Predigten Wintersemester 2022/23

12.02.2023: Prof. Dr. Philipp Stoellger über Jes 55,6–12a

Liebe Gemeinde, vor ein paar Jahren kamen im Wintersemester wie üblich die neuen Studienanfänger nach Heidelberg, viele wie immer. In dem Jahr aber war ein Student dabei, der besonders zurückhaltend schien, ein wenig unbeholfen auch und arg eingeschüchtert angesichts der altehrwürdigen Ruperto Carola. Alles voller Studierender, allgegenwärtig, dachte er, und etwas unheimlich große Hallen, eine allumfassende Bibliothek und allwissende Professorinnen und Professoren… Man könnte meinen, man sei im Himmel – mit seinen Heerscharen und dem Thronrat Gottes.
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29.01.2023: Christian Friedrich über Mt 17,1-9

Was für ein Anblick! Es ist später Nachmittag, ich stehe auf dem hinteren Wehrsteg, den Blick nach Westen und kann nur dastehen und staunen. Was für ein Naturschauspiel! Der Himmel leuchtend rot, das Wasser des Neckar reflektiert glitzernd den Himmel, rechts und links gerahmt vom schon dunklen Königstuhl und Heiligenberg, und im roten Himmel eingezeichnet die Silhouetten der Heiliggeistkirche und des Brückentors – wunderschön, fast schon kitschig, so perfekt ist der Anblick. 'Verweile doch, Augenblick! Du bist so schön!'
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22.01.2023: Professor Dr. Johannes Eurich über 2 Kor 5,19-21

Gott hat diese Welt des Krieges, der Unversöhntheit, der Ungleichheit, Gott hat diese Welt mit sich versöhnt. Das ist eine ungeheure Aussage. Weil man das angesichts des Unheils und der Bedrohungen gar nicht sehen kann. Weil man davon anscheinend nichts merkt. Denn es heißt ja ausdrücklich nicht, Gott habe die Christen mit sich versöhnt, sondern seine Versöhnung bezieht sich auf die Welt, diese Welt. Gottes Versöhnung geschieht aber nicht unter Fanfarenspiel oder mit pompöser Ankündigung. Ganz im Gegenteil: so wie wir an Weihnachten gerade den Eintritt Gottes in diese Welt in einem Tierstall, unbeachtet von den Regierungszentralen und Medienhäusern der damaligen Zeit, gefeiert haben, so beginnt Gottes Versöhnung im Kleinen, oft Unbemerkten. So wie Gottes Einwohnung in unsere Welt anfangs nicht beachtet, ja nicht einmal erwartet wurde bis auf ganz wenige Menschen, so ist auch Gottes Versöhnung doch am Wirken. Wie ereignet sie sich?
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15.01.2023: Prof. Dr. Sibylle Rolf über Ex 33,18-23

Liebe Gemeinde, jedem Anfang wohnt ein Zauber inne, schreibt Hermann Hesse. Und er hat recht, finde ich. Ich habe das bei Neubeginnen immer wieder zitiert – zum Beispiel am Anfang meines Vikariats. Ein Anfang tut gut. Eine neue Aufgabe, eine neue Liebe, ein neues Studium. Ein neues Jahr. Oder Weihnachten – ein neues Kind, Gott in der Welt. Aufbruchsstimmung ist zu spüren, Neues entwickelt sich, was vorher nicht da war, im Miteinander und Füreinander. Ich freue mich auf meinen neuen Anfang und darauf, ihn zu gestalten, mit euch und mit Ihnen. Möge uns miteinander der Zauber des Anfangs lange erhalten bleiben.
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08.01.2023: Prof. Dr. Martin-Christian Mautner über Joh 1,29-34

Liebe Gemeinde, die Szene ist in der Bildenden Kunst prominent dargestellt. In beiden großen Kirchen Ravennas zum Beispiel findet sie sich in Form prächtiger Mosaiken – mit pikant unterschiedlicher Fokussierung. Mathis Nithart gen. Grünewald hat sie auf seinem Isenheimer Altar unvergesslich illustriert: Mit überlangem Finger zeigt Johannes der Täufer auf das Gotteslamm. Schon die Position der Szene innerhalb des Johannes-Evangeliums zeigt, dass der Verfasser ihr größte Bedeutung beimaß: Mit ihr beginnt die Wirksamkeit Jesu, es folgen unmittelbar die Berufung der ersten Jünger und das erste der Wunder, welche Zeichen der Bestätigung der Messianität Jesu sind. Vieles wäre noch anzumerken. Ein Punkt ist mir jedoch beim erneuten Lesen besonders wichtig geworden, ihn will ich heute ansprechen und bedenken – ich meine nämlich, dass er, obwohl bedeutsam für alle Zeit, gerade für uns aktuell eine besondere Botschaft hat.
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06.01.2023: Prof. Dr. Michael Plathow über Kor 4,3-6

Noch ganz im Licht von Weihnachten leben wir „post Christum natum“: Gott wurde Mensch, Gottes „Äonenwende“ in politischen Zeitenwenden. „Das ewig´Licht geht da herein“. Es verbindet sich hier in der Peterskirche mit den wunderbaren Schreiterfenstern: ökumenisch-weltweit, die Zukunft Gottes in das Jahr 2023 hinein. Denn „so spricht Gott“; Gottes Verheißung und Verweis, Gottes An- und Durchsage ist es: Gott, der am Beginn der Schöpfung das Licht in der Chaosfinsternis, die wir gerade gegenwärtig erleben, aufleuchten ließ - Gott hat in unser Herz Strahlen seines neuschaffenden Geistes gesandt, damit durch diese Aufklarung der Glanz Gottes in Jesus Christus angesichtig und ansichtig wird in unserem Leben. Denn „von seiner Fülle haben wir alle genommen Gnade um Gnade“ (Joh 1, 16). Einer meiner biblischen Lieblingsverse ist es gerade am Beginn des Neuen Jahres. Auf ihn antwortet der Choral des so geliebten Weihnachtsoratoriums, Teil V, zum Epiphaniasfest: „Dein Glanz all Finsternis verzehrt, die trübe Nacht in Licht verkehrt“.
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31.12.2022: Dr. Elisabeth Maikranz über Röm 8,31b-39

„Von guten Mächten treu und still umgeben, behütet und getröstet wunderbar, so will ich diese Tage mit euch leben und mit euch gehen in ein neues Jahr.“ – So haben wir eben den Altjahrsabend-Klassiker mit dem Text von Dietrich Bonhoeffer gesungen. Im Winter 1944, kurz vor seinem zweiten Weihnachten im Gefängnis, schrieb Bonhoeffer dieses letzte seiner zehn Gedichte. Es ist ein Familiengedicht, das er seiner Verlobten Maria von Wedemeyer und seinen Eltern und Geschwistern schickte. Aus ihm sprechen gleichermaßen Verzweiflung und Hoffnung. Trotz allem, trotz der bösen, schrillen und lauten Mächte des Nationalsozialismus und angesichts der schweren Last, dass das Hitlerattentat gescheitert war, weitere Familienmitglieder inhaftiert und seine eigene Situation angesichts des Fundes der „Zossener Akten“ ausweglos erscheint, richtet Bonhoeffer seinen Blick auf Gott und dessen gute Mächte. Geborgen darin, getröstet und behütet, erwartet er, was kommen mag.
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24.12.2022: Prof. Dr. Peter Lampe über "Fürchtet Euch nicht!"

Liebe Weihnachtsgemeinde, „Fürchtet Euch nicht!“ Der Kernsatz des alten Weihnachtsevangeliums packt mich am Ende des Jahres – erwischt mich im Zweifeln. Ein annus horribilis läuft aus, ein erschreckendes Jahr. Das Wort „Polykrise“ nistet sich in der Sprache ein. Existentiell bedroht sehen sich Millionen. Physisch durch kaum aufzuhaltenden Klimawandel, durch Krankeitswellen, durch Raketen. Psychisch durch Propagandaterror, der mit Ängsten spielt. Ökonomisch durch dahinschmelzende Rücklagen und aus dem Ruder laufende Preise, die die Löhne nicht einholen. In der mittleren Generation der 30-59-Jährigen herrscht Alarmstimmung, wie Allensbach im Herbst ermittelte. „Fürchtet Euch nicht!“ Ja, wie denn?! Wenn wir vor lauter Angst vor den Rechnungen nicht mehr täglich duschen und die Heizkörper herunterdrehen – und in der Ukraine Millionen nichts mehr herunterdrehen können; sie frieren. Da ist die eisige Hölle los. „Fürchtet Euch nicht!“ Ja, wie denn?
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11.12.2022: Prof. Dr. Angela Rinn über Jes 40,1-11

Liebe Gemeinde, einen seelsorglichen Gott malt uns der Prophet vor Augen. Einen Gott, der seine verängstigten, geknechteten, verzweifelten Menschen in die Arme nimmt, ja, sie in seinem Mantel schützend birgt und trägt. Es ist genug Leid geschehen, Gott. Tröstet, tröstet mein Volk. Tröstet meine Menschen. Ein männliches Bild wählt der Prophet. Nicht trösten, wie einen eine Mutter tröstet, sondern trösten wie ein Hirte, der seine kleinen Schafe trägt, wenn sie einfach nicht mehr können, sie im Bausch seines Gewandes birgt. Ein Hirte ist nicht wehrlos. Das trägt etwas Kämpferisches ein in das idyllische Bild.
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04.12.2022: Prof. Dr. Christoph Strohm über Hld 2,8-13

Liebe Gemeinde, Im 16. Jahrhundert kam es in Genf zu einem Streit. Der Humanist und Schulleiter Sebastian Castellio wollte Pfarrer werden, aber der Genfer Reformator Johannes Calvin war strikt dagegen. Ein Grund für die Ablehnung war der Sachverhalt, dass Castellio das Hohelied Salomos als profane Dichtung und schamloses Buch betrachtete. Für den Humanisten Castellio war das wichtigste Ziel seiner Arbeit als Lehrer, den Menschen so zu bilden, dass das Wesen des Menschseins verwirklicht würde. Das Wesen des Menschen bestand für ihn darin, dass er im Unterschied zu den Tieren, den „bestiae“, ein Vernunftwesen ist.
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27.11.2022: Prof. Dr. Jörg Ulrich über Offb. 3,14-22

Liebe Universitätsgemeinde! Du bist ein Ja, sei kein Vielleicht! In der guten alten Zeit, die so lange noch gar nicht her ist, fand man diesen Spruch auf Kalenderblättern oder in Poesiealben. Heutzutage findet man ihn auf Seiten mit Weisheiten zum Weitersagen im Internet: Du bist ein Ja, sei kein Vielleicht. Das ist ein Spruch gegen die Unentschlossenheit. Er spielt darauf an, dass wir tagein tagaus alles Mögliche andenken, erwägen, überlegen und diskutieren, uns am Ende aber nur ungern festlegen. Wer sich aber nicht oder kaum einmal festlegen kann, sondern lieber Vielleicht sagt, der wird schnell zum Fähnlein, mit dem der Wind spielt. Und deshalb denk immer dran: Du bist ein Ja, sei kein Vielleicht!
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20.11.2022: Prof. Dr. Martin Hailer über Mk 13,28-37

Liebe Gemeinde, Wachet! – Das sagt sich so. Ich kann mir das auf mehrerlei Weise vorstellen. Wenn zum Beispiel mich morgens zu früh mein Wecker anpiepst, ist das schonmal ein »Wachet!«. Und kein notwendig immer angenehmes, wie Sie wissen. Anders und ernster: Wachet!, das klingt ja danach, dass die Aufmerksamkeit gefordert ist für etwas, was sonst eher keine Aufmerksamkeit abbekommt. Weil es halt gern vergessen wird. Weil es unangenehm oder sogar bedrohlich ist. Mir geht das immer wieder so, wenn es um wache Zeitgenossenschaft geht. Sie beginnt doch damit, über Politik und Zeitgeschehen anständig informiert zu sein, durch Zeitungslektüre oder entsprechende Nachrichtenportale.
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13.11.2022: Prof. Dr. Joachim Wittbrodt-Gedenkrede zum Volkstrauertag

Gedenken an die Opfer von Krieg und Gewalt Eigentlich hätte ich letztes Jahr sprechen sollen, aber dieses Jahr ist es so viel eindrücklicher. Trauer ist normalerweise etwas, was jeder für sich empfindet, womit jeder seinen Verlust spürt und verarbeitet. Wie trauert eine Gruppe, wie ein Volk?
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08.11.2022: Salome Lang über Lk 18,1-8 zum Volkstrauertag

Jin, Jiyan, Azadi – Frauen, Leben, Freiheit. Drei Worte, die zum Ausdruck einer Protestbewegung geworden sind. Die tagtäglich im Iran ausgerufen werden, wütend und hartnäckig. Die um die Welt gehen. Denn es ist genug – genug des Unrechts und der Unterdrückung gegen Frauen, queere Menschen, ethnische und religiöse Minderheiten im Land.
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30.10.2022: Kirchenrat Dr. Heinz Janssen über Hld 8,6b-7

Liebe Gemeinde, ein Loblied auf die Liebe ist der heutige Predigttext, wir lesen und höre es im „Hohenlied der Liebe“, dem „Lied der Lieder“, so die Überschrift in der hebräischen Bibel, und damit das absolute Highlight aller Liebeslieder, ein bunt „gewebter Teppich von Poesie”. I. Liebende sehnen sich nacheinander, so beginnt die kleine Lyriksammlung. Es folgen glühende Dialoge zwischen den Verliebten. Sie ruft: „Da ist die Stimme meines Freundes“, der Freund ruft ihr zu: Steh auf, meine Freundin, meine Schöne und komm her! Denn siehe, der Winter ist vergangen…Die Blumen sind aufgegangen…“ (HL 2,8-13).[1] Es führte kein gerader Weg dieser leidenschaftlichen Liebeslyrik in den biblischen Kanon.
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23.10.2022: Prof. Dr. Helmut Schwier über Mk 2,1-12

Liebe Universitätsgemeinde, was für eine Geschichte ist dieses Evangelium. Fängt alles ganz harmlos an: eine normale Jesus-Wundergeschichte. Jesus taucht auf. Und das Haus ist sofort voll. Alle wollen ihn hören. Denn der redet irgendwie anders als die Theologen. Der ist auch anders, auch anders als sein Lehrer. Johannes der Täufer, ein Bußprediger und Asket – Jesus, ein Prediger der Gottesherrschaft und Freund von gutem Essen und Trinken, am liebsten mit den Menschen am Rand der Gesellschaft. Dort kommt die Gottesherrschaft an. Denn Jesu Predigt bestätigt nicht die bestehenden Verhältnisse in der Mitte der Gesellschaft.
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Letzte Änderung: 03.01.2023
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