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Friedrich der Große und der Klimawandel

Pressemitteilung Nr. 158/2014
20. August 2014
Interdisziplinäre Forschergruppe untersucht die Verflechtung von Klima und Kultur in Hungerkrisen der Vergangenheit
Friedrich der II.

Foto: Public Domain

Friedrich der Große

Extreme Klimaereignisse wurden in der Vergangenheit nicht nur erlitten, sondern auch genutzt – etwa von Friedrich dem Großen. Der preußische König instrumentalisierte in den 1770er Jahren die Extremwetterlagen der „Kleinen Eiszeit“, um Territorium zu akquirieren. Das zeigt eine umwelthistorische Studie von Wissenschaftlern am Heidelberg Center for the Environment (HCE), die die Verflechtung und das Ineinandergreifen von Umwelt und Gesellschaft anhand historischer Klimaextreme untersuchen. Am Beispiel der ersten Teilung Polens im Jahr 1772 legt die interdisziplinäre Forschergruppe dar, wie ein zentrales Ereignis der europäischen Geschichte und eine mehrjährige wetterbedingte Hungersnot sich gegenseitig beeinflussten.

„Die extremen Niederschläge und Kältephasen der Jahre 1770 bis 1772 gehörten zu den schwersten Witterungsanomalien im Rahmen der Klimaveränderungen der ‚Kleinen Eiszeit‘ und verursachten dramatische Missernten. Ihre Rekonstruktion ermöglicht es uns zu zeigen, wie sehr die Konfliktparteien Hunger und Wetter ausnutzten, um eigene Interessen durchzusetzen“, erklärt der Historiker Dr. Dominik Collet, der die Nachwuchsforschergruppe „Umwelt und Gesellschaft. Handeln in Hungerkrisen der Frühen Neuzeit“ leitet. Friedrich der Große ließ in Polen nach Angaben Collets während der Hungerkrise Getreide beschlagnahmen. Das Korn diente ihm als militärisches Druckmittel, um die Annexion Westpreußens durchzusetzen. „In der Heimat nutzte er die Vorräte, um sich als ‚Brotvater‘ zu inszenieren und – gemeinsam mit seinen Untertanen – lokale Obrigkeiten und Verwaltungen zu entmachten. Besonders problematisch erscheint in diesem Zusammenhang Friedrichs gezielte Diffamierung von ‚Kornjuden‘ und vermeintlichen Wucherern als Sündenböcke“, erläutert Dominik Collet.

Im Zentrum des Forschungsprojekts stehen frühneuzeitliche Nahrungskrisen, anhand derer die Wissenschaftler analysieren, wie historische Gesellschaften extremen Klimaereignissen begegneten. Mit dem globalen Klimawandel sind diese Hungersnöte der Vergangenheit auch wieder zu einer Gegenwartsfrage geworden. Das interdisziplinäre Team setzt sich aus Forscherinnen und Forschern der Geschichtswissenschaft, der Paläoklimatologie sowie der Ethnologie zusammen. „Bisher beschränkt sich die Klimaforschung auf Rekonstruktionen des Klimas vergangener Jahrhunderte, ohne ihre gesellschaftlichen Auswirkungen zu untersuchen, während die Geschichtswissenschaft sich auf den Menschen konzentriert und naturale Einflüsse nur am Rande wahrnimmt. Um erklären zu können, wie frühere Gesellschaften mit dem Klimawandel umgegangen sind, müssen Klimatologen und Historiker aber zusammenarbeiten“, erklärt Dominik Collet. Seine Forschergruppe am Heidelberg Center for the Environment, in dem Umweltforscher der Ruperto Carola interdisziplinär zusammenarbeiten, will dieses Nebeneinander überwinden.

Für ihre Forschungen führt die Gruppe Archive der Natur (Baumringe, Seesedimente, Eisbohrkerne) mit Archiven der Gesellschaft (Wettertagebücher, Egodokumente, Verwaltungs- und Gerichtsakten) zusammen. Anhand von kleinräumigen, hochauflösenden Fallstudien beleuchten die Forscherinnen und Forscher die Verflechtungen von Mensch und Umwelt.

Literaturhinweis:
Dominik Collet: Hungern und Herrschen. Umweltgeschichtliche Verflechtungen der Ersten Teilung Polens und der europäischen Hungerkrise 1770-72. In: Jahrbücher für Geschichte Osteuropas 62.2 (2014), S. 237-254.

Seitenbearbeiter: E-Mail
Letzte Änderung: 20.08.2014
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