Ausgrabung in Jerusalem/Ramat Rahel
Ein Projekt der Abteilung V: Theologie und Archäologie
Prof. Dr. Manfred Oeming

In Ramat Rahel (Jerusalem) beteiligen sich Heidelberger Theologen unter Leitung von Prof. Manfred Oeming seit fünf Jahren an archäologischen Ausgrabungen. Im Jahr 2008 gelang der bemerkenswerte Fund von 15 großen Silbermünzen aus der Zeit des Zweiten Tempels.
Außerdem entdeckte das Team einen byzantinischen Münzschatz, einen königlichen Palast und eine arabische Karawanserei.
An den Grabungen, die jährlich im Sommer durchgeführt werden, sind insgesamt 80-120 Personen beteiligt, davon 20 bis (diesmal) 53 Heidelberger Studierende (75 % Theologen, ferner Studierende der Hochschule für Jüdische Studien, der Archäologie und verschiedener Gebiete der alten Geschichte, aber auch der Medizin und Jura), dazu zahlreiche Freiwillige aus aller Welt. Der Ausgrabungsort Ramat Rahel ist der südlichste Stadtteil von Jerusalem auf dem Weg nach Bethlehem und ist Schauplatz einer 1700 Jahre langen vorneuzeitlichen Siedlungsgeschichte. Mit dem Voranschreiten der Ausgrabung werden immer mehr Aspekte dieses überaus spannenden Ortes deutlich.

Im Juli 2008 entdeckten Heidelberger Studierende am Boden eines Kolumbariums in einer Taubennische einen kleinen römerzeitlichen Kochtopf aus Ton. Ein Kolumbarium ist ein unterirdischer Taubenschlag, in dem man im alten Israel - zum profanen Essen und zum sakralen Opfer im Tempel von Jerusalem - Tauben züchtete. Der Metalldetektor schlug hier heftig an und es fanden sich überraschenderweise 15 große Silbermünzen darin, sogenannte Tyrische Schekel, die aus der Zeit der Zerstörung des zweiten Tempels am 9. Av 70 nach Chr. stammen. So ein Fund ist etwas sehr Seltenes (in der 150 jährigen Geschichte der Palästina-Archäologie ist unser Fund erst der achte) und etwas wirklich Aufregendes. Prof. Oded Lipschits (Universität Tel Aviv), der mit 20 Studierenden aus Tel Aviv die Ausgrabung mitleitet, erklärt, wie ein solcher Kochtopf auf den Boden einer Höhle kommen kann, in der Tauben gezüchtet wurden: "Der Topf wurde nur notdürftig mit Erde bedeckt. Offenbar wurde er in aller Eile versteckt. Vermutlich wurde der kleine Schatz unmittelbar im Zusammenhang der Tempelzerstörung durch die Römer hier verborgen, um später wieder abgeholt zu werden. Allerdings kam die Person, die die Münzen hier versteckte, nicht mehr dazu. Ihr muss etwas zugestoßen sein."
Dieser Silbermünzenfund ist nicht der einzige "Schatz", den das deutsch-israelische Archäologenteam gefunden hat. Ein anderer größerer Hortfund stammt aus der Byzantinischen Epoche - vom 5 bis 6 Jh. n. Chr. Dieser zweite Schatz besteht aus 380 Münzen mit weiten 70 Münzen, die in seiner unmittelbaren Nähe auf dem Steinboden gefunden wurden. Wir hatten noch mehr Finderglück und konnten weitere überraschende Entdeckungen machen, z.B. ein neues Gebäude aus der Perserzeit mit den Ausmaßen von 33 mal ca. 20 Metern (was für antike Verhältnisse ein Palast war), einen königlichen Garten von bislang ausgegrabenen 700 qm mit einer aufwendigen Wasserversorgung durch ein komplexes System von Pools, Leitungen und unterirdischen Tunneln freilegen, dazu eine arabische, genauer abassidische Karawanserei (9.-12. Jh.). Zu den neu gefundenen Pretiosen gehören zahlreiche Kleinfunde wie z.B. seltene und wertvolle Münzen, eine aus der Perserzeit oder zwei unter Pontius Pilatus geprägte, ein Kinderbleisarg, ein Goldanhänger mit Malachit, ferner ein byzantinisches Armband oder ein sassanidischer Siegelring. Dutzende von gestempelten Krughenkeln mit Inschriften (etwa lmlk "für den König" oder jhud = Juda) Die spannende Geschichte des bedeutenden Ortes Ramat Rahel wird immer klarer, dennoch bleiben weitere Fragen. Wie der Ort in der Bibel genannt wird, ist immer noch unklar und wird mit vielen Möglichkeiten diskutiert: "Weinheim" (Bet-Keren), Mamschit, Herberge des Kimham, Haus des Baal, Rama oder Bethlehem-Ephrata sind Kandidaten. Am Anfang (ca. 700 v.Chr.) an stand jedenfalls eine königliche Zitadelle und ein Palast der Söhne Davids von beachtlichen Ausmaßen: ca. 6000 qm. Die genaue Funktion dieses Wehr-Palastes so nahe beim Hauptpalast innerhalb der Jerusalemer Stadtmauern ist umstritten: Luxusort für die Frauen (Harem?), Sommerschloss oder Sitz der assyrischen Fremdherrscher? In der Perserzeit (538-332 v.Chr.) war Ramat Rahel jedenfalls ein Verwaltungszentrum mit einem schönen "Paradies"-Garten. Es folgten in der Hasmonäerzeit eine jüdische Siedlung mit zahlreichen Ritualbädern (Mikwen), eine spätrömische Villa mit Badeanlage, ein byzantinisches Kloster mit einer Kirche (5.-7.Jh.), zuletzt ein arabisches Gebäude aus der Zeit der Abbasiden (8.-12. Jh. n.Chr.).
Neben der archäologischen Entdeckungen ist das Projekt für die deutsch-israelischen und die jüdisch-christlichen Beziehungen von großer Bedeutung.