Siegel der Universität Heidelberg
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Editorial

Liebe Leserinnen, liebe Leser,
"Die deutschen Universitäten sollen so gut wie die amerikanischen werden." Dazu fordern diejenigen auf, die weder die deutschen noch die amerikanischen Universitäten kennen. "Werdet wie die amerikanischen Spitzenuniversitäten", lautet eine andere, ebenso der Unkenntnis entstammende Äußerung. Beide gehören seit Jahren zum Repertoire der Politik in der Hochschuldiskussion. Die Aufgeforderten hingegen – die deutschen Universitäten – fanden meist kein Gehör, wenn sie auf die erheblichen Unterschiede zwischen amerikanischen und deutschen Universitäten hinwiesen, etwa im Bereich der Finanzierung, des Personalrechts, der Relation von Unterrichtenden und Unterrichteten, der Auswahl der Studenten, Studiengebühren und Autonomie.

Eine fundierte Diskussion zum Thema Wissenschaftsförderung fand bislang nicht statt.

Anfang dieses Jahres hat der Vorschlag einiger SPD-Politiker, in Deutschland "Eliteuniversitäten" zu fördern, die Diskussion belebt. In der Zwischenzeit haben sich Bundesregierung und Länderregierungen darauf geeinigt, die anfangs konträren Positionen in einem Kombinationsprogramm zu vereinen. Es soll die nachfolgend genannten Förderansätze enthalten (Stand: 29. März 2004). Gefördert werden sollen:
  • Universitäten, die qualitativ und strukturell in ihren verschiedenen Wissenschaftsbereichen den Anforderungen an Exzellenz entsprechen ("Spitzenuniversitäten");
  • miteinander verknüpfte universitäre und außeruniversitäre Forschung mit internationaler Sichtbarkeit ("Exzellenzzentren");
  • der wissenschaftliche Nachwuchs durch das Einrichten von Graduiertenschulen.
Die Ausschreibung wird im Sommer erwartet, die ersten Förderungen sollen Anfang 2005 erfolgen.

Das Rektorat der Universität Heidelberg hat sich schon in der Anfangsphase dazu entschlossen, die Diskussion um die Förderung der Wissenschaft zu nutzen und unabhängig davon, welche politischen Entscheidungen getroffen werden, Position nach innen und nach außen zu beziehen.

Eine erste Reaktion war der Aufruf des Rektors, innerhalb weniger Tage Skizzen zu Wissenschaftsprojekten zu übermitteln, die möglichst integrativ sind und Beziehungen zu außeruniversitären Wissenschaftseinrichtungen aufzeigen. Die Antwort war überwältigend: 80 überwiegend geeignete Skizzen wurden in kürzester Frist eingereicht. Zurzeit erfolgen intensive Gespräche der Wissenschaftler mit dem Rektorat und den Mitarbeitern des Dezernats Forschung. Es gilt, die Anträge zu erweitern, gegebenenfalls zu bündeln oder, falls die Anträge für andere Förderungen besser geeignet sind, beratend umzuwandeln. Weitere Skizzen oder ausformulierte Anträge sind auch jetzt noch erwünscht.

Diese Maßnahme hat zum Ziel, vorhandene Exzellenzen und das Profil der Universität zu stärken. Dazu zählen ebenso Bemühungen um eine hervorragende Lehre und verbesserte Angebote für den wissenschaftlichen Nachwuchs. Schwer verständlich ist, dass sich einige unserer Institute beziehungsweise ganze Fakultäten bislang in Enthaltsamkeit üben.

Die zweite Reaktion besteht darin, gemeinsam mit den Wissenschaftlern im Rektorat und in der Zentralen Universitätsverwaltung über nachhaltige Strukturveränderungen zu diskutieren, damit eventuelle Förderungen auch über den Zeitraum der erhofften finanziellen Unterstützung hinaus wirken.

Die dritte Reaktion ist, Maßnahmen zu initiieren, die exzellente Studenten und Wissenschaftler dazu motivieren, nach Heidelberg zu kommen. Dazu zählen Angebote für die Kinderbetreuung oder Hilfen bei der Stellensuche der Partner.

Mit der vierten Reaktion soll die öffentliche Diskussion über die Rahmenbedingungen katalysiert werden: Ohne ein deutliches Mehr an Autonomie, ohne Studiengebühren, ohne geänderte Tarifbindungen und vieles andere mehr bleiben deutsche Universitäten im internationalen Vergleich grundsätzlich benachteiligt.

Wir sind nicht zufrieden damit, dass wir zwar im nationalen Vergleich der Universitäten regelmäßig einen der vorderen Plätze einnehmen, in der weltweiten Beurteilung jedoch von einer Spitzenposition weit entfernt sind. So nahm die Universität Heidelberg im Ranking der Jiao Tong University Shanghai im Jahr 2004 als zweitbeste deutsche Universität lediglich Platz 58 unter 500 genannten Universitäten ein.

Unabhängig davon, ob die Universität Heidelberg zusätzlich gefördert wird oder nicht – wir müssen uns verändern. Das heißt: Strukturen unserer Universität, die weder Hervorragendes in der Lehre leisten noch Spitzenleistungen in der Forschung erkennen lassen, werden in naher Zukunft auf den Prüfstand gestellt werden.

Zum Schluss noch ein Wort zur Finanzierung: Noch weiß niemand, wie die Mittel zur Forschungsförderung erbracht werden sollen. Die Aussagen darüber wechseln täglich. Jedoch: Jede Mittelschöpfung, die das Geld aus anderen Bereichen der Wissenschaft, beispielsweise der Hochschulbauförderung, abzweigt, ist als Taschenspielertrick strikt abzulehnen.

Ihr
Jochen Tröger
Prorektor
Seitenbearbeiter: Email
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