„Frontier“-Projekt: Medialität der Menschenrechte

Medialität der Menschenrechte

- gefördert durch den Innovationsfonds FRONTIER

Das Projekt „Medialität der Menschenrechte“ am Lehrstuhl für Zeitgeschichte von Professor Dr. Edgar Wolfrum wird seit 2015 mit den Mitteln des Innovationsfonds „Frontier“ der universitären Exzellenzinitiative gefördert. Ziel ist, historisch fundierte Erkenntnisse über den für Gesellschaften zentralen Zusammenhang zwischen Medien- und Menschenrechtsentwicklung zu generieren. Gemeinsam mit dem Arbeitsbereich „Minderheitengeschichte und Bürgerrechte“ wurde das Projekt 2016 mit dem Dr.-Bertold-Moos-Wissenschaftspreis ausgezeichnet.

Der Entwicklung der Menschenrechte hat sich die historische Forschung erst seit dem Ende des Kalten Kriegs verstärkt zugewandt. Bisher wurde die Rolle der Medien und ihrer Vermittlungs- und Formationsfunktion noch unzureichend reflektiert. Diesem Forschungsdesiderat begegnet das Projekt seit seinem Beginn mittels der universitären Lehre sowie im interdisziplinären Dialog auf Tagungen – aktuell wird eine für den Juni 2017 geplante Konferenz von den Leitern des Projekts organisiert. Das Teilprojekt „Worte gegen die Würde“ von Dr. Birgit Hofmann untersucht den zentralen Aspekt des Kampfes um Menschenwürde in der Öffentlichkeit am Beispiel der Geschichte der Hassrede in Europa.

Forschungsansatz

Medien spielten seit dem 19. Jahrhundert eine entscheidende Rolle bei der Etablierung von Menschen- und Bürgerrechten. Sie visualisierten Emotionen, Empathie oder Ablehnung, sie transportierten Bilder von dem, was wir unter Menschen- und Bürgerrechten verstehen und strukturierten so die Wahrnehmungs- und Kommunikationsmöglichkeiten von Individuen und Gesellschaften. Diesen historischen Wandel bis in die jüngste zeitgeschichtliche Gegenwart untersucht das Projekt „Medialität der Menschenrechte“ an der Schnittstelle von Menschenrechts-, Kommunikations- und Emotionsgeschichte.

Dabei ist die Erklärung der Menschenrechte nach dem Zweiten Weltkrieg  durch die Vereinten Nationen 1948 als ein wesentlicher Meilenstein der Menschenrechtsgeschichte anzusehen. Die Wurzeln der modernen Menschenrechtsidee liegen jedoch bereits in der Aufklärung des 17. und 18. Jahrhunderts und der Französischen und der Amerikanischen Revolution. Zum eigentlichen Kernbegriff und Bezugspunkt der westlichen Gesellschaften wurden die Menschenrechte erst in den 1970er-Jahren. Mit der rechtlichen Etablierung war der Kampf um die Umsetzung von Rechten wie Gleichheit, Freiheit, Würde, Sicherheit längst nicht beendet. Marginalisierte Gruppen, Minderheitenangehörige, Menschenrechtsorganisationen oder politisch engagierte Bürgerinnen und Bürger formulierten auch seither innerhalb der Arena politischer Kommunikation menschenrechtliche Ansprüche. Das Spektrum reicht vom Kampf gegen religiöse und ethnische Diskriminierung über Ahndung von Hassrede und die Unterstützung von Flüchtlingen bis hin zum Schutz der digitalen Privatsphäre. Dabei bedienen sich verschiedene Akteure der Massenmedien, die umgekehrt Agenda- und Definitionsmacht haben, wenn es um die Bilder von Menschenrechtsverletzungen und die Legitimität politischen Handels geht.

Sowohl die universell verstandenen Menschen- wie die auf den (National-)Staat bezogenen Bürgerrechte müssen also auch mit Hilfe von medial erzeugten Inhalten, Bildern und Tönen immer wieder neu definiert, eingefordert, umgesetzt oder auch ausgeweitet werden. Diesen fundamentalen Zusammenhang gilt es auch aus geschichtswissenschaftlicher Perspektive in den Blick zu nehmen, um den Erfolg oder Misserfolg von Menschenrechtsbemühungen zu verstehen, deren Zäsuren und Konjunkturen zu bestimmen und diese historisch zu kontextualisieren.

Projektteam

Projektleiter: Dr. Birgit Hofmann, Martin Stallmann, M.A. (promoviert)

Wissenschaftliche Hilfskräfte: Marit von Graeve, Tim Schinschick

 

IWH-Symposium "Medialität der Menschenrechte"

Vom 8. bis zum 10. Juni 2017 wird eine interdisziplinäre Tagung zum Thema im Internationalen Wissenschaftsforum (IWF) stattfinden, die gegenwärtig organisiert wird. Hier soll die Frage nach der „Medialität der Menschenrechte“ im interdisziplinären Dialog gestellt und diskutiert werden. Die Ergebnisse der Tagung werden im Anschluss in einer wissenschaftlichen Anthologie veröffentlicht.

Die Key Note Lecture der Tagung übernimmt PD Dr. Annette Weinke unter dem Titel „Entstehung einer humanitären Weltgesellschaft? Völkerstrafrecht  als Medium der Menschenrechte im 20. Jahrhundert“.

Programm

Teilprojekte

Dr. Birgit Hofmann:  Worte gegen die Würde. Zur Geschichte des Kampfs gegen „Hassrede“ in Europa seit dem 19. Jahrhundert

Weltweit wird gegenwärtig über „Hate Speech“, ihre Verbreitung mittels der Massenmedien und ihre Ahndung diskutiert. Das Teilprojekt strebt an, den Kampf gegen „Hassrede“ in Europa seit dem 19. Jahrhundert zu beleuchten. Untersucht werden soll, wie das Phänomen der zur Gewalt aufrufenden Rede historisch denkbar ist, wie und warum es zunehmend problematisiert und schließlich gesetzlich und gesellschaftlich geahndet wurde. Ein Schwerpunkt liegt auf dem diesbezüglichen historischen Wandel in Deutschland, das in Europa eine Vorreiterrolle im Kampf gegen Hassrede und dem Verbot der Leugnung von Genoziden spielte und spielt. Ausgangspunkt ist die Überlegung, dass dem Prozess der Rechtssetzung öffentliche Debatten vorausgingen oder folgten, in denen zentrale Werte wie die Meinungsfreiheit gegen die Menschenwürde abgewogen werden mussten. Rechtsetzung und Gesellschaftswandel interagierten dabei ebenso wie nationale und transnationale Einflüsse. Eine geschichtswissenschaftliche Untersuchung dieser Auseinandersetzung um Hassrede kann daher die historische Genese des Wertegefüges der heutigen Gesellschaften offenlegen.

Der historische Wandel, der markiert wird durch die Ahndung von Hassrede und dem wachsendem öffentlichen Bewusstsein für Menschenrechte und -würde in der Gesellschaft soll durch das Teilprojekt im Spannungsfeld von Ideen-, Politik-, Rechts- und Mediengeschichte untersucht werden. Dabei wird das Projekt einen Bogen vom 19. Jahrhundert bis in die jüngste Zeitgeschichte spannen und unterschiedliche Quellen wie Regierungsdokumente und -debatten, Zeitungsartikel bis hin zu Online-Quellen zur Grundlage seiner Analyse machen.

Das Projekt in der Lehre

Seit Projektbeginn wird auch in der Lehre ein entsprechender inhaltlicher Schwerpunkt gesetzt. So untersuchte Dr. Birgit Hofmann in ihrer Übung „Visuelle Empathie“ im Sommersemester 2016 mit Studierenden filmische Bilder zu historischen Massenverbrechen und ihrer Aufarbeitung und die Darstellung von Menschenrechten am Beispiel von Spielfilmen, die seit 1945 produziert wurden. Im WS 2016/2017 bietet sie eine Übung zur Rolle jüdischer Intellektueller in der Bundesrepublik nach 1945 an, die das Phänomen des Antisemitismus und der Aufarbeitung der NS-Vergangenheit aus der Perspektive einer jüdischen Minderheit fokussiert.

 

 

 

 

 

Seitenbearbeiter: Martin Stallmann
Letzte Änderung: 04.05.2017
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