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Herrin über das Chaos der Teilchen

Beim LHCb-Experiment am CERN sucht Stephanie Hansmann-Menzemer nach Phänomenen, die sich mit den gängigen Modellen der Physik nicht mehr erklären lassen.

Nach einer billionstel Sekunde und sieben Millimetern ist der Spuk vorbei. Länger halten sich die von ihr beobachteten Teilchen nicht, die am Large Hadron Collider (LHC), dem Teilchenbeschleuniger des Europäischen Kernforschungszentrums CERN in Genf, durch die Kollision zweier Protonen entstehen. Dann zerfallen sie, und Stephanie Hansmann-Menzemer versucht Herrin über das Chaos zu bleiben. Sie rekonstruiert die Bahnen der Teilchen und sucht Erklärungen dafür, was genau sich abgespielt hat.

Stephanie Hansmann-Menzemer
Prof. Dr. Stephanie Hansmann-Menzemer

Die Heidelberger Teilchenphysikerin interessiert sich vor allem für neutrale B-Mesonen, auch Beauty-Hadronen genannt. Die verändern zwischen ihrer Produktion und ihrem Zerfall ständig ihr Gesicht. Zwar lässt sich messen, welches Teilchen sie zum Zeitpunkt ihres Zerfalls sind, und auch in zwei aus drei Fällen darauf schließen, was für ein Teilchen bei der ursprünglichen Kollision entstanden war. In der Zeit dazwischen – während der sogenannten Quark-Mischung – passieren jedoch merkwürdige Dinge: Teilchen verwandeln sich in ihre Antiteilchen und zurück, sogar der Grundsatz der Energieerhaltung kann kurzzeitig verletzt werden. So kann es sein, dass in der Teilchen-Antiteilchen-Oszillation kurzzeitig Teilchen entstehen, die wesentlich schwerer sind, als es die Energie der B-Mesonen eigentlich zulassen würde – eines davon ist als Top-Quark bekannt. Es kann nur indirekt nachgewiesen werden: über seinen Einfluss auf die Oszillation, die Hansmann- Menzemer nun noch genauer vermessen will. Sie hofft, so Hinweise auf Teilchen zu bekommen, die schwerer sind als die Energie der beiden aufeinanderprallenden Protonen.

Obwohl die Beauty-Hadronen nur so unbegreifbar kurz vorhanden sind, haben sie Einfluss auf beobachtbare Prozesse. Ihre Oszillation, also ihre ständige Veränderung während der Quark-Mischung, zu deren Verständnis Stephanie Hansmann-Menzemer entscheidende Beiträge lieferte, könnte dafür sorgen, dass sich Teilchen und Antiteilchen, die eigentlich komplett symmetrisch sein sollten, beim Zerfall minimal unterschiedlich verhalten. Dann entsteht mehr Materie als Antimaterie.

Diese Asymmetrie vermisst Hansmann-Menzemer mit ihrer Arbeitsgruppe. Sie will wissen, ob während der Mischungsphase auch solche Asymmetrien auftreten, die größer sind, als im sogenannten Standardmodell der Teilchenphysik vorhergesagt – dann hätte Hansmann-Menzemer, was sie sucht: einen entscheidenden Hinweis auf das, was als „Neue Physik“ bezeichnet wird. Damit könnten Theoretiker womöglich sogar erklären, warum wir heute in einer Welt aus Materie leben, während alle Antimaterie aus dem Universum verschwunden ist.

„Neue Physik“ meint Phänomene, die sich durch das Standardmodell nicht erklären lassen – seit 40 Jahren werden sie systematisch gesucht. Wahlweise ist dann von Higgs-Bosonen und Dunkler Materie oder von Gottesteilchen die Rede. Vielleicht, so die Vermutung, treten solche Phänomene erst bei extrem hohen Energien auf – so wie Newtons Gesetze nur die Mechanik für kleine Geschwindigkeiten sauber beschreiben und bei Geschwindigkeiten nahe der Lichtgeschwindigkeit die Einsteinsche Relativitätstheorie benötigt wird.

Noch aber wurde keine Asymmetrie gefunden, die groß genug ist, um das bisherige Standardmodell über Bord zu werfen. Sollten Hansmann-Menzemer und ihre Kollegen in Genf Hinweise auf „Neue Physik“ finden, dann wird das entweder die großen vereinheitlichenden Theorien bestätigen, in denen von so komplizierten Dingen die Rede ist wie von Strings und von Supersymmetrie-Teilchen. Oder aber Hansmann- Menzemer sorgt dafür, dass die Theoretiker zurück an die Werkbank müssen, neue Modelle ersinnen.

„Enttäuschend wäre nur, wenn wir gar keine neuen Teilchen oder Phänomene finden“, sagt sie, „denn dann stünde irgendwann unsere ganze Disziplin infrage“.

Das aber sei unwahrscheinlich, sagen die Forscher vom CERN. Schon bei ihrer letzten gemeinsamen Winterkonferenz hatten die meisten Arbeitsgruppen ihre Routine an Beschleunigern und Detektoren so eingespielt, dass alle bisherigen teilchenphysikalischen Erkenntnisse reproduziert werden konnten. Seither stoßen die Forscher auf unbekanntes Terrain vor. „Inzwischen haben wir für B-Mesonen bereits zehnfach mehr Daten aufgenommen als je zuvor, und jetzt geht es erst richtig los“, sagt Hansmann-Menzemer. Die Energie, mit der im LHC Protonen aufeinandertreffen, liegt bei rund 14 Teraelektronenvolt, mehr als sieben Mal so hoch wie am Tevatron im US-Staat Illinois, dem bis dahin leistungsfähigsten Beschleuniger weltweit.

Hansmann-Menzemer leitet eine Nachwuchsgruppe am Physikalischen Institut in Heidelberg, finanziert durch mehr als eine Million Euro aus einem Topf des europäischen Forschungsrates (ERC). Der soll herausragende junge Wissenschaftler bei Risikoforschung unterstützen. Als sich die heute 36 Jahre alte Karlsruherin nach Auslandsaufenthalten am Massachusetts Institute of Technology in den USA und in Spanien für eine Universität in Deutschland entscheiden musste, sprach für Heidelberg vor allem die Vielzahl gut ausgebildeter Studenten. „Nichts ist wichtiger für meine Forschungsarbeit als gute Diplomanden und Doktoranden“, sagt sie. „Nur die verbringen hundert Prozent ihrer Zeit am eigentlichen Forschungsprojekt. Ältere Forscher haben immer mit Vorlesungen, Verwaltung und früheren Projekten zu tun.“

Dass deutsche Doktoranden häufig schon älter sind, hält sie für einen Vorteil. „Die halten in Diskussionen locker mit ausländischen Postdocs mit.“ Auch das ist ein Grund, warum Hansmann-Menzemer eine permanente Stelle in England abgelehnt hat. Als Outreach-Koordinator des CERN entwickelt Hansmann-Menzemer auch Ausstellungen mit und bereitet ihre Arbeit für Medien und Öffentlichkeit auf. Dass dabei die Forschung am CERN häufig angepriesen wird, als könnte sie die letzten Urgründe für die Entstehung des Universums liefern, für den Sinn des Lebens oder gar für Gott, das behagt ihr nicht. „Unsere Forschung ist doch an sich spannend genug. Wir brauchen keine Metaphysik.“

 

Kurzbiografie

Prof. Dr. Stephanie Hansmann-Menzemer

Stephanie Hansmann-MenzemerStephanie Hansmann-Menzemer studierte in Karlsruhe Mathematik und Physik zunächst mit dem Ziel Lehramt. Beim Auslandsstudium in Grenoble fing sie Feuer für die Forschung. Sie promovierte in Karlsruhe in experimenteller Teilchenphysik und ging dann für eine Postdoc-Stelle ans Massachusetts Institute of Technology in die USA und später an die Universidad de Cantabria in Spanien. Seit 2006 leitete sie in Heidelberg eine Emmy Noether-Nachwuchsgruppe, 2009 erhielt sie eine Startprofessur, deren Besetzung mit Mitteln aus der Exzellenzinitiative unterstützt wurde. Für ihre Messung der Mischungsfrequenz im System der B-Hadronen erhielt Hansmann-Menzemer den Tollestrup Award für herausragende Forschung bei Postdocs (2006) und den Young Researcher Award der europäischen Physikalischen Gesellschaft (2007).

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Letzte Änderung: 16.03.2018
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