Laura Sembritzki M.A.

Wissenschaftliche Mitarbeiterin

Raum 303

Tel.: 06221/ 54-2475

Email: laura.sembritzki@zegk.uni-heidelberg.de

Sprechstunde: Montags, 13-14 Uhr

 

Zur Person:

7/2012 M.A. of Arts in Geschichts- und Politikwissenschaft
             an der Ruhr-Universität Bochum
8/2012-3/2014 Mitarbeiterin des Lehrstuhls für die Geschichte des 19. und 20.
             Jahrhunderts mit besonderer Berücksichtigung Mittel- und Osteuropas
             an der Helmut Schmidt Universität Hamburg
seit 4/2014 Mitarbeiterin am Lehrstuhl für Osteuropäische Geschichte der
             Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg

 

Dissertationsprojekt: Atommüllkatastrophen und Strahlenschutz. Nukleares Wissen und Technopolitik in der Region Čeljabinsk, 1949–1991

Nach Ende des Zweiten Weltkriegs wurde mit aller Macht das sowjetische Atomprogramm vorangetrieben. Dies erforderte bald die Etablierung von Strahlenschutznormen, welchen unter den Bedingungen des Kalten Krieges und im diskursiven Spannungsfeld von Fortschritt und Risiko zunehmende Bedeutung für die nukleare Technopolitik zukommen sollte. Das lässt sich besonders anschaulich am Beispiel der Region Čeljabinsk erläutern. Dort entstanden Ende der 1940er Jahre zahlreiche nukleare Forschungs- und Produktionsstätten. Durch deren Betrieb kam es zur radioaktiven Verunreinigung des örtlichen Wassersystems. 1957 führte eine große Atommüllexplosion im Kombinat Majak zur Kontamination weiter Gebiete im Süd-Ural. Zur Bewältigung der Katastrophe entstanden in der Region Čeljabinsk erste administrative Praktiken zum Umgang mit radioaktiver Kontamination sowie eine Reihe biophysikalischer und radiomedizinischer Forschungsinstitute.
Mit einem praxeologischen Ansatz untersucht das Dissertationsprojekt auf der Grundlage neu zugänglicher Archivbestände, wie in diesen neuen Einrichtungen wegweisende Wissensbestände produziert wurden, die dann für die Organisation des zentral beim Gesundheitsministerium der UdSSR angesiedelten Strahlenschutzes sowie bei der wissenschaftlichen Ausarbeitung der Strahlenschutznormierung eine wichtige Rolle spielten. Dieser Praxis- und Wissenstransfer wird auch anhand der Karrierewege mehrerer Akteure aus der Region Čeljabinsk nachgezeichnet, die später in Moskau als führende Experten wichtige Posten im Rahmen der Strahlensicherheit übernahmen.

Ausgehend von der Region richtet sich der Blick auf die unionsweite Organisation des Strahlenschutzes und darüber hinaus auf die wissenschaftliche Zusammenarbeit auf internationaler Ebene, um auf einem sich neu etablierenden Forschungsfeld die Produktion von nuklearem Wissen sowie dessen Umsetzung in Regulierungen und Praktiken näher zu beschreiben. Thematisiert wird daher auch das Engagement der Čeljabinsker Forscher/innen im Rahmen internationaler Organisationen (ICRP(U), WHO, IAEA, UNSCEAR). Die Analyse der dort geführten wissenschaftlichen Auseinandersetzung über die maximal zulässigen Dosen radioaktiver Strahlung ermöglicht Einblicke in die wissenschaftlich-technologische Verflechtungsgeschichte der geteilten Moderne des Kalten Krieges.

Das Dissertationsprojekt konzentriert sich vor allem auf die Prozesse in den 1950er und 1960er Jahren. Damals fielen richtungsweisende Entscheidungen für die nukleare Technopolitik. In die Analyse einbezogen werden aber auch die Entwicklungen während der Perestrojka-Zeit, als die nukleare Katastrophe von 1957 und ihre weitreichenden Folgen zum Thema unionsweiter Medienberichte und Debatten wurden. Damals gelangten nicht nur lange geheim gehaltene Informationen erstmals an die Öffentlichkeit. Darüber hinaus begannen auch gesellschaftliche Aushandlungsprozesse über nukleares „risk assessment“. Im Zuge der nun thematisierten environmental justice erhielten die rechtlichen Dimensionen und die Frage nach Kompensationsleistungen für Geschädigte wachsende Aufmerksamkeit. In diesen Diskussionen spielten Wissenschaftler/innen aus der Region Čeljabinsk erneut eine wichtige Rolle. Auf gesamtstaatlicher Ebene nahmen sie Einfluss auf die Bestimmung maximaler Strahlendosen und medizinischer Indikatoren. Diese dienten als Grundlage für die Ausarbeitung von Entschädigungsgesetzen, die international Beachtung fanden.
 

 

Seitenbearbeiter: E-Mail
Letzte Änderung: 08.02.2017
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