Siegel der Universität Heidelberg
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Hier erhält der Begriff Sanduhr eine ganz neue Bedeutung

Wiedereröffnung des Lumineszenzlabors am Geographischen Institut – Studiengang "Geoarchäologie" startet im nächsten Wintersemester

Angst vor Dunkelheit und geschlossenen Räumen darf man nicht haben, will man im Lumineszenzlabor im Keller des Geographischen Instituts der Universität Heidelberg (INF 348) arbeiten. Nach der Lichtschleuse scheint man einzutreten in ein finsteres Labyrinth, in dem sich ein Raum an den nächsten reiht. Haben sich die Augen an das Rotlicht gewöhnt, das wegen seiner Langwelligkeit dazu geeignet ist, während der Arbeit an den empfindlichen Proben als einzige Lichtquelle zu dienen, kann man sich vage orientieren. Denn nur unter diesen Bedingungen ist den Sandkörnern und Gesteinsscheibchen zu entlocken, wann sie das letzte Mal die Sonne gesehen haben. So lässt sich auf ihr ungefähres Alter schließen.


Die Umzugskisten stehen noch vor ihrem Büro, doch das Labor hat sie sich bereits halbwegs eingerichtet. "Das wichtigste zuerst", meint Laborleiterin Dr. Annette Kadereit schmunzelnd. Gemeinsam mit Dipl.-Arch. Christiane Rhodius versucht sie, die Geräte funktional den neuen Räumlichkeiten und dem Stromnetz anzupassen.

Bis Juni 2006 befand sich das Lumineszenzlabor auf dem Boxberg im Max-Plank-Institut für Kernphysik als Bestandteil der Forschungsstelle Archäometrie der Heidelberger Akademie der Wissenschaften. Die Kompetenzen der "Nachbarn" hatte Annette Kadereit gern dazu genutzt, selbst Geräte zur Lumineszenzmessung zu bauen. Dank der Finanzierung durch die Athenaeum Stiftung für Kultur und Wissenschaften wird nun ein vollautomatisches Messgerät vom Typ TL/OSL-Reader DA20 die bisher tagelangen Messungen per Hand teilweise ersetzen. Als die Forschungsstelle planmäßig geschlossen wurde, bot sich eine Weiterführung des Labors an der Universität Heidelberg an. Jetzt konnte das Richtfest zur Eröffnung der acht neuen Laborräume im Geographischen Institut gefeiert werden.

Durch die Einrichtung eines Master-Studienganges "Geoarchäologie", wie ihn beispielsweise die Philipps-Universität in Marburg bereits hat, wird dem Umzug eine engere Verzahnung der Geistes- und Naturwissenschaften an der Universität Heidelberg folgen. Im Groben stehe der Aufbau bereits fest, so Dr. Stefan Hecht, Akademischer Rat. Zum Wintersemester 2008/2009 sollen Studenten mit Abschlüssen in Archäologie, den Geowissenschaften, Ur- und Frühgeschichte, sowie im kleinen Rahmen auch in der Umweltphysik, in auf das jeweilige Vorwissen abgestimmten Modulen lernen, sich die Methoden des jeweils anderen Fachbereiches zu Nutze zu machen und in den eigenen zu integrieren. Geowissenschaftler sollen auf archäologische Ausgrabungen geschickt werden, Archäologen lernen die Laborarbeit kennen.

"Kompetenzbündelung" nennt das Stefan Hecht, und wird bereits seit Jahren in der Forschung umgesetzt. Nun soll die meist fruchtbringende Zusammenarbeit von Archäologen und Geowissenschaftlern während einzelner Projekte auf die Lehre übertragen werden, damit bereits die Jungen, nicht erst die "alten Hasen" lernen, die Vorteile beider Wissenschaften zu vereinen, so Annette Kadereit.

Dr. Annette Kadereit ist Leiterin des wiedereröffneten Lumineszenzlabors, das vormals Bestandteil der Forschungsstelle Archäometrie der Heidelberger Akademie der Wissenschaften war. Sie sieht ihr Labor als Bindeglied zwischen den Naturwissenschaften im Neuenheimer Feld und den Geisteswissenschaften in der Heidelberger Altstadt.  
Dr. Annette Kadereit ist Leiterin des wiedereröffneten Lumineszenzlabors, das vormals Bestandteil der Forschungsstelle Archäometrie der Heidelberger Akademie der Wissenschaften war. Sie sieht ihr Labor als Bindeglied zwischen den Naturwissenschaften im Neuenheimer Feld und den Geisteswissenschaften in der Heidelberger Altstadt.
Foto: Tonner

 

Das Wissen unterschiedlicher Forschungsansätze zusammentragen, um das Paläo-Mensch-Umwelt-System besser zu verstehen – was einleuchtend klingt, ist doch das Resultat langjähriger Annäherungen. Wie in einer Beziehung musste erst das gegenseitige Verständnis für die jeweiligen Arbeitsvorgänge wachsen. Während einem Geowissenschaftler, der auf die Auswirkung des Menschen auf seine Umwelt, auf Verschiebungen und Veränderungen in der Bodenzusammensetzung achtet, eine Genauigkeit von einem halben Meter ausreicht, entscheiden beim Archäologen wenige Zentimeter über die Interpretation eines Fundstückes. Genügt es dem einen, für die Lumineszenzdatierung lichtgeschützt Material zu sammeln und sich die nähere Umgebung anzusehen, will der andere die Fundstelle so unberührt wie möglich freilegen. Sogar eine gemeinsame Sprache musste zuerst gefunden werden. Ein "skelettreicher Boden" kann viele Steine enthalten oder viele Gräber. Auch die Erwartungen, die einerseits durch die Archäologen an die Präzision der wissenschaftlichen Datierbarkeit, andererseits durch die Geowissenschaftler an die kulturellen Interpretierbarkeit gestellt wurden, mussten relativiert werden.

Im Vergleich zur auf kohlenstoffhaltige organische Materialien beschränkten C-14-Methode ist die Lumineszenzdatierung relativ ungenau, immerhin müssen bis zu 10% Altersfehler in Kauf genommen werden. In der Weiterentwicklung, in der Heidelberg eine Vorreiterrolle spielt, liegt jedoch ihr Potenzial. Als deutschlandweit einziges Labor nutzt  es die Methode der sogenannten ortsaufgelösten optisch stimulierten Lumineszenz-Oberflächendatierung. Statt Sandkörner verschiedener Größen werden hier auch zu Plättchen zersägte Bohrkerne aus ganzen Gesteinsbrocken genutzt. Der Vorteil: die Umgebung der Proben bleibt erhalten und lässt weitere Rückschlüsse zu, anders als bei den in sich vermischten Sandproben.

Magdalena Tonner

 

Lumineszenzdatierung

Für die Lumineszenzdatierung nutzt man die natürliche Radioaktivität im Boden. Durch sie kommt vor allem bei Feldspat- oder Quarzmineralen eine Art Uhr in Gang, die im Labor wieder abgelesen werden kann. Sobald die Probe (zum Beispiel ein Fundamentstein) lichtgeschützt versenkt wird, torpedieren radioaktive Elemente wie Thorium und Uran diese mit ionisierender Strahlung, wobei Elektronen aus ihrem Verband gelöst und "gefangen" werden. Im Labor werden diese durch Energiezufuhr (Licht) wieder an ihren Ort geführt, wodurch sie ein Lichtsignal abgeben. Je mehr Elektronen, umso stärker das Lichtsignal, umso älter die Probe – natürlich in Abhängigkeit zur Strahlungsleistung der Umgebung und der Minerale in der Probe.
MT




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