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Große Heidelberger LiederhandschriftCodex Manesse in UNESCO-Weltdokumentenerbe aufgenommen

Pressemitteilung Nr. 58/2023
18. Mai 2023

„Große Heidelberger Liederhandschrift“ ist ein historisches Zeugnis von außerordentlichem universellem Wert

Der Codex Manesse – eine prachtvoll gestaltete Sammlung mittelhochdeutscher Lied- und Spruchdichtung im Bestand der Universitätsbibliothek Heidelberg – ist in das UNESCO-Weltdokumentenerbe „Memory of the World“ aufgenommen worden. Das hat die Deutsche UNESCO-Kommission am heutigen Donnerstag (18. Mai 2023) bekannt gegeben. Der Codex – auch „Große Heidelberger Liederhandschrift“ genannt – gilt als eines der berühmtesten Bücher der Welt und ist global digital abrufbar. Neben den aufwendig gestalteten Illustrationen aus dem höfischen Leben des Mittelalters ist ein beträchtlicher Teil dessen, was vom deutschen Minnesang erhalten blieb, ausschließlich in dieser großformatigen Pergamenthandschrift überliefert. „Dies macht die Einzigartigkeit des Codex Manesse mit seinem außerordentlichen universellen Wert aus“, sagt Bibliotheksdirektor Dr. Veit Probst.

Der Rektor der Universität Heidelberg, Prof. Dr. Bernhard Eitel, erklärt: „Die Universitätsbibliothek Heidelberg verfügt über reichhaltige und sehr renommierte historische Sammlungen, deren Spitzenstück der Codex Manesse ist. Die Aufnahme in das Weltdokumentenerbe würdigt die Bedeutung dieses einzigartigen Zeugnisses aus der Vergangenheit.“ Die Digitalisierung der „Großen Heidelberger Liederhandschrift“ erlaube es dabei, dass jeder Interessierte Seite für Seite durch die Jahrhunderte alte Handschrift mit ihren filigranen Zeichnungen blättern könne.

Codex Manesse: König Konrad der Junge

Der Codex Manesse entstand in seinem Grundstock um 1300 in Zürich – vermutlich auf Betreiben von Rüdiger Manesse und seinem Sohn Johannes, die die mittelhochdeutsche Lieddichtung in ihrer gesamten Gattungs- und Formenvielfalt zusammentragen wollten. Mehrere Nachträge kamen bis etwa 1340 hinzu. Die Handschrift umfasst 426 beidseitig beschriebene Pergamentblätter. Darauf wurden die Texte von 140 Dichtern in rund 6.000 Strophen gesammelt. Mehr als die Hälfte der Werke ist ausschließlich hier überliefert. Dr. Probst: „Einige der Autoren im Codex Manesse sind nur aus dieser Überlieferung bekannt. Ohne diese Handschrift wären sie und ihr Werk heute verloren.“

Die repräsentative Ausgestaltung des Codex Manesse ist von herausragender künstlerischer Qualität. Den Texten sind 137 farbige, ganzseitige Miniaturen vorangestellt: Sie zeigen die Dichter in idealisierter Form bei höfischen Aktivitäten. „Die Illustrationen hatten einen weltweiten Einfluss auf das Bild des europäischen Mittelalters und dokumentieren die visuelle Repräsentation dieser Zeit“, betont Prof. Dr. Bernd Schneidmüller, Experte für mittelalterliche Geschichte an der Universität Heidelberg. Die ältesten Texte reichen bis in die Mitte des 12. Jahrhunderts zurück. Nach den Worten des Historikers ist die Handschrift damit eines der Schlüsselzeugnisse für die Literatur und Kultur der Stauferzeit.

Die genauen Umstände der Entstehung des Codex Manesse liegen im Dunkeln. Seit dem frühen 17. Jahrhundert ist die Handschrift im Besitz der Heidelberger Kurfürsten nachweisbar. Vor der Eroberung der Stadt Heidelberg durch Truppen der katholischen Liga im Jahr 1622 wurde sie vermutlich von der kurfürstlichen Familie auf der Flucht mitgeführt und nach dem Tod von Kurfürst Friedrich V. im Jahr 1632 von dessen Witwe Elisabeth Stuart in finanzieller Notlage verkauft. Von 1657 an befand sich die Liederhandschrift im Besitz der Königlichen Bibliothek in Paris, der heutigen Bibliothèque nationale de France. 1888 kehrte sie in einem komplizierten französisch-englisch-deutschen Tauschgeschäft nach Heidelberg zurück. Seitdem befindet sie sich in der Universitätsbibliothek Heidelberg. Schon seit vielen Jahren wird der Codex im klimatisierten Tresor der Universitätsbibliothek aufbewahrt und aus konservatorischen Gründen nur noch äußerst selten öffentlich gezeigt. Neben dem online zugänglichen Digitalisat kann ein aufwendig gestaltetes Faksimile in der Universitätsbibliothek besichtigt werden.

Das Programm „Memory of the World“ wurde im Jahr 1992 mit dem Ziel ins Leben gerufen, dokumentarische Zeugnisse von universellem Wert zu sichern und der Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Über die Aufnahme des Codex Manesse hat der UNESCO-Exekutivrat, das politische Steuerungsgremium der Organisation der Vereinten Nationen für Bildung, Wissenschaft, Kultur und Kommunikation, am 18. Mai 2023 in Paris entschieden. Zum Weltdokumentenerbe in Deutschland gehören unter anderem die Göttinger Gutenberg-Bibel, die Himmelsscheibe von Nebra oder Goethes literarischer Nachlass.