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Editorial

„Bottom up oder top down? Die Selbstorganisation ist ein Schlüsselelement dynamischer Forschung.“

Liebe Leserinnen, liebe Leser,

schon lange vor Beginn der Exzellenzinitiative bildeten die Lebenswissenschaften in Heidelberg einen international sichtbaren, herausragenden Forschungsschwerpunkt. Dieser profitierte von der räumlichen Nähe inner- und außeruniversitärer Forschungseinrichtungen am Standort. Über die Jahre entstand ein Netzwerk von fruchtbaren Kooperationen, angetrieben vom wissenschaftlichen Interesse einzelner Forschungsgruppen und begründet auf gemeinsamen Forschungsthemen oder auch der Nutzung kostspieliger Infrastruktur. Häufig wussten aber diese Kooperationen nicht oder zu wenig voneinander, sodass wertvolles Synergiepotenzial nicht erschlossen wurde.

Der Ansatz, über eine bessere Koordination der den gesamten Standort umfassenden Matrixstruktur (Heidelberg Molecular Life Sciences, HMLS) diese möglichen Synergien zu realisieren, zielte darauf ab, die vielfältigen bereits existenten bottom up-Initiativen durch eine nicht einschränkende top down-Beratungs- und Kommunikationsplattform zu ergänzen. Hierfür wurde im Rahmen des Zukunftskonzepts der Universität Heidelberg der „HMLS Research Council“ (RC) als neues Kommunikations- und Beratungsgremium geschaffen. Ambitioniertes Ziel war die Einrichtung einer „leichten“ Kommunikationsstruktur, die den wissenschaftlichen Austausch zwischen inner- und außeruniversitären Forschungseinrichtungen auf breitester Ebene stimulieren sollte. Der RC sollte dabei auch strategische Entwicklungen anstoßen und begleiten.

So einsichtig es zunächst erscheinen mag, dass sich ein solches von Vertretern universitärer und außeruniversitärer Forschungseinrichtungen gebildetes Kollegium zu einer wirksamen Kommunikationsplattform entwickeln kann, so komplex ist seine praktische Realisierung. Die bei Einrichtung des RC zu beantwortenden Fragen waren vielfältig. Wie sollten die Vertreter der unterschiedlichen Einrichtungen für ihre Funktion legitimiert sein? Wie war zu gewährleisten, dass der RC die HMLS-Matrixstruktur möglichst repräsentativ abbildet? Wie sollten die Kommunikationswege zwischen den Mitgliedern des RC und den Leitungsstrukturen ihrer jeweiligen Einrichtungen gestaltet sein? Und ganz zentral: Welche Funktion(en) sollte der RC neben der einer Kommunika-tionsplattform ausüben? Sollte der RC sich auch zu einem Beratungsorgan für die Leitungsstrukturen der beteiligten Partner entwickeln? Auf dem Weg, diese Fragen zu beantworten, konnten in den vergangenen drei Jahren wertvolle Erfahrungen gewonnen werden. Der Prozess indes ist  sicherlich noch nicht abgeschlossen.

In den HMLS Research Council entsenden die beteiligten Forschungseinrichtungen jeweils zwei Vertreter, die entweder gewählt oder vom jeweiligen Leitungsgremium ernannt werden. Damit wurde ein effizientes Gremium geschaffen, welches innerhalb kurzer Zeit die Kommunika-tion zwischen den beteiligten Einrichtungen deutlich verbesserte. Zentrale Herausforderung bleibt, wie eine breite Vertretung der unterschiedlichen Interessen bei einem derart kompakten Gremium gewährleistet werden kann, für die Mitglieder des RC eine schwierige aber lösbare Aufgabe. Da der RC dank der Exzellenzinitiative auch über eigene Mittel verfügt, kann er strategische Entwicklungen durch konkrete Maßnahmen direkt anstoßen und beratend begleiten. Ein Schwerpunkt war hier beispielsweise die Einrichtung und der Ausbau zentraler Technologieplattformen (sogenannter core facilities) und ihre Nachhaltigstellung. Aber auch zu Fragen universitärer governance-Strukturen, beispielsweise die Transformation der Biowissenschaften in eine Zentren-Fakultät, war der RC in seiner Beratungsfunktion gefragt. Inzwischen hat sich der RC als zentrales Gremium der HMLS erfolgreich etabliert und wird vom Rektorat der Universität zunehmend in seiner Beratungsfunktion nachgefragt.

Kann nun das HMLS-Konzept mit seinem RC auf andere Forschungsbereiche der Universität übertragen werden? Offenkundig kann hier keine 1:1-Übertragung gelingen. Es wurden jedoch wertvolle Erfahrungen gesammelt, die für die Selbstorganisation komplexer Strukturen wichtige Impulse geben. Zentrale Herausforderung wird immer sein, die Balance zu finden zwischen berechtigten Partikularinteressen und dem Synergiegewinn durch die Fokussierung auf gemeinsame Entwicklungsstrategien. Ein RC wird nicht die wertvolle Außenperspektive externer Beiträte ersetzen können. Er kann aber perspektivisch integrierend wirken und wichtige Strategieimpulse geben. So könnten die RCs der verschiedenen großen Forschungsbereiche einer Volluniversität ihre Expertise in eine gemeinsame Strategiekommission einmünden lassen. Noch ein Traum oder ein möglicher Weg?

Ihr
Thomas Rausch
Prorektor für Forschung und Struktur

Seitenbearbeiter: E-Mail
Letzte Änderung: 27.12.2010
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