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Editorial

„Nichts ist so zukunftsträchtig  wie die forschungsorientierte Lehre.“

Liebe Leserinnen, liebe Leser,

zu den Stereotypen der aktuellen Hochschuldebatten gehört der Versuch interessierter Kreise, Forschung und Lehre gegeneinander auszuspielen. Die seltsame Koalition, die einem solchen Gegensatz das Wort reden möchte, umfasst zunächst diejenigen, denen die in der Forschung offen zutage tretenden Qualitätsunterschiede zwischen Universitäten, Fakultäten und auch zwischen Professoren als Verletzung des geheiligten Gleichheitsdogmas erscheinen.

Zu ihnen gesellen sich Protagonisten des ökonomisch oder „gesellschaftlich“ definierten Tagesnutzens, die Hochschulen allein als Durchlauferhitzer zwischen Schule und Arbeitsmarkt sehen und denen deshalb alles, was nicht unmittelbar zur Lehre beiträgt, verdächtig scheint. Viele von ihnen einigt auch die Einschätzung, Forschungsfreiheit von Wissenschaftlern sei eine Art Standesprivileg, das dazu diene, lästige Anforderungen der Allgemeinheit abzuwehren und die eigene Bequemlichkeit zu rechtfertigen.

Die Zeichen der Zeit sind indes andere: Universi­täten bereiten ihre Absolventen auf eine unbekannte Zukunft vor. Die einzig denkbare Vorbereitung auf das Unbekannte ist der frühzeitige Umgang mit dem noch Unbekannten. Deshalb ist nichts so zukunftsträchtig wie eine forschungsorientierte Lehre. Es wundert deshalb nicht, wenn Absolventenuntersuchungen gerade bei den Lern- und Arbeitseigenschaften einen weitaus größeren Erfolg der forschungsorientierten Lehre belegen.

Vollends wird das Zerrbild vom Gegensatz zwischen Forschung und Lehre durch einen Blick auf die Wirklichkeit entlarvt: Dort wo aktive, erfolgreiche Forschung betrieben wird, herrscht nach aller Erfahrung auch in der Lehre Hochbetrieb. Für Geräte in den Natur- und Lebenswissenschaften wie für Bücher in den Geistes-, Sozial- und Rechtswissenschaften gilt gleichermaßen: Eine vollständige Trennung in der Nutzung ist praktisch weithin unmöglich. Was die Forschung verbessert, kommt auch der Lehre zugute.

Das gilt namentlich auch für die von vielen Draht­­ziehern des sogenannten Bildungsstreiks gerne attackierte Exzellenzinitiative: Sie hat eine Fülle neuer Wissenschaftler nach Heidelberg gebracht, deren Tätigkeit natürlich auch der Lehre zugute kommt. Die vielfältigen Projekte, die an einer forschungsintensiven Universität wie Heidelberg betrieben werden, eröffnen ungeheure Chancen zur Mitwirkung, bereits für Studierende. Sie zeigen weitreichende Perspektiven für die Zeit nach dem Studium auf, was nicht nur als Chance nach dem Studium, sondern auch als Motivation bereits während des Studiums wirkt. Und schließlich: Wer in der Forschung erfolgreich ist, weiß nicht nur mehr und kann dementsprechend mehr an die Studierenden weitergeben, sondern wird auch als besserer Motivator wirken, wenn es darum geht, dass Studierende selbst unbekannte Fragen anpacken.

Forschungsorientierte Lehre besteht aus verschie­denen Bausteinen, und alle sind wichtig: Sie muss forschungsunterlegt in dem Sinne sein, dass die Lehrenden auf ihrem Lehrgebiet auch selbst geforscht haben und forschen. Sie muss forschungsgeleitet sein und deshalb die Themen behandeln, die auch in der Forschung im Blickpunkt stehen. Und sie muss Forschung selbst als Lehrmittel einsetzen, um Studierende ihrem Ausbildungsstand gemäß in Forschungsprojekte einzubinden.

Zentrale Elemente der Qualitätssicherung in der Lehre bestehen deshalb an einer Universität wie Heidelberg darin, hervorragende Forscher für die Universität zu gewinnen und selbst hervorragende Forscher aus­zubilden und heranreifen zu lassen.

Ihr
Thomas Pfeiffer
Prorektor
Seitenbearbeiter: E-Mail
Letzte Änderung: 08.10.2009
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