Eva Hofmann (8. 3. 1945 – 23. 1. 2022)

1976/77 wurde im Zuge der Neubesetzung des ägyptologischen Lehrstuhls auch das Institut neu ausgestattet und bekam ein Fotolabor. Die halbe Stelle übernahm Eva Hofmann, eine offensichtlich überqualifizierte promovierte Kunsthistorikerin. Photographie und Photographik hatte sie in an den Werkkunstschulen in Mannheim und Darmstadt, Kunstgeschichte an der Universität Heidelberg studiert, wo sie über einen Bildhauer und Architekten des 18. Jahrhunderts gearbeitet hatte. Von weiter weg kann man sich Ägypten kaum annähern.

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Eva im thebanischen Grab Nr. 41

Um sich in ihr neues Gebiet einzuarbeiten, nahm Eva Hofmann auch ein Studium der Ägyptologie auf. Somit wirkte sie im Ägyptologischen Seminar von Anfang an nicht nur als Technikerin, sondern auch als Wissenschaftlerin. Ohne dass sie irgendwelche Abstriche an ihrem anderen Arbeitsfeld machte, wurde dieses zweite Gebiet im Lauf der Zeit für sie immer bedeutender. Die Arbeit einer Institutsfotografin sah im prädigitalen Zeitalter noch ganz anders aus als man sich das heute vorstellt. Schon der Aufbau eines Fotolabors aus dem Nichts war keine kleine Aufgabe. Noch viel anspruchsvoller aber war die laufende Arbeit. Das Dia war das zentrale Medium der Kunstwissenschaft und Archäologie. Für jedes Referat kamen die Studierenden mit Bergen von Büchern, aus denen Dias gemacht werden mussten und noch größere Stapel mussten für Vorträge und Vorlesungen der Dozierenden „diafiziert“ werden. Stücke der bedeutenden Originalsammlung – das ist heute nicht anders – mussten fotografiert werden (auch viele Anfragen von auswärts gingen ein), Fotothek und Diathek mussten gepflegt und erweitert werden. Dazu kam dann ab 1979 das noch viel arbeitsintensivere Gebiet der Grabungsfotografin. Im Rückblick frage ich mich, ob wir uns ohne Eva Hofmanns Neugier, Leidenschaft und unablässige erfindungsreiche Ermutigung auf das Abenteuer unseres „Ramessidenprojekts“ eingelassen hätten, jedenfalls kaum auf die Dauer von 30 Jahren, die es dann schließlich wurden. Eva Hofmann kam gerade zur rechten Zeit, um uns zu dieser Unternehmung zu motivieren und allen Rückschlägen und Pannen zum Trotz bei der Stange zu halten. Dabei ging es vor Ort, in Theben-West, um die Reinigung, Dokumentation, Restauration und Publikation von Felsgräbern der Ramessidenzeit (1300-1100 v.Chr.) und in Heidelberg nicht nur um die Bewältigung der bei jeder Grabungssaison anfallenden unendlichen Fotoarbeiten, sondern dazu obendrein um den Aufbau und die Verwaltung eines Archivs mit der Sammlung aller verfügbaren, auch privaten Materialien für jedes einzelne Grab.

Bei diesem Projekt hatten wir uns auch umfassende Querschnittuntersuchungen vorgenommen, die Wandlungen auf den Gebieten der Architektur, Dekoration, Verwaltung, Geschichte, Religion usw. in den Blick fassen sollten, um das Profil der Epoche, der Ramessidenzeit zu schärfen. Eva ist die einzige von uns, die sich dieser Aufgabe systematisch angenommen und sie auch erfolgreich zu Ende geführt hat. Ihr Werk Bilder im Wandel, THEBEN XVII, Mainz 2004, hat zum ersten Mal die Ramessidenzeit als eine bedeutende und besonders wandlungsreiche Epoche der ägyptischen Kunstgeschichte gewürdigt und einen völlig neuen Blick auf die Kunsttraditionen dieser Zeit geworfen. Es handelt sich um die bei weitem genaueste, umfangreichste, detaillierteste Untersuchung der ramessidischen Flachbildkunst, wie sie nur eine professionelle Kunsthistorikerin und Ägyptologin schreiben konnte, die dazu noch mit soviel Mut, Neugier, Leidenschaft und Ausdauer zu Werke ging.

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Eva im thebanischen
Grab Nr. 106

Was wurde in diesen Gräbern nicht alles debattiert, über die Lesung einzelner Zeichen, die Ergänzung zerstörter Szenen usw. Seit Eva Hofmann dazustieß, ging es auf einmal um Themen wie Faltenwurf, Augenschnitt, Körperproportionen, Bildkomposition, Lichtführung, Relieftechnik und immer wieder Stil. So wie das Stichwort Professionalität die Wissenschaftlerin, kennzeichnete das Stichwort Perfektionismus die Fotografin. Was das angeht, konnte sie streng, ja unerbittlich sein. Perfektionismus war eigentlich bei unseren Arbeitsbedingungen in Gurna ein Ding der Unmöglichkeit. Aber sie ließ nicht locker und hat sich auch oft selbst überwinden müssen. Um die rechte Einstellung zu finden, musste sie ihren notorischen Schwindel überwinden, auf hohe Leitern klettern, Stühle und Tische übereinanderstellen und nicht aufgeben, bis endlich alles stimmte, Blickwinkel, Ausleuchtung, Perspektive. Ein drittes Stichwort, das Eva Hofmann als Praktikerin auszeichnete, war Erfindungsreichtum. Für die häufigen Stromausfälle brauchten wir einen Generator, der oft streikte und trickreich zum Weiterlaufen gebracht werden musste. Auch der Kühlschrank, in dem sie ihre Filmrollen aufbewahrte, setzte ständig aus. Die labilen Sicherungen verstärkte sie mit metallenen Haarklammern, die sie bei den „Mädchen“ einsammelte. Hinzu kamen Ärger mit den Inspektoren und ihren immer neuen Vorschriften, mit Sandstürmen, Hitzewellen, mit den Klarsichtfolien zum Durchpausen, die auf der Wand nicht halten wollten und was der typischen Unbilden eines Grabungsalltags mehr sind. In solchen Situationen war Evas Ermunterung stoisch: „Heul nicht, mach weiter!“

Es war Evas Hofmanns große Gabe, uns mit ihrem herzerwärmenden Enthusiasmus, Mut und Frohsinn anzustecken. Oft, wenn sich in Gurna auf der Grabung oder in Heidelberg gegen Ende der Mittagspause Müdigkeit ausbreitete, rief Eva „Power!“ und zeigte uns lachend die Faust. Es half, alle lachten mit und zogen los.

Am 23. Januar ist sie in Mannheim gestorben.

Jan Assmann

 

Schriftenverzeichnis von Eva Hofmann

Kunstgeschichte:

  • Peter Anton von Verschaffelt, Hofbildhauer des Kurfürsten Carl Theodor in Mannheim, Dissertation Heidelberg 1982. Online http://archiv.ub.uni-heidelberg.de/artdok/volltexte/2013/2188
  • Eva Hofmann, Die Büste der Kurfürstin Elisabeth Auguste als Minerva. Lange verschollenes Kunstwerk der Mannheimer Epoche in München wieder aufgetaucht, in : Stimme der Pfalz. Zeitschrift für Politik, Kultur und Wirtschaft 35, München 1984, Nr. 3, S. 5–7.
  • zusammen mit G. Hüttmann, Das Haus Hauptstr. 120, in: Semper Apertus, Festschrift 600 Jahre Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg, Berlin, Heidelberg 1985, Bd 5, 211-222.
  • Der Muttergottesbrunnen auf dem Kornmarkt, in: P. Blum (Hg.), Heidelberger Altstadtbrunnen, Schriftenreihe des Stadtarchivs Heidelberg, Sonderveröffentlichung 7, Heidelberg 1996, 74-88.
  • Starke Frauen an seiner Seite. Das allegorische Giebelrelief des Kurfürsten Carl Theodor von der Pfalz, in: B. J. Diebner, B. Huber et al. (Hgg.), Vom Iteru-Maß bis zu Miriam bei Marc Chagall. Fs für Claudia Nauerth zum 75. Geburtstag, Berlin, 2020, 229-239.

Ägyptologie:

  • Beiträge im Katalog "Ägyptische Kunst im Liebieghaus" Museum alter Plastik. Frankfurt /Mainz 1981.
  • Katalogteil "Ägyptische Bronzefiguren". Ägyptische Kunst Bd. II. Wissenschaftliche Kataloge Liebieghaus- Museum alter Plastik. Frankfurt/Main 1991.
  • Stilistische Einordnung, in: J. Assmann, Das Grab des Amenemope (TT 41) THEBEN III, Mainz 1991, 196-200.
  • Dekorationsstil und Datierungsfrage, in: K.-J. Seyfried, Das Grab des Paenkhemenu (TT 68) und die Anlage TT 227, THEBEN VI, Mainz 1991, 87-90.
  • Das Grab des Neferrenpet, gen. Kenro (TT 178), THEBEN IX, Mainz 1995.
  • Typen ramessidischer Plastik in thebanischen Privatgräbern, in: J. Assmann, E. Dziobek, H. Guksch, F. Kampp (Hg.), Thebanische Beamtennekropolen, SAGA 12, Heidelberg 1995, 271-279.
  • zus. mit K.-J. Seyfried: Bemerkungen zum Grab des Bauleiters Ramose (TT 166) in Dra Abu el Naga Nord, in: MDAIK 51, 1995, 23-56.
  • Viel Licht im Dunkel – Die Farbe Gelb in der ramessidischen Grabdekoration, in: H. Guksch, E. Hofmann, M. Bommas (Hg.), Grab und Totenkult im alten Ägypten, Fs J. Assmann, München 2003, 147ff.147-162.
  • Bilder im Wandel – Die Kunst der ramessidischen Grabdekoration. THEBEN XVII, Mainz 2004.
  • Zwischen den Zeiten – Das thebanische Grab des „Königssohns“ Tetiki (TT 15). In: A. Verbovsek, G. Burkard, F. Junge (Hg.), Imago Aegypti Bd. 3, Göttingen 2011 S. 42-54 mit Taf. 4-21.
  • Im Dienst des Pharao – Loyalität und Selbstdarstellung. Innovative Bilder in thebanischen Beamtengräbern der 18. Dynastie. HÄB Sonderband, Hildesheim 2012
  • Der Vorhof der Privatgräber – nur ein sakraler Ort? Die Anlagen von TT 157 des Nebwenenef und TT 183 des Nebsumenu, in: S. Kubisch u. U. Rummel (Hg.), The Ramesside Period in Egypt, SDAIK 41, 2018, S. 149-174.
  • Stilanalyse der Malerei in TT 85 und 88 und in zeitnahen Gräbern, in: H. Heye, Die Gräber des Amenemhab und des Pehsucher, Theben Nr. 85 und 88, Bd 1: Die Dekoration der Innenräume, Archäologische Veröffentlichungen 138 (in redaktioneller Bearb.)

Auf academia.edu:

 

Photographische Aufnahmen thebanischer Gräber durch Eva Hofmann

TT 41: J. Assmann, Amenemope, Mainz 1991, Theben 3.
TT 68 und 227: K.-J. Seyfried, Paenkhemenu, Mainz 1991, Theben 6.
TT 138 und 259: E. Feucht, Nedjemger und Hori, Mainz 2006, Theben 15.
TT 178: E. Hofmann, Neferrenpet, gen. Kenro, Mainz 1995, Theben 9.
TT 194: K.-J. Seyfried, Djehutiemhab, Mainz 1995, Theben 7.
TT 257: Maha F. Mostafa, Neferhotep und Meh, Mainz 1995, Theben 8.
TT 296: E. Feucht, Nefersecheru, Mainz 1985, Theben 2.
TT 373: K.-J. Seyfried, Amonmose, Mainz 1990, Theben 4.

 

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Letzte Änderung: 28.03.2024
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