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ForschungEvolutionäre Dynamiken

9. August 2019

Neuer Ansatz des zwischenartlichen Genomvergleiches bei Pflanzen

Das Erbgut bestimmt nicht nur Aussehen, Entwicklung und Anpassungsstrategien des jeweiligen Individuums, sondern trägt auch weitreichende Informationen über vergangene Veränderungen und Anpassungen des Phänotyps in sich. Diesen evolutionären Veränderungsprozess haben Wissenschaftler der Universität Heidelberg und des Max-Planck-Instituts für Züchtungsforschung in Köln anhand von Modellorganismen aus der Familie der Kreuzblütler untersucht und dabei die Blattform in den Blick genommen. Mit modernen Sequenzierungstechnologien und einem neuen Forschungsansatz – einem zwischenartlichen Genomvergleich – konnten sie im Erbgut verwandter Arten Gene identifizieren, die direkten Einfluss auf eine besondere Art der Erbgutmodifikation und damit die Evolutionsraten haben.

Blattformtypen

Das gesamte Erbgut steuert in seiner Komplexität alle Lebensprozesse eines Individuums und ist darum auch maßgeblich an der Ausgestaltung von Form und Funktion eines Organismus beteiligt. Gleichzeitig verändern sich Genome im Verlauf der Evolution unter dem Druck, sich anpassen zu müssen. Es entstehen neue Merkmale und Fähigkeiten. „Dieser Veränderungsprozess lässt sich rückwirkend rekonstruieren, weil er unterschiedliche Signaturen in den Genomen verwandter Arten hinterlässt“, so Dr. Korbinian Schneeberger vom Max-Planck-Institut für Züchtungsforschung in Köln, der die Studie leitet.

Um diese genetischen Signaturen der Evolution sichtbar zu machen, haben die Wissenschaftler in Heidelberg und Köln einen neuen Forschungsansatz entwickelt: Ihre sogenannte Assoziationsstudie berücksichtigt gleichzeitig die Ausprägung der verschiedenen Phänotypen und die genetische Variabilität ebenso wie deren Verwandtschaftsgrad und damit deren evolutionäre Geschichte. „Damit haben wir nun die Möglichkeit, gezielt auf die Veränderungen des jeweiligen Phänotyps zu schauen, der für uns von Interesse ist, und das Wissen um die Evolution zu nutzen, um die genetischen Grundlagen von unterschiedlichsten Phänotypen zu analysieren. Es war dabei spannend zu sehen, dass es vor allem die Anzahl der Genkopien ist, die im Verlauf der Evolution entstehen und vergehen, und die hier eine zentrale Rolle in dem Konzept spielt“, so Dr. Christiane Kiefer. Sie ist zusammen mit Dr. Eva-Maria Willing Erstautorin der Veröffentlichungen zu dieser Studie und vor zwei Jahren von Köln an das Centre for Organismal Studies (COS) der Universität Heidelberg gewechselt.

Die Funktionalität ihres neuen Ansatzes haben die Wissenschaftler dadurch bestätigt, dass sie auch einen bereits bekannten Schlüsselregulator auffinden konnten, der für die Komplexität der Blattform bei Pflanzen verantwortlich ist. Sie fanden dabei zudem einen ungewöhnlichen Zusammenhang zwischen einer unerwartet hohen Variabilität der Mutation eines Sequenzmotivs von ´CG´ hin zu ´TG´ mit dem Fehlen des Genes Chromomethylase 3 (CMT3). Das Fehlen dieses Genes resultiert in ausbleibenden Modifikationen des Erbgutes – komplexen genomweiten Methylierungsmustern –, die ihrerseits ein wichtiges Steuerungselement für Umweltanpassungen, aber auch für evolutionäre Prozesse wie dem Stilllegen von vormals duplizierten Genen sind.

„Die Familie der Kreuzblütler mit ihren 4.000 Arten gehört zu den wichtigsten pflanzlichen Modellsystemen. Hier finden sich neben der Ackerschmal-Wand auch die Brassica-Kulturpflanzen, das heißt der Kohl“, so Prof. Dr. Marcus Koch, dessen Forschungsgruppe „Biodiversität und Pflanzensystematik“ als weltweites Netzwerk- und Kompetenzzentrum für Kreuzblütler gilt. „Besonders beeindruckend ist das evolutionsbiologische Potential der gesamten Pflanzengruppe, für die wir am COS in den vergangenen 15 Jahren einmalige Ressourcen aufgebaut haben, um verschiedene weitreichende biologische Fragestellungen zu bearbeiten.“

Im Rahmen eines ERC Starting Grant des Europäischen Forschungsrates, den Dr. Schneeberger eingeworben hat, werden diese Arbeiten jetzt in einer langfristig ausgelegten Kooperation weitergeführt. Die Daten sind in einer frei zugänglichen Datenbank abrufbar. Die Forschungsergebnisse wurden in „Nature Plants“ veröffentlicht.

Originalpublikation

C. Kiefer, E.-M. Willing, W.B. Jiao, H. Sun, M. Piednoel, U. Hümann, B. Hartwig, M. A. Koch & K. Schneeberger: Inter-species association mapping links reduced CG-TG substitution rates to the loss of gene body methylation. Nature Plants 2019.

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