SPIRITUS MUSICAE
7. Heidelberger Summer School zu Musik und Religion
4. BIS 15. JULI 2018
WAS UNS BEWEGT
Bilder: HfK, Alexander Y / fotolia.com, The Yorck Project
Vom 4. bis 15. Juli 2018 findet unter dem Titel "SPIRITUS MUSICAE" die 7. Heidelberger Summer School zu Musik und Religion statt. Es handelt sich um ein Kooperationsprojekt der Hochschule für Kirchenmusik mit der Theologischen und Musikwissenschaftlichen Fakultät der Universität Heidelberg.
Bewegung – das ist eines der Lebenselexiere von Musik. Ohne Bewegung ist aber auch das menschliche Dasein insgesamt nicht denkbar.
Dabei ist der Begriff durchaus in mehrfachem Sinn gemeint: körperlich, geistig und emotional. Tanzen, Gedanken wälzen, zu Tränen gerührt sein – das sind stellvertretend für viele andere uns allen geläufige Bewegungen aus diesen drei Bereichen.
Die Heidelberger Summer School zu Musik und Religion 2018 will nun mit einer reichen Palette ungewöhnlicher Konzerte und Vorträge Schlaglichter auf das interessante Phänomen Bewegung werfen. Bei den Konzerten handelt es sich um Formate, die sonst in dieser Form und Kombination wohl nicht zu erleben sein dürften. Orgelmusik mit Tanz, die szenische Aufführung von Monteverdis »Combattimento di Tancredi e Clorinda«, ein Chorkonzert mit tatsächlicher Bewegung der Ausführenden und Werken, welche zum Großteil in Heidelberg noch nicht erklungen sind. Zudem stehen mit Franz Schuberts »Winterreise« und Bachs »Matthäus-Passion« zwei Großwerke auf dem Programm, welche zunächst jahreszeitlich deplatziert zu sein scheinen, jedoch – jedes auf seine ganz unverwechselbare Weise – für Bewegung stehen. Die »Winterreise« dafür, dass Wandern etwas mit dem Unterwegs-Sein der Gefühle zu tun hat, die »Matthäus-Passion« als das Werk der Kirchenmusik, welches über alle konfessionellen und geografischen Grenzen hinweg nicht in Worte zu fassende religiöse Bewegung weckt, und dies durchaus unabhängig vom Karfreitagsdatum. Vielleicht erweist es seine tief bewegende Kraft gerade in diesem ungewohnten sommerlichen Kontext.
Schließlich sei noch auf den Vortrag des international hoch bedeutenden Sprachwissenschaftlers und Direktors des Frankfurter Max-Planck-Instituts für Empirische Ästhetik Winfried Menninghaus hingewiesen. Er versteht es wie nur wenige, komplexe Forschungsprojekte in allgemein verständlicher Form darzustellen und für seine Arbeit zu begeistern.
»Was uns bewegt« – Die Heidelberger Hochschule für Kirchenmusik, das Musikwissenschaftliche Seminar und die Theologische Fakultät der Universität Heidelberg laden zu allen Veranstaltungen herzlich ein.
Bernd Stegmann
MITTWOCH, 4. JULI 2018
Hochschule für Kirchenmusik, Hildastraße 8
19.00 Uhr |
Konzert 1 »Fremd bin ich eingezogen, fremd zieh ich wieder aus« Matthias Horn, Bariton »Ich werde euch einen Zyklus schauerlicher Lieder vorsingen. Ich bin begierig zu sehen, was ihr dazu sagt. Sie haben mich mehr angegriffen, als dies bei anderen der Fall war. Mir gefallen diese Lieder mehr als alle, und sie werden euch auch noch gefallen«. Das schrieb Schubert selbst über die 24 Lieder seiner »Winterreise«. Er nimmt uns mit auf eine weite Wanderung. Eine Wanderung durch eine winterliche Landschaft, eine Wanderung ins Innere der Gefühle, durch Gefilde seliger Erinnerung, hoffnungsloser Zukunft und wieder in die Kälte der Gegenwart. Schuberts Musik berührt, sie berührt ganz unabhängig von einer Jahreszeit. Eintritt: 20 € (ermäßigt 10 €)
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20.30 Uhr |
Vortrag »Zu Tränen gerührt / bewegt sein« Prof. Dr. Winfried Menninghaus Das Publikum »emotional zu bewegen« (movere), gilt seit Cicero als ein Hauptziel von Rednern und Künstlern. Aber was heißt es überhaupt, emotional tief bewegt sein? Winfried Menninghaus ist Direktor der Abteilung für Sprache und Literatur des Max-Planck-Instituts für Empirische Ästhetik in Frankfurt am Main. Zuvor war er Professor für Allgemeine und Vergleichende Literaturwissenschaft an der Freien Universität Berlin und an der Yale University.
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DONNERSTAG, 5. JULI 2018
Hochschule für Kirchenmusik, Hildastraße 8, Raum 16
20.00 Uhr |
»Szenen von der Macht der Musik« Prof. Dr. phil. Silke Leopold, Moderation Es werden Ausschnitte folgender Filme gezeigt: Shining (Stanley Kubrick) Fitzcarraldo (Werner Herzog) Farinelli (Gérard Corbiau) Die siebente Saite (Alain Corneau) Vaya con Dios (Zoltan Spirandelli) Die Geschichte vom weinenden Kamel (Byambasuren Davaa)
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SONNTAG, 8. JULI 2018
Peterskirche Heidelberg
19.00 Uhr |
Konzert 2 »Das gehet meiner Seele nah« Carmen Buchert, Jan Börner, Hans-Jörg Mammel, Peter Kooij, Mattias Horn / Barockorchester »L´arpa festante« Leitung: Bernd Stegmann »In dieser Woche habe ich dreimal die Matthäus-Passion des göttlichen Bach gehört, jedes Mal mit demselben Gefühl der unermesslichen Bewunderung. Wer das Christentum völlig verlernt hat, der hört es hier wirklich wie ein Evangelium«. Eintritt: 10 € / 16 € / 22 € / 28 € (ermäßigt 8 € /12 € / 18 € / 24 €)
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MITTWOCH, 11. JULI 2018
Peterskirche Heidelberg
19.00 Uhr |
Konzert 3 »With Song and Dance« Maren Schwier, Sopran Leitung: Studierende der HfK Freuen Sie sich auf ein wirklich »bewegendes« Konzert! Dass Bachs Musik tänzerisch ist, dürfte allgemein bekannt sein. Unser Programm enthält aber auch Werke bei uns nahezu unbekannter Komponisten, bei denen das Element der Bewegung ganz wörtlich genommen wird. Mehr wird nicht verraten. Eintritt: 12 € (ermäßigt 8 €)
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DONNERSTAG, 12. JULI 2018
Peterskirche Heidelberg
20.00 Uhr |
Konzert 4 »Orgel und Tanz« Gerhard Luchterhandt, Orgel Orgelmusik wird zuweilen als statisch und wenig zugänglich empfunden. Dass man sie jedoch auch ganz anders wahrnehmen kann, ist in diesem Konzert zu erleben. Hier wird die in der Musik eines Messiaen und Bach verborgene Bewegungsenergie tatsächlich freigesetzt und physisch sichtbar gemacht. Das ist ein ungewöhnliches Konzertformat, in dem es viel Neues zu hören und zu entdecken gibt. Eintritt: 12 € (ermäßigt 8 €)
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FREITAG, 13. JULI 2018
Hochschule für Kirchenmusik, Hildastraße 8, Raum C
09.30 Uhr |
»Ich bin's...« Prof. Dr. Helmut Schwier, Pfr. Prof. Dr. Martin Mautner, Prof. Dr. Gerhard Luchterhandt Einen Höhepunkt der diesjährigen Summer-School bietet die Aufführung der Matthäus-Passion Johann Sebastian Bachs – ohne Zweifel eines der Hauptwerke der Musikgeschichte, dessen autographe Partitur zum UNESCO-Weltkulturerbe erklärt wurde. Helmut Schwier, Professor an der Theologischen Fakultät der hiesigen Universität, wird das ausgehend vom Urtext der Leidensgeschichte nach dem Matthäus-Evangelium und dessen spezifischer Akzentuierung erläutern. Gerhard Luchterhandt, Professor für Tonsatz an der Hochschule für Kirchenmusik, wird auf etliche kompositorische Entscheidungen Bachs hinweisen, welche die Matthäus-Passion letztlich zu einem Ausnahme-werk werden ließen. Es folgen einige Anmerkungen von Professor Martin-Christian Mautner (ebenfalls Hochschule für Kirchenmusik) zur Rezeptionsgeschichte, die verdeutlicht, wie sich Bachs großes Opus nach einer gewissen Zeit jenseits des konkreten gottesdienstlichen Bezugs etablierte.
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11:00 Uhr |
»Von David bis zum Neochassidismus« Prof. Dr. Birgit Klein Bereits in biblischer Zeit war die therapeutische Wirkung der Musik bekannt: So oft Saul, der erste König Israels, vom bösen Geist ergriffen wurde, griff der junge David zur Zither – und der böse Geist wich von Saul. Seither ist Musik aus dem Judentum nicht wegzudenken. 1727 druckte E. H. Kirchhahn 13 jiddische Lieder mit Melodien als »starke Medizin« gegen die für Körper und Seele schädlichen Sorgen ab. Die chassidischen Niggunim, auf Tonsilbe gesungene Melodien, fanden auch Eingang in moderne Spiritualität. Nach dem Vorbild Davids vertont die Rabbinerin Shefa Gold Verse aus Bibel und Liturgie für ihre seelsorgerische Praxis. Diese vielfältigen Formen »jüdischer Musiktherapie« wird der Vortrag vorstellen und an Musikbeispielen illustrieren. Birgit Klein ist Professorin an der Hochschule für Jüdische Studien Heidelberg sowie Inhaberin des Lehrstuhls »Geschichte des jüdischen Volkes«. Sie ist Gründerin des »Forum Jüdische Geschichte und Kultur in der Frühen Neuzeit und im Übergang zur Moderne«.
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12:00 Uhr |
»Wie ich einen Ausgang finde...« Dr. phil. Joachim Steinheuer Die Wanderung eines namenlosen Handwerksgesellen durch eine abweisende, trostlose Winterlandschaft in Franz Schuberts Liederzyklus nach Gedichten von Wilhelm Müller bewegt seit Generationen Interpreten wie Zuhörer immer wieder aufs Neue. In den 24 meist knappen Szenerien sind vielfältige poetische wie musikalische Motive miteinander verwoben, aus denen sich weniger eine durchgehende Handlung als vielmehr ein dichtes Geflecht von Verweisen und assoziativen Bezügen über den ganzen Zyklus hinweg ergibt. In vielen der in diesen komplexen Gesamtzusammenhang eingebundenen Einzelstücke scheint in den Texten wie in der Musik vordergründig ein volksliedhaft einfacher Ton prägend zu sein, doch wird gerade dies immer wieder zur beklemmenden Folie für Abgründigkeit, Vergeblichkeit und Ausweglosigkeit. Joachim Steinheuer lehrt am Musikwissenschaftlichen Seminar der Universität Heidelberg. Arbeitsschwerpunkte sind italienische und französische Musik des 16. bis 18. Jahrhunderts, deutsches Lied des 18. und 19. Jahrhunderts sowie Aspekte der europäischen und amerikanischen Musik im 20. und 21. Jahrhundert.
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14:30 Uhr |
»Unsichtbare Beweger« Prof. Dr. Annette Hornbacher Balis einzigartige performative Tradition erweckte schon früh das Interesse westlicher Künstler und Forscher und steht heute im Zentrum einer florierenden Tourismusindustrie, die eher zur Intensivierung als zur Schwächung von Balis Tanzpraxis beiträgt. Der Vortrag erläutert, wie Professionalisierung, Kommerzialisierung und neue Medien zwar zur institutionellen Stärkung dieser kulturellen Tanztechnik geführt haben, zugleich aber auch mit einer grundlegenden Transformation ihrer kosmologischen Kinästhetik und kosmozentrischen Performanz im Ritual einhergehen. Annette Hornbacher ist Professorin am Institut für Ethnologie Heidelberg. Forschungsschwerpunkte: Transkulturelle religiöse Dynamiken, Mensch-Umweltbeziehungen und Wissenskulturen.
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15:30 Uhr |
»Von den Bewegungen des Gemüts und den Bewegungen der Musik« Prof. Dr. phil. Silke Leopold »Affetti musicali« – in dem Titel von Biagio Marinis Instrumentalmusiksammlung 1617 artikulierte sich nichts Geringeres als eine musikästhetische Revolution: Musikalische Affekte, dargestellt ohne jeglichen Text, der dem Zuhörer verriet, welche Geschichte da in Tönen erzählt wurde: Konnten Geigen oder Fagotte tatsächlich menschliche Gefühle ausdrücken? An der Wende vom 16. zum 17. Jahrhundert stellten Komponisten immer häufiger die Frage, wie eine Musik beschaffen sein musste, damit sie die Zuhörer zu bewegen, zu rühren, zu erschüttern imstande war. Welche Antworten Marini oder Claudio Monteverdi, aber auch John Dowland oder Heinrich Schütz darauf gaben, soll Gegenstand dieses Vortrags sein.
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20.00 Uhr |
Peterskirche Heidelberg Konzert 5 Claudio Monteverdi: Combattimento di Tancredi e Clorinda (in deutscher Sprache), Lamento d´Arianna, Pianto della Madonna Wiebke Hofmann und Paolo Amerio, Tanz Monteverdis »Combattimento« ist das erste Werk der Musikgeschichte, in dem von den Streichinstrumenten spezielle Effekte und Spieltechniken wie »pizzicato« und »tremolo« vorgeschrieben werden. Monteverdi ging es zuallererst um die musikalische Darstellung von Affekten, von den im Text anklingenden Gefühlen und Bildern. Und da war ihm jedes zu seiner Zeit gebräuchliche – oder eben auch ungebräuchliche – Mittel recht. Wir bringen dieses selten aufgeführte bedeutende Werk in einer interessanten szenisch-sängerisch aufgeteilten, aber doch sinnreich kombinierten Version. Eine weitere Besonderheit ist, dass unserer Aufführung die deutsche Übersetzung eines anonymen Verfassers aus der Monteverdi-Zeit zugrunde liegt. Eintritt: 14 € (ermäßigt 10 €)
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SONNTAG, 15. JULI 2018
Peterskirche Heidelberg
10.00 Uhr |
Universitätsgottesdienst »Der Geist hilft unser Schwachheit auf« Liturgie und Predigt: Helmut Schwier Musik von Johann Sebastian Bach, Carl Rütti und Tilo Medek Leitung: Jan Wilke Carsten Klomp, Orgel Liturgie und Predigt: Helmut Schwier |