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Kurzbericht aus der Wissenschaft

Nachhaltige Stromerzeugung

Geoinformationen optimieren Solaranlagen

von Bernhard Höfle

In der kalten Jahreszeit erfreut sich jeder der wärmenden Sonnenstrahlen, die durch das Fenster dringen und das Zimmer, aber auch das Gemüt erhellen. Wie die Kraft der Sonne genutzt werden kann, um Energie zu gewinnen, weiß die Natur seit jeher. Das zeigt der wohl bedeutendste Prozess zur Energiegewinnung  mit Sonnenlicht – die Photosynthese der Pflanzen. Die Sonne ist auch für uns Menschen eine schier unendliche und zudem kostenlose Energiequelle – das vorhandene Potenzial indes wird bislang global betrachtet kaum genutzt. Dabei bietet die Solarkraft die einzigartige Chance, Energie dort zu erzeugen, wo sie gebraucht wird: dezentral in privaten Haushalten.

Um die praktische Frage beantworten zu können, welchen Ertrag eine Solaranlage, beispielsweise auf dem Dach eines Hauses, erbringen wird, muss das an einem Ort vorhandene Solarpotenzial (in kWh/m2/Jahr) bestimmt werden. Das ist eine Frage des Standorts und damit eine geographische Frage, die sich mit den Methoden der Geoinformatik und mithilfe geographischer Daten, sogenannter Geodaten, analysieren und klären lässt.

 

Um das Solarpotenzial präzise zu bestimmen, braucht es detaillierte Geodaten, beispielsweise vom Hausdach und den Schatten werfenden Objekten in der Umgebung.  
Um das Solarpotenzial präzise zu bestimmen, braucht es detaillierte Geodaten, beispielsweise vom Hausdach und den Schatten werfenden Objekten in der Umgebung.
Illustration: A. Jochem

Ein großer Teil der dazu notwendigen Daten kann über einen Raumbezug geographisch verortet werden. Es kann beispielsweise eine direkte Verortung über geographische Koordinaten erfolgen – etwa 49°25’N, 8°40’E; oder es kann eine indirekte Verortung durch eine Beschreibung als Adressangabe – zum Beispiel Berliner Straße 48, 69120 Heidelberg – vorgenommen werden. Solcherart digitale Geoinformation wird längst von uns allen im täglichen Leben verwendet – als webbasierte Routenplanung zum nächsten Wochenendziel, als Navigationssystem im Auto oder als „App“ im Smartphone. Die Geoinformatik, die sich der Geodaten bedient, ist eine Querschnittsdisziplin, deren Ziel es ist, neue Methoden zu entwickeln, um Geodaten für die unterschiedlichsten Fragestellungen zu verwalten, zu analysieren und zu visualisieren. Anwendung findet die Geoinformatik beispielsweise im Katastrophenmanagement und zur Risikoanalyse, im Geomarketing, in der Standort-, Stadt- und Regionalplanung, in Logistik, Navigation und Verkehr, Energie und Umwelt.

 

Mit dem sogenannten Laserscanning wird es möglich, die Geometrie von Objekten sehr genau zu erfassen. Die Analyse der Laserdaten hilft dabei, das Solarpotenzial von Standorten zu bestimmen.  
Mit dem sogenannten Laserscanning wird es möglich, die Geometrie von Objekten sehr genau zu erfassen. Die Analyse der Laserdaten hilft dabei, das Solarpotenzial von Standorten zu bestimmen.
Illustration: Bernd Höfle

Um nun das Solarpotenzial mithilfe der Geoinformatik präzise zu bestimmen, werden detaillierte Geodaten über die interessierenden Objekte benötigt – beispielsweise von einem Hausdach, aber auch von den Schatten werfenden Gebäuden oder Bäumen in der Umgebung. Die Analysen zum Potenzial von Solaranlagen beziehen sich derzeit vorwiegend auf Dach- und Freiflächen. Auch die Universität Heidelberg verfügt im Projekt „Solar University“ über Photovoltaikanlagen auf den Dächern von Universitätsgebäuden.

Nicht alle Dachflächen sind für Solaranlagen geeignet, und in manchen Regionen kann eine lang anhaltende Schneedecke die Energieproduktion im Winter reduzieren. Nicht Dächer, sondern freie Flächen für Solaranlagen zu verwenden, steht im Konflikt mit der landwirtschaftlichen Nahrungsproduktion, sodass als freie Flächen zumeist solche mit bereits bestehender anderweitiger Vornutzung, beispielsweise ehemalige Deponien, eingesetzt werden. Umso mehr bieten sich schon vorhandene, bislang aber noch ungenutzte Flächen an, um das Nutzungspotenzial zu erweitern, beispielsweise vertikale Hausfassaden oder die Schallschutzwände am Rand der Autobahnen. Vor allem Hausfassaden gelten wegen der räumlichen Nähe zum Verbraucher und zum Stromnetz als ideale Ergänzung. Es ist jedoch mit den herkömmlichen Instrumenten der Geoinformatik bislang nicht möglich, die potenzielle solare Einstrahlung für solch dreidimensionale Strukturen zu berechnen. Dazu werden zusätzlich sehr detailreiche dreidimensionale Geodaten benötigt, damit Verschattungen von Solaranlagen durch nahe Objekte wie Dachüberstände oder Bäume so realistisch wie möglich berücksichtigt werden können.

 

Die jährliche solare Einstrahlung auf Hauswänden, dargestellt als eingefärbte dreidimensionale Laserpunktewolke  
Die jährliche solare Einstrahlung auf Hauswänden, dargestellt als eingefärbte dreidimensionale Laserpunktewolke
Illustration: Bernd Höfle

Hier setzen unsere Forschungsarbeiten im neu eingerichteten Lehrstuhl für Geoinformatik am Geographischen Institut der Universität Heidelberg an. Unser Vorhaben ist es, neue Ansätze zu entwickeln, um dreidimensionale Geodaten, die mittels Laserscanning erfasst wurden, so zu prozessieren und zu analysieren, dass aus Rohdaten wertvolle Geoinformation extrahiert werden kann.

„Laserscanning“ ist ein Verfahren, das die Laufzeit kurzer Lichtimpulse misst und so die Geometrie der Erdoberfläche hochgenau erfasst. Der Laserscanner registriert dazu Lichtimpulse, die von Objekten reflektiert werden; mit weiteren Sensoren (zum Beispiel GPS) werden die einzelnen Lichtpulse zu einer dichten dreidimensionalen Punktewolke verarbeitet. Das Abtasten („Scannen“) der Erdoberfläche mithilfe des Lasers kann vom Flugzeug, vom Auto oder stationär vom Boden aus erfolgen. Vom Flugzeug aus können ganze Länder wie die Niederlande oder Baden-Württemberg mit mehreren Messpunkten pro Quadratmeter großflächig erfasst werden. Das Laserscanning mobil vom Auto oder stationär vom Boden aus eignet sich besonders gut für Detailaufnahmen einzelner Objekte, beispielsweise von Straßenzügen mit ihren Gebäudefassaden. Dazu werden mehrere Tausend Messpunkte pro Quadratmeter aufgenommen.

Die von uns entwickelte Geoinformatik-Methode zur Analyse von Laserdaten lässt sich verwenden, um das Solarpotenzial von Standorten zu bestimmen. Die neue Methode zeichnet sich insbesondere dadurch aus, dass sie die Nahverschattung von Objekten dreidimensional berücksichtigt. Dies geschieht automatisch unter direkter Verwendung der millionenfach aufgezeichneten Messpunkte. Die Vegetation wird in diesem Prozess speziell behandelt, indem die Durchlässigkeit einzelner detektierter Objekte, beispielsweise von Bäumen, ebenfalls aus den Laserdaten abgeleitet und in die Modellierung eingebracht wird. Ein Laubbaum beispielsweise ist im Winter für Sonnenlicht wesentlich durchlässiger als ein Nadelbaum. Dies muss berücksichtigt werden, will man die Sonneneinstrahlung im Jahresverlauf berechnen. Ein wesentlicher Vorteil unserer Methode ist auch, dass die 3D-Laserpunkte ohne weitere Aufbereitung verwendet werden können: Es ist nicht notwendig, Objektgeometrien zu rekonstruieren, wie es etwa für virtuelle realitätsnahe 3D-Stadtmodelle mit oft erheblichem manuellen Aufwand geschehen muss.

Ein weiterer entscheidender Pluspunkt unseres neuen Verfahrens ist, dass mit ihm die potenzielle solare Einstrahlung für vertikale Strukturen wie Hausfassaden berechnet werden kann. Auch der Einfluss der Verschattung, etwa durch Dachüberhänge, kann in die Berechnung einbezogen werden. Ebenso ist es möglich, das Solarpotenzial von Schallschutzwänden an Autobahnen zu bestimmen. Mit weiteren räumlichen Daten, beispielsweise der Distanz zum Stromnetz für die Einspeisung, lässt sich dann die Tauglichkeit eines Standorts für eine Solaranlage präzise ermitteln.

Unsere neue Technologie ist nicht allein wichtig, um die nachhaltige Stromerzeugung zu verbessern. Sie liefert auch wichtige Eingangsdaten für zahlreiche weitere Fragen – zum Beispiel für eine verbesserte Vorhersage von Immobilienpreisen in Großstädten unter der Annahme, dass eine „sonnige“ Immobile höhere Preise erzielt als eine schattige.

 

Jun.-Prof. Bernhard Höfle  
Foto: Philipp Rothe, Heidelberg

Jun.-Prof. Dr. Bernhard Höfle promovierte im Jahr 2007 an der Universität Innsbruck in Geographie mit den Schwerpunkten Geoinformatik und Physiogeographie. Nach weiteren Forschungsstationen an der TU Wien und der Universität Osnabrück wechselte er im Jahr 2010 als Nachwuchsgruppenleiter an den neu eingerichteten Lehrstuhl für Geoinformatik am Geographischen Institut der Universität Heidelberg. Seit 2011 ist er Juniorprofessor für Geoinformatik und 3D-Geodatenverarbeitung. Die Schwerpunkte in Lehre und Forschung des Hengstberger-Preisträgers 2010 liegen vor allem in der Entwicklung und Anwendung von neuen Methoden zur Erfassung und Analyse von 3D-Geoinformationen für Fragestellungen unter anderem in der Geomorphologie, Glaziologie, Hydrologie, Agrarwissenschaft sowie (Geo)Archäologie.
Kontakt: hoefle@uni-heidelberg.de
Webseite: http://giscience.uni-hd.de

Seitenbearbeiter: E-Mail
Letzte Änderung: 10.04.2012
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