von Methan zur Erwärmung der Atmosphäre. Indem der Methandunst das Einfrieren des Planeten verhinderte, bildete er eine der Grundlagen für die Entstehung des Lebens. Heute gilt Methan als besonders klimaschädliches Treibhausgas. Es fördert nach Angaben des Heidelberger Geowissenschaftlers Prof. Dr. Frank Keppler die Erderwärmung über einen Zeitraum von 20 Jahren ungefähr 80 Mal stärker als die gleiche Menge Kohlendioxid, auch wenn Methan in der Atmosphäre viel schneller wieder abgebaut wird. Um die Folgen des menschengemachten Klimawandels besser einschätzen und vorhersagen zu können, wird weltweit geforscht, um die zahlreichen Quellen der Methanentstehung zu identifizieren.
Im Jahr 2022 fand die Forschungsgruppe Biogeochemie von Prof. Keppler in Zusammenarbeit mit Kolleginnen und Kollegen des Max-Planck-Instituts für terrestrische Mikrobiologie heraus, dass Methan nicht nur durch die Aktivität spezieller Mikroorganismen freigesetzt, sondern auf rein chemischem Weg in den Zellen aller Lebewesen gebildet wird. Angetrieben wird dieser Mechanismus von reaktiven Sauerstoffspezies, die durch die Stoffwechselaktivität von Zellen entstehen. Im Zusammenspiel mit dem essentiellen Element Eisen sind solche Verbindungen in sämtlichen Organismen an einem Vorgang beteiligt, der über verschiedene Schritte zur Bildung hochreaktiver Stoffwechselzwischenprodukte und letztlich zur Methanbildung führt. Dieser Prozess kommt dabei ohne einen Katalysator in Form eines Enzyms aus.
In ihren aktuellen Untersuchungen sind die Wissenschaftler der Frage nachgegangen, ob dieser nicht-enzymatische Vorgang auch in der unbelebten Umwelt ablaufen kann – das heißt unter abiotischen Bedingungen, wie sie zum Beispiel in der frühen Erdgeschichte noch vor der Entstehung des Lebens herrschten. Die Forscherinnen und Forscher nutzen dazu ein chemisches Modellsystem, das die Umweltbedingungen zur Frühzeit der Erde nachempfindet. Damit konnten sie zeigen, dass die sogenannte Fenton-Reaktion von Eisen und reaktiven Sauerstoffspezies zur Bildung von Methan und auch Ethan in wässrigen Lösungen führen kann, ohne dass dabei freier Sauerstoff vorhanden sein muss. Die reaktiven Sauerstoffspezies entstehen dabei durch photolytische und thermolytische Prozesse, das heißt durch Einwirkung von Licht und Wärme, aus Wasser.
Bemerkenswert ist nach den Angaben der Wissenschaftler, dass Methan über die Fenton-Reaktion auch aus organischen Schwefelverbindungen entsteht. Bereits 2014 hatte das Team von Prof. Keppler gezeigt, dass dies unter abiotischen Bedingungen grundsätzlich möglich ist. Schwefelhaltige Verbindungen organischer Natur finden sich an hydrothermalen Quellen in der Tiefsee, besser bekannt als „Schwarze Raucher“. Bislang ist die Wissenschaft davon ausgegangen, dass ein bestimmter geologischer Prozess – die Umwandlung von Gesteinen in Serpentinminerale – für die Methanentstehung in der Tiefsee verantwortlich ist. „Dass Methan am Ozeanboden über die Fenton-Reaktion entstehen kann, ist eine Erkenntnis, die uns selbst überrascht hat“, sagt Studienleiter Dr. Johannes Rebelein vom Max-Planck-Institut für terrestrische Mikrobiologie. Dieser Prozess könnte, so die Wissenschaftler, grundsätzlich in allen Feuchtgebieten der Erde stattfinden, weil ihn Wärme und Licht unter normalen Temperatur- und Druckverhältnissen antreiben.
Die aktuellen Erkenntnisse könnten nach Ansicht der Forscherinnen und Forscher ein weiteres Puzzleteil zur Lösung des „ozeanischen Methanparadoxon“ liefern. Dabei handelt es sich um den lichtabhängigen Methanausstoß aus Gewässern. Im Gegensatz zur mikrobiellen Methanentstehung findet dieser Prozess unter Anwesenheit von Sauerstoff statt. Der Ursprung dieses über die Oberflächen der Ozeane entweichenden Methans ist bislang nicht abschließend geklärt. Die Wissenschaftler wiesen außerdem nach, dass eisenreduzierende Biomoleküle die Methanbildung noch verstärken. „In unseren Experimenten erhöhten sie die Intensität der Fenton-Reaktion. Das bedeutet: Nach der Entstehung des Lebens dürfte der Prozess einiges an Intensität zugelegt haben, weil die Biomoleküle sowohl als Substrate als auch als eisenbindende Aktivatoren dienten,“ erläutert Erstautor Leonard Ernst, der an der Universität Heidelberg studiert hat und nun am Max-Planck-Institut in Marburg promoviert.
Die Erkenntnisse liefern eine wichtige Grundlage für weitere Untersuchungen zur Entwicklung der Erdatmosphäre sowie zu der Frage, in welchem Umfang die Bildung von Methan in der unbelebten Umwelt zur Methanbilanz des Planeten beiträgt. An den Forschungsarbeiten waren neben den Teams der Universität Heidelberg und des Max-Planck-Instituts für terrestrische Mikrobiologie auch Wissenschaftler des Zukunftszentrums Mikrokosmos Erde in Marburg – einer Kooperation zwischen dem Max-Planck-Institut und der Universität Marburg – sowie des Deutschen Krebsforschungszentrums in Heidelberg beteiligt. Die Forschungsergebnisse wurde in der Fachzeitschrift „Nature Communications“ veröffentlicht.
Originalveröffentlichung
L. Ernst, U. Barayeu, J. Hädeler, T. P. Dick, J. M. Klatt, F. Keppler, and J. G. Rebelein: Methane formation driven by light and heat prior to the origin of life and beyond, Nature Communications (1 August 2023)
Weitere Publikationen
F. Althoff, K. Benzing, P. Comba, C. McRoberts, D. R. Boyd, S. Greiner, F. Keppler: Abiotic methanogenesis from organosulfur compounds under ambient conditions, Nature Communications (24 June 2014)
L. Ernst, B. Steinfeld, U. Barayeu, T. Klintzsch, M. Kurth, D. Grimm, T. P. Dick, J. G. Rebelein, I. B. Bischofs, F. Keppler: Methane formation driven by reactive oxygen species across all living organisms, Nature (9 March 2022)