SUCHE
Bereichsbild

Der ganze Shakespeare an einem Abend?

Wer hat Gestaltungsspielräume gewonnen, wer droht zum Verlierer zu werden? Hochschulpolitik nach den Föderalismusreformen
von Frieder Wolf


Bund, Länder und Hochschulen sind nach wie vor die drei Hauptakteure der Hochschulpolitik. Doch im Zuge der Föderalismusreform I wurden die Kompetenzen zwischen Bund und Ländern umverteilt und die bundes- wie landespolitische Hochschulsteuerung parallel dazu in den letzten Jahren weitreichenden Reformen unterzogen. Ihre finanziellen Rahmenbedingungen sind zudem bereits heute von deutlich spürbaren Auswirkungen der Föderalismusreform II geprägt. Wie gestaltet sich nun die neu austarierte hochschulpolitische Dreiecksbeziehung, wer hat welche Gestaltungsspielräume gewonnen, wer droht zum Verlierer dieser Entwicklungen zu werden? Und ist das nunmehr dargebotene Stück eher eine geglückte Love-Story, ein Drama oder eine Farce?

 

Illustration: Jan Neuffer  
Illustration: Jan Neuffer

Im Jahr 2006 wurde mit der Föderalismusreform I die gesamte Rahmengesetzgebung (nach Art. 75 GG) abgeschafft. Die Abwicklung des Hochschulrahmengesetzes (HRG) erwies sich indes als komplexer, zeitaufwändiger und folgenreicher als von den Reformern gedacht. Die großkoalitionäre Bundesregierung plante, das entsprechende Aufhebungsgesetz zum 1. Oktober 2008 in Kraft treten zu lassen, und verabschiedete einen entsprechenden Gesetzentwurf. Nach äußerst kritischen Rückmeldungen in einer auf die erste Lesung des Gesetzentwurfs folgenden Anhörung des Ausschusses für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung im November 2007 hat sie den anvisierten Termin allerdings zunächst auf den 1. April 2009 verschoben, bevor das Verfahren versandete.

Die zweite, nunmehr schwarz-gelbe Regierung Merkel schrieb das Vorhaben zwar in den Koalitionsvertrag, hat seither aber keine parlamentarische Initiative ergriffen. Was folgt daraus aber für die Materien des Hochschulrahmengesetzes?

 

Im Zuge der Föderalismusreform I wurde auch die Gemeinschaftsaufgabe Hochschulbau abgeschafft.  
Im Zuge der Föderalismusreform I wurde auch die Gemeinschaftsaufgabe Hochschulbau abgeschafft. Für die finanzielle Zukunft der Hochschulen, insbesondere in den finanzschwachen Ländern, verheißt dies beträchtliche Unsicherheiten. Der Fotograf Grischa Georgiew hat der Atmosphäre in vernachlässigten öffentlichen Räumen nachgespürt: Auf den folgenden Seiten präsentiert er seine Impressionen, die er in den Hörsälen, Räumen und Eingangsbereichen einer verlassenen Klinik in Beelitz bei Berlin gewonnen und ins Bild gesetzt hat.
Copyright: Grischa Georgiew, Kempen

 

Das entsprechende Bundesrecht (und ebenso die Verpflichtung der Länder, den vom Bund gesetzten Rahmen zu füllen) gilt in Abwesenheit eines Aufhebungsgesetzes nach Art. 125b (1) GG für diejenigen Materien fort, die der Bund auch nach der Föderalismusreform regeln darf. Dies betrifft im hier interessierenden Gebiet die Hochschulzulassung und die Hochschulabschlüsse, für die der Bund gemäß dem ebenfalls im Zuge der Föderalismusreform ins Grundgesetz eingefügten Unterpunkt Nr. 33 zu Artikel 74 (1) die Kompetenz zur konkurrierenden Gesetzgebung hat. Die Länder wiederum können jedoch gemäß Art. 72 (3) Nr. 6 (ebenfalls neu) von den entsprechenden bundesgesetzlichen Regelungen durch eigene Landesgesetze abweichen. Dies gilt seit Ablauf der einschlägigen Frist in Art. 125b (1) GG auch für den Altbestand aus dem HRG. Ausgangssituation und Spielregeln zum HRG-Erbe sind so weit also eindeutig, wenn auch vielleicht nicht ganz einfach zu verstehen.

Wenden wir uns nun einem Beispiel für das sich auf dieser Basis entfaltende Spielgeschehen zu, der Vergabe von Studienplätzen: Schon lange vor der Föderalismusreform war die Zentrale Vergabestelle für Studienplätze (ZVS) weithin übel beleumundet, ihre Abschaffung wurde oftmals gefordert, und die Zahl der von ihr betreuten Studiengänge nahm ab. Doch, oh Wunder: In Abwesenheit zentraler Koordinierung führten die lokalen Ver-gabesysteme der Hochschulen und Anpassungen des Bewerberverhaltens daran – insbesondere bei vergleichsweise aussichtsreichen Bewerbern – zu massiven Ineffizienzen in Bezug auf das Gesamtsystem (in der Form freibleibender oder erst sehr spät durch Nachrücker besetzter Studienplätze) und zu größeren individuellen Härten (in der Form zahlreicherer Ablehnungen und späterer Bescheide). Auf der Basis der nunmehr geltenden Kompetenzordnung konnten Bund, Länder und Hochschulen zunächst vor allem eines tun: politisches Mikado spielen und mit dem Finger auf die jeweils anderen Akteure zeigen, die zuerst in der Pflicht seien.

 

Der ganze Shakespeare an einem Abend?  
Copyright: Gregor Georgiew, Kempen

 

Die zuständige Bundesministerin Annette Schavan, aus ihrer Grundhaltung zur föderalen Arbeitsteilung heraus ohnehin stärker auf ihre forschungspolitischen Kompetenzen fokussiert als bei den bildungspolitischen ambitioniert, beschränkt(e) sich auf eine moderierende Rolle in den Verhandlungen zwischen Landesministern und Hochschulrektoren. Die Länder schlossen schließlich im Jahr 2008 einen Staatsvertrag des Inhalts, im Zusammenwirken mit der Hochschulrektorenkonferenz (HRK) die bisherigen Aufgaben der ZVS und einige weitere Service-Aufgaben einer Stiftung für Hochschulzulassung zu übertragen. Seither wiederholen sich alljährlich große Ankündigungen zur Online-Vergabeplattform (www.hochschulstart.de) und ebenso große Enttäuschungen. Zum durch G8 und Wehrpflichtaussetzung induzierten Massenwintersemester 2011/2012 soll aber selbstverständlich alles tadellos funktionieren.

In der Zwischenzeit üben sich die Universitätsverwaltungen nach dem Motto von „Versuch und Irrtum“ in der möglichst treffgenauen, durchaus riskanten Überzeichnung von Studiengängen. Den Jahresberichten des Rektorats zufolge stieg die entsprechende Quote von 1,47 im Jahr 2007 auf 2,44 im Jahr 2009 an; das heißt, für einen Studienplatz in einem zulassungsbeschränkten Fach wurden durchschnittlich fast zweieinhalb Zulassungen verschickt – Tendenz weiter steigend.

Auch bei den Hochschulabschlüssen hat der Bund seit der Föderalismusreform I keine Initiative ergriffen. Die zu ihrem Zeitpunkt bereits auf Hochtouren lau-fende Umstellung auf die gestuften Studiengänge im Rahmen des Bologna-Prozesses wird durch „ländergemeinsame Strukturvorgaben“ von der KMK gesteuert und schien weitestgehend abgeschlossen. Widerstandsnester verbleiben jedoch vor allem im Bereich der Staatsexamens-Studiengänge, wo einerseits teilweise noch gar nicht umgestellt wurde und andererseits bereits erfolgte Umstellungen rückgängig gemacht wurden wie bei der Lehrerausbildung in Sachsen. Die Juristische Fakultät der Universität Heidelberg wehrt sich wie die allermeisten im Lande besonders gegen den Vorstoß von Justizminister Goll (FDP) und seinem sächsischen Amtskollegen, im Rahmen der Umstellung des Studiengangs das Referendariat abzuschaffen und als Ersatz lediglich ein Jahr Praxis in den MA zu integrieren.

Die meisten Schlagzeilen aber machte Mecklenburg-Vorpommern, das Ende 2010 als erstes Bundesland von der Abweichungsmöglichkeit nach Art. 72 (3) Nr. 6 GG Gebrauch machte und seinen Hochschulen seither die Vergabe des Titels eines Diplom-Ingenieurs wieder erlaubt. Neben den TU9, dem Zusammenschluss der (selbsternannten) führenden Technischen Universitäten Deutschlands, die schon länger für den Erhalt des Diplom-Ingenieurs werben und darauf hoffen, dass sich weitere Bundesländer von einem solchen Schritt einen Wettbewerbsvorteil versprechen dürften, freuten sich auch viele Fachhochschulen (nicht nur in Mecklenburg-Vorpommern): Sie rechnen damit, dass Klagen gegen den als diskriminierend empfundenen Titelzusatz „(FH)“ erfolgreich sind und daher durch die Hintertür der Rückkehr zum alten Titel ein weiterer Schritt nach vorn zur faktischen Gleichstellung mit den Universitäten getan werden könnte.

 

 

Der ganze Shakespeare an einem Abend?  
Copyright: Grischa Georgiew, Kempen

 

Hochschulfinanzen – der lange Schatten des Schicksalsjahres 2019

Ebenfalls abgeschafft wurde im Zuge der Föderalismusreform I die Gemeinschaftsaufgabe Hochschulbau (nach Art. 91a (1) Nr.1 GG alt). Die Fördermittel, die der Bund den Ländern für diese Aufgabe überweist, laufen gemäß den Übergangsbestimmungen des Art. 143c GG erst 2019 aus, allerdings fällt bereits 2014 die sachliche (nicht jedoch die investive) Zweckbindung weg. Im Jahr 2019 läuft außerdem der – die Einbeziehung der neuen Länder in den Finanzausgleich betreffende – Solidarpakt II zwischen Bund und Ländern aus, und das Herzstück der Föderalismusreform II, die Schuldenbremse, greift voll. Für die finanzielle Zukunft der Hochschulen insbesondere in den finanzschwächeren Ländern, welche sich inzwischen selbst fragen dürften, warum sie den Wegfall der Gemeinschaftsaufgabe akzeptiert haben, verheißt dies beträchtliche Unsicherheiten, und für die deutsche Hochschulpolitik auf allen Ebenen intensiven Streit. Das Auslaufen von Hochschulpakt und Exzellenz-initiative in den Jahren 2015 beziehungsweise 2017 wird diese Entwicklung noch verstärken.

Einen Vorgeschmack gaben jüngst die per Interview in der Berliner Morgenpost verkündete Schavan‘sche Idee von Bundeshochschulen und die sehr unterschiedlichen Reaktionen darauf. HU und FU Berlin zeigten sich – angesichts der Haushaltslage des Landes Berlin und hauptstädtischen Standorterwägungen plausiblerweise – aufgeschlossen, eine ungewöhnliche Koalition aus Länder-Südschiene und (partei-)politischer Linker waren dagegen empört. Erstere sieht keinen Anlass, ihre besten Universitäten an den Bund abzugeben, und ist skeptisch, ob Bundes- automatisch Spitzenuniversitäten blieben, Letztere befürchtet die Zementierung einer Zweiklassengesellschaft unter den Hochschulen.

Dass nach der Reform meist vor der Reform ist, zeigen die zahlreichen Rufe danach, die mit der Föderalismusreform I eingeführte Beschränkung der Ermächtigung des Bundes zu investiven Finanzhilfen an die Länder (nach Art. 104 b (1)) auf Materien, für die der Bund auch Gesetzgebungskompetenzen hat, zurückzunehmen. In der Zwischenzeit wird munter getrickst oder neutraler ausgedrückt: kreative Verfassungsexegese betrieben – nicht nur beim Kinderbetreuungsausbaugesetz, wo die Mittel als „zur Förderung des wirtschaftlichen Wachstums erforderlich“ deklariert und die nötige Bundeskompetenz, im Übrigen gegen gängige GG-Kommentare, aus Art. 74 (1) Nr. 7 GG (öffentliche Fürsorge) abgeleitet wurden, sondern auch bei der Rettung des Medizin-Studiengangs in Lübeck vor den Sparmaßnahmen des Landes Schleswig-Holstein. Hier einigte man sich im Kern auf ein Tauschgeschäft, bei dem ein meereswissenschaftliches Forschungsinstitut in Kiel vom Leibniz- zum Helmholtz-Institut wurde, was dank höherer Bundesanteile an dessen Finanzierung das Land entlastete, welches wiederum versprach, die eingesparten Mittel für den Medizinstudiengang in Lübeck zu verwenden.

 

Hochschulfinanzen – der lange Schatten des Schicksalsjahres 2019  Ebenfalls abgeschafft wurde im Zuge der Föderalismusreform I die Gemeinschaftsaufgabe Hochschulbau (nach Art. 91a (1) Nr.1 GG alt). Die Fördermittel, die der Bund den Ländern für diese Aufgabe überweist, laufen gemäß den Übergangsbestimmungen des Art. 143c GG erst 2019 aus, allerdings fällt bereits 2014 die sachliche (nicht jedoch die investive) Zweckbindung weg. Im Jahr 2019 läuft außerdem der – die Einbeziehung der neuen Länder in den Finanzausgleich betreffende – Solidarpakt II zwischen Bund und Ländern aus, und das Herzstück der Föderalismusreform II, die Schuldenbremse, greift voll. Für die finanzielle Zukunft der Hochschulen insbesondere in den finanzschwächeren Ländern, welche sich inzwischen selbst fragen dürften, warum sie den Wegfall der Gemeinschaftsaufgabe akzeptiert haben, verheißt dies beträchtliche Unsicherheiten, und für die deutsche Hochschulpolitik auf allen Ebenen intensiven Streit. Das Auslaufen von Hochschulpakt und Exzellenz-initiative in den Jahren 2015 beziehungsweise 2017 wird diese Entwicklung noch verstärken.  Einen Vorgeschmack gaben jüngst die per Interview in der Berliner Morgenpost verkündete Schavan‘sche Idee von Bundeshochschulen und die sehr unterschiedlichen Reaktionen darauf. HU und FU Berlin zeigten sich – angesichts der Haushaltslage des Landes Berlin und hauptstädtischen Standorterwägungen plausiblerweise – aufgeschlossen, eine ungewöhnliche Koalition aus Länder-Südschiene und (partei-)politischer Linker waren dagegen empört. Erstere sieht keinen Anlass, ihre besten Universitäten an den Bund abzugeben, und ist skeptisch, ob Bundes- automatisch Spitzenuniversitäten blieben, Letztere befürchtet die Zementierung einer Zweiklassengesellschaft unter den Hochschulen.  Dass nach der Reform meist vor der Reform ist, zeigen die zahlreichen Rufe danach, die mit der Föderalismusreform I eingeführte Beschränkung der Ermächtigung des Bundes zu investiven Finanzhilfen an die Länder (nach Art. 104 b (1)) auf Materien, für die der Bund auch Gesetzgebungskompetenzen hat, zurückzunehmen. In der Zwischenzeit wird munter getrickst oder neutraler ausgedrückt: kreative Verfassungsexegese betrieben – nicht nur beim Kinderbetreuungsausbaugesetz, wo die Mittel als „zur Förderung des wirtschaftlichen Wachstums erforderlich“ deklariert und die nötige Bundeskompetenz, im Übrigen gegen gängige GG-Kommentare, aus Art. 74 (1) Nr. 7 GG (öffentliche Fürsorge) abgeleitet wurden, sondern auch bei der Rettung des Medizin-Studiengangs in Lübeck vor den Sparmaßnahmen des Landes Schleswig-Holstein. Hier einigte man sich im Kern auf ein Tauschgeschäft, bei dem ein meereswissenschaftliches Forschungsinstitut in Kiel vom Leibniz- zum Helmholtz-Institut wurde, was dank höherer Bundesanteile an dessen Finanzierung das Land entlastete, welches wiederum versprach, die eingesparten Mittel für den Medizinstudiengang in Lübeck zu verwenden.  
Copyright: Grischa Georgiew, Kempen

 

Eine Ménage à quatre? Die wachsende Bedeutung privater Akteure

Schon vor den Föderalismusreformen hatte die Bedeutung privater Akteure in der Hochschulpolitik zugenommen. Die Reformen katalysieren diese Entwicklung zusätzlich, unter anderem indem sie den Wettbewerb zwischen den Bundesländern und Hochschulen intensivieren und Letztere (zumindest implizit, immer wieder aber auch explizit) stärker auf private Finanzquellen verweisen.

Die Zahl der Stiftungsprofessuren an deutschen Hochschulen ist in den vergangenen Jahren rasch auf 660 angestiegen, und bei über 80 Stiftungen ist die Finanzierung von Stiftungslehrstühlen in der Satzung als Zweck festgeschrieben. Auch spektakuläre Einzelzuwendungen nehmen in der jüngeren Vergangenheit zu.

An der Universität Heidelberg machen private Zuwendungen mittlerweile 25 Prozent der Drittmitteleinnahmen aus. Diese zusätzlichen privaten Mittel erweitern zunächst ohne Zweifel den Möglichkeitsraum des Hochschulmanagements. Schließlich können mit ihnen Vorhaben in Forschung und zuweilen auch Lehre realisiert werden, die sonst undenkbar wären. Es kann sich aber im Gegenzug immer weniger alleine auf die öffentlichen Nachfrager hochschulischer Leistungen konzentrieren, und es muss zudem auch Letztere immer stärker umwerben, da auch sie zunehmend auf Wettbewerbselemente setzen.

Eines der Instrumente, das mit Blick auf öffentliche wie private Geldgeber in Heidelberg schon vergleichsweise früh (weiter-)entwickelt worden ist, ist die univer-sitäre Leistungsrechnung. Diese zu verbessern, hatte bereits im Kontext der ersten Ausschreibungsrunde der Exzellenzinitiative der Vorsitzende des Heidelberger Universitätsrats im Rahmen einer HRK-Diskussionsrunde zum Thema Hochschulfinanzierung als Investition „aus der Sicht […] eines Investors, der in einer globalen Marktwirtschaft ziemlich hohe Freiräume hat, sein Geld dort anzulegen, wo es ihm die höchste Rendite bringt“, gefordert.

 

Eine Ménage à quatre? Die wachsende Bedeutung privater Akteure  Schon vor den Föderalismusreformen hatte die Bedeutung privater Akteure in der Hochschulpolitik zugenommen. Die Reformen katalysieren diese Entwicklung zusätzlich, unter anderem indem sie den Wettbewerb zwischen den Bundesländern und Hochschulen intensivieren und Letztere (zumindest implizit, immer wieder aber auch explizit) stärker auf private Finanzquellen verweisen.  Die Zahl der Stiftungsprofessuren an deutschen Hochschulen ist in den vergangenen Jahren rasch auf 660 angestiegen, und bei über 80 Stiftungen ist die Finanzierung von Stiftungslehrstühlen in der Satzung als Zweck festgeschrieben. Auch spektakuläre Einzelzuwendungen nehmen in der jüngeren Vergangenheit zu.  An der Universität Heidelberg machen private Zuwendungen mittlerweile 25 Prozent der Drittmitteleinnahmen aus. Diese zusätzlichen privaten Mittel erweitern zunächst ohne Zweifel den Möglichkeitsraum des Hochschulmanagements. Schließlich können mit ihnen Vorhaben in Forschung und zuweilen auch Lehre realisiert werden, die sonst undenkbar wären. Es kann sich aber im Gegenzug immer weniger alleine auf die öffentlichen Nachfrager hochschulischer Leistungen konzentrieren, und es muss zudem auch Letztere immer stärker umwerben, da auch sie zunehmend auf Wettbewerbselemente setzen.   Eines der Instrumente, das mit Blick auf öffentliche wie private Geldgeber in Heidelberg schon vergleichsweise früh (weiter-)entwickelt worden ist, ist die univer-sitäre Leistungsrechnung. Diese zu verbessern, hatte bereits im Kontext der ersten Ausschreibungsrunde der Exzellenzinitiative der Vorsitzende des Heidelberger Universitätsrats im Rahmen einer HRK-Diskussionsrunde zum Thema Hochschulfinanzierung als Investition „aus der Sicht […] eines Investors, der in einer globalen Marktwirtschaft ziemlich hohe Freiräume hat, sein Geld dort anzulegen, wo es ihm die höchste Rendite bringt“, gefordert.  
Copyright: Grischa Georgiew, Kempen

 

Schon auf der öffentlichen Finanzierungsseite nimmt im Übrigen der für befristete Sondervorhaben vorgesehene Anteil zu, während die Finanzierung des Alltags- und Kerngeschäfts inklusive der Verstetigung der genannten Sondervorhaben den Hochschulleitungen zunehmend schwerer fällt. Auf der privaten Finanzierungsseite ist diese Asymmetrie noch größer, fließen etwa die Mittel für Stiftungslehrstühle doch meist nur für einige Jahre. Auch stellen sich bei der an Stifterwünschen ausgerichteten Benennung und Gestaltung von Lehrstühlen, Räumen, Instituten oder Kliniken zunehmend Fragen des Stils und der akademischen Eigenwürde. 

Eine attraktive private Finanzierungsquelle gerade für zuvor vergleichsweise schlecht ausgestattete Fach-bereiche mit ungünstigen Betreuungsrelationen waren in den letzten Jahren in zeitweise sieben Bundesländern die Studiengebühren. Ohne Zweifel üb(t)en diese einen problematischen Abschreckungseffekt auf manche Schulabgänger aus, insbesondere unter denjenigen mit der hochschulischen Bildung eher fern stehenden Elternhäusern. In der gegenwärtigen Diskussion im Umfeld der Landtagswahl in Baden-Württemberg sollten aber einige Proportionen nicht aus den Augen verloren werden: Auch zum Zeitpunkt ihrer größten Ausdehnung haben die Studiengebühren in Deutschland nur knapp 800 Millionen Euro im Jahr (oder rund 0,035 Prozent des Bruttoinlandsprodukts) und damit ein knappes Viertel der privaten Ausgaben für hochschulische Bildung ausgemacht. Im internationalen Vergleich der gesamtvolkswirtschaftlichen Hochschulausgaben schaffte es Deutschland (mit nun rund 1,15 Prozent des BIP) damit allenfalls von einem Abstiegs- auf einen Relegationsplatz – man distanzierte Griechenland und überholte die Tschechische Republik. Um es in die Nähe der UEFA-Cup-Ränge zu schaffen, müssten öffentliche und/oder private Finanziers ihr Engagement in ganz andere Dimensionen ausdehnen.

Werfen wir schließlich noch einen Blick auf die Besetzung der privaten Seite der Universitätsräte – oder Aufsichtsräte der Universitäten – in Baden-Württemberg, wo diese Gremien ja im Bundesländervergleich mit besonders weitreichenden Kompetenzen ausge-stattet sind: Darin waren beziehungsweise sind unter anderem die CEOs von Daimler, Carl Zeiss, Ratiopharm und der Pflanzensparte der BASF, hochrangige Angestellte von Bosch und Siemens, der Gründer des Europaparks, der Generalsekretär der Volkswagen-Stiftung, die Erben der Autobauerfamilien Karmann und Quandt sowie der Gründer von MLP vertreten. Man wird davon ausgehen dürfen, dass zum einen diese Besetzungen nicht völlig unabhängig von früheren und/oder für die Zukunft erwarteten Zuwendungen erfolgt sind und dass zum anderen die – landeshochschulrechtlich verankerte – vorrangige Mitwirkung dieses Personenkreises an der Wahl der Vorstandsmitglieder (vulgo des Rektors, der Prorektoren und des Kanzlers; § 20 (1) Nr. 1 LHG) und der Definition hochschulischer Ziele und Strategien (§ 20 (1) Nr. 3 LHG) bis hin zur Denomination von Lehrstühlen (§ 20 (1) Nr. 11 LHG) zumindest zuweilen zu anders akzentuierten Entscheidungen führen dürfte, als sie aus der althergebrachten akademischen Selbstverwaltung hervorgegangen wären. – There’s no such thing as a free lunch, wie der Politologe zu sagen pflegt.

Ist das Stück, das in der Hochschulpolitik nach den Föderalismusreformen von den drei Hauptdarstellern Bund, Länder und Hochschulen und den immer wichtiger werdenden privaten Nebendarstellern gegeben wird, nun also eher eine geglückte Love-Story, ein Drama oder eine Farce? Ein bisschen erinnert es an die populären Inszenierungen vom Schlage „Der ganze Shakespeare an einem Abend“: Von allem ist etwas dabei, und mit etwas Galgenhumor sind die Tragödien am lustigsten.

Nur eines ist sicher: Fortsetzung folgt.

 

Dr. Frieder Wolf  
Foto: Friederike Hentschel

Dr. Frieder Wolf ist akademischer Mitarbeiter und Habilitand am Institut für Politische Wissenschaft der Universität Heidelberg, wo er im Jahr 2006 mit einer Arbeit über die Bildungsausgaben der Bundesländer promoviert wurde. Sein derzeitiger Forschungsschwerpunkt ist die Arbeitsteilung zwischen Staat und privatem Sektor bei Problemen der Gewalt, Armut und Ignoranz im Industrieländervergleich. Als Mitglied des Kuratoriums der Graduiertenakademie und Autor eines „Promotionsratgebers Politikwissenschaft“ liegen ihm Belange des wissenschaftlichen Nachwuchses besonders am Herzen.

Kontakt: wolf@uni-hd.de

Seitenbearbeiter: E-Mail
Letzte Änderung: 23.09.2011
zum Seitenanfang/up