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Editorial

„Industry-on-Campus-Konzepte engen die Freiheit der Forschung nicht ein – sie erweitern den Handlungsradius einer Volluniversität“

Liebe Leserinnen und Leser,

im Rahmen der Exzellenzinitiative hat sich die Universität Heidelberg als Volluniversität definiert. Aufbauend auf einem breiten Spektrum disziplinärer Expertisen haben sich zwischenzeitlich vielfältige interdisziplinäre Forschungskooperationen herausgebildet und während der ersten Förderperiode zu sogenannten Fields of Focus verdichtet. Deren Weiterentwicklung soll nun vorangetrieben werden, über Fächer- und Fakultätsgrenzen hinweg. So weit die strategische Planung. Wie aber kann sich eine Volluniversität in die Gesellschaft aktiv einbringen? Wer sind die adressierten gesellschaftlichen Akteure? Sicher sind die sozialen und politischen Formationen der Zivilgesellschaft wichtige Adressaten. In besonderer Weise sind es aber auch die Innovationstreiber unter den kleinen, mittleren und großen Industrieunternehmen.

Forschungskooperationen der Universität mit Industrieunternehmen gibt es schon seit Jahren. Mit der Entwicklung des „Industry-on-Campus“-Konzepts, kurz IoC, wurde jedoch eine neue Forschungskultur des Austausches zwischen universitären Wissenschaftlern und Industriepartnern entwickelt. Vorreiter waren das im Jahr 2005 eingerichtete „Nikon Imaging Center“ in den Lebenswissenschaften und das schon ein Jahr darauf folgende „Catalysis Research Laboratory“ von Chemikern der Universität und der BASF . Mit dem „Heidelberg Collaboratory for Image Processing“ entstand eine weitere interdisziplinär arbeitende Einrichtung, die es sich zum Ziel gesetzt hat, gemeinsam mit verschiedenen Unternehmen neue Methoden der Bildverarbeitung zu erarbeiten. Weitere Beispiele sind das „Zukunftsfeld Organische Elektronik“, in dem sich bereits das Potenzial einer Wertschöpfungskette abzeichnet. Im „Centre for Advanced Materials“ sollen sich bald Expertisen der Mathematik, Physik und Chemie bündeln, während im „Innovation Lab“ schon heute Wissenschaftler aus Universität und Industrie gemeinsam unter einem Dach forschen (BMBF-Spitzencluster Forum Organische Elektronik).

Gibt es ein einheitliches IoC-Rezept? Nein. Es haben sich vielmehr unterschiedliche Formen der Kooperation entwickelt, abhängig von den Forschungszielen und der Größe und Zahl der Industriepartner. Allen Formen gemeinsam ist der regelmäßige Austausch zwischen den Wissenschaftlern der Universität und den Industriepartnern. Eine wichtige Voraussetzung ist ein beiderseits akzeptables Ausbalancieren der Interessen: Jede neue IoC-Aktivität ist ein individueller Prozess, in dem die erstrebte Win-win-Situation erst definiert und entwickelt werden muss. Dies geht nicht ohne Vertrauen und Verständnis für den jeweiligen Partner.

Wo liegen zukünftige Herausforderungen? Zum einen im Wettbewerb um die nur begrenzt verfügbaren räumlichen Ressourcen. Zum andern in den oft schwierigen Vertragsverhandlungen, die darauf zielen, einen gemeinsamen Weg durch das Dickicht von Publikationsfreiheit und Schutzrechten zu finden. Hierfür hat die Universität bereits ein tragfähiges Konzept entwickelt, welches Grundregeln zum Ausgleich der Interessen vorzeichnet.

Die Chancen einer konsequenten Weiterentwicklung der IoC-Konzeption liegen auf der Hand: Förderung interdisziplinärer Forschungsansätze, Synergien zwischen Grundlagenforschung und Anwendung, verbesserter Technologietransfer und intensive Nachwuchsförderung. Insgesamt erscheint die Universität Heidelberg für neue einschlägige Förderlinien gut aufgestellt. Und last but not least besteht die Chance, dass sich Universitäten in ihren IoC-Aktivitäten auch international vernetzen, um als global agierende Stätten der Grundlagenforschung den oftmals ebenfalls global agierenden industriellen Partnern gegenüberzutreten.

IoC-Aktivitäten engen die universitäre Forschungsfreiheit nicht ein. Das sei hier betont. Im Gegenteil: Das IoC-Konzept eröffnet der Universität zusätzliche Optionen. Es erweitert den Handlungsradius unserer Volluniversität – einer Universität, die es sich vorgenommen hat, sich den großen gesellschaftlichen Herausforderungen zu stellen.

Es grüßt Sie Ihr
Thomas Rausch
Prorektor für Forschung und Struktur

Seitenbearbeiter: E-Mail
Letzte Änderung: 02.04.2012
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