SUCHE
Bereichsbild

Editorial

„Derart komplexe Herausforderungen können nur im Zusammenwirken verschiedenster Disziplinen angegangen werden.“


Liebe Leserinnen, liebe Leser,

die Universität schreitet fort auf dem in der Exzellenzinitiative eingeschlagenen Weg, disziplinäre Stärken immer weiter zu verschränken. Interdisziplinarität ist dabei kein Schlagwort. Wir wollen die Fachkompetenzen stärken und zugleich die Voraussetzungen dafür schaffen, dass sich Forschungs- und Lehrverbünde bilden, die komplexe Fragen dort angehen können, wo die monodisziplinäre Forschung an ihre Grenzen stößt.

In den letzten Jahren wurden daher neue Zentren geschaffen und weiter ausgebaut, die themenbezogen verschiedene Kompetenzen bündeln. Beispiele sind das Heidelberg Center for American Studies (HCA), das Centrum für Soziale Investitionen und Innovationen (CSI), das Heidelberger Zentrum für Organismische Studien (COS) oder das Forschungszentrum für Internationale und Interdisziplinäre Theologie (FIIT). Mit den Industry on Campus-Projekten Heidelberg Collaboration for Image Processing (HCI) und dem Katalyse-Forschungslabor (CaRLa) wurden seit dem Jahr 2006 wegweisende Schritte unternommen, um die technologienahe Grundlagenforschung zu stärken .Diese Entwicklung geht weiter. Die Elektronenmikroskopie Core Facility (EMCF) wird insbesondere den Lebenswissenschaften neue Horizonte erschließen und noch in diesem Jahr in Betrieb gehen. Wir sind voller Hoffnung, dass – nachdem wir die ersten gutachterlichen Hürden genommen haben – unser Antrag auf Bau eines Materialzentrums (CAM), das Chemie und Physik mit dem Spitzencluster Organische Elektronik verknüpfen soll, abschließend positiv beschieden werden wird. Der Senat hat beschlossen, ein Centrum für Transkulturelle Studien (CTS) aufzubauen, das neue Akzente geistes- und sozialwissenschaftlicher Forschung und Lehre weiter entwickeln wird. Aus dem Marsilius Kolleg heraus hat sich die Idee eines Heidelberger Umweltzentrums (Heidelberg Centre for the Environment, HCE) konkretisiert, das im Sommer gegründet werden wird.

Am Beispiel dieses Umweltzentrums wird das Konzept besonders deutlich. Das HCE verbindet naturwissenschaftliche Kompetenzen aus Geographie, Geowissenschaften, Biodiversitätsforschung und Umweltphysik mit Geistes- und Sozialwissenschaften wie Umweltökonomie, Umweltrecht, Umweltpsychologie, Archäologie und dem Wissenschaftlichem Rechnen.

Das ist erforderlich, weil unsere physische und soziale Umwelt Veränderungen von hohem Komplexitätsgrad erfahren hat. Beide  entwickeln sich gemäß der ihnen inhärenten Gesetzmäßigkeiten. Diese sind, so scheint es, zwar in beiden Umwelten verschieden, lassen aber eine hochkomplexe Wechselwirkung zu. Die Interaktion zwischen ihnen, die in den vergangenen Jahrzehnten auf globaler Skala stark zunahm, wird in den kommenden Jahrzehnten noch intensiver werden: Rilkes Magier blinzelt uns zu.

Dadurch entsteht etwas Neues. Keine Wissenschaftskultur für sich, geschweige denn eine einzelne Disziplin, wird auch nur annähernd in der Lage sein, dieses Neue in hinreichender Tiefe zu verstehen. Und genau das ist die Herausforderung: Wir müssen verstehen, unser Raumschiff Erde zu steuern, begrenzte und zunehmend gefährdete Ressourcen wie Böden, Trinkwasser, Nahrungsmittel nachhaltig zu nutzen und unter einer wachsenden Bevölkerung gerechter zu verteilen, wir müssen begreifen, wie Mensch und Gesellschaft oder ganze Landschaftsökosysteme unter dem ständigen Wandel adaptieren und wir müssen verstehen, diese Übergangsprozesse möglichst konfliktfrei zu gestalten.

Derart komplexe Herausforderungen können nur im Zusammenwirken verschiedenster Disziplinen angegangen werden. Dabei genügt es nicht, Forschungsergebnisse auf Tagungen oder via Internet auszutauschen und zu diskutieren. Es zeigt sich gerade in Heidelberg immer wieder, dass die Wissenschaftler und die Studierenden möglichst eng zusammen arbeiten wollen, face-to-face: hier liegt das große Potential unserer modernen Volluniversität. Wir werden neue Formen und Ansätze brauchen, dieses Potential auszuschöpfen. Die neuen Ansätze müssen über die bloße interdisziplinäre Kommunikation hinausgehen, und sie müssen neben dem Aneinanderreihen von Mosaiksteinchen auch das große Bild erkennen lassen. Sie müssen letztlich zu einem Verständnis führen, das auch außerhalb der Universität vermittelt werden kann und fasziniert.

Auf diesem Weg in die Zukunft, liebe Leserinnen und Leser, werden wir auch Ihre Ideen und Ihre Unterstützung benötigen.

Im Vertrauen darauf grüße ich Sie herzlich
Ihr

Prof. Dr. Bernhard Eitel
Rektor

Seitenbearbeiter: E-Mail
Letzte Änderung: 16.05.2011
zum Seitenanfang/up