Menschenwürde und der Wandel des Menschenbildes
4. Juli 2012
Die Frage nach dem Menschenbild in verschiedenen Wissenschaften und die Auseinandersetzung mit dem sich wandelnden Bild des Menschen in der Gesellschaft, insbesondere unter dem Aspekt der Menschenwürde, stehen im Mittelpunkt einer Veröffentlichung, die unter dem Titel „Menschenbilder und Wissenschaftskulturen“ erschienen ist. Der Band umfasst neben einleitenden Beiträgen zwölf Studien aus der Ethnologie, der Philosophie, der Theologie, der Psychiatrie, der Medizin, der Bioethik und den Rechtswissenschaften, die im Rahmen eines am Marsilius-Kolleg der Universität Heidelberg angesiedelten Forschungsprojekts entstanden sind.
Das 2008 gestartete und nunmehr abgeschlossene Marsilius-Projekt „Menschenbild und Menschenwürde“ ist das erste große Forschungsvorhaben, das aus dem Interdisziplinären Forum für Biomedizin und Kulturwissenschaften (IFBK) hervorgegangen ist. Wissenschaftler unterschiedlicher Disziplinen haben in drei Teilvorhaben Anfang und Ende des menschlichen Lebens sowie das Verhältnis von traditionell hermeneutisch geprägten Menschenbildern zu einem neurowissenschaftlichen Bild des Menschen in den Blick genommen. Der vorliegende Band, der in der Reihe „Schriften des Marsilius-Kollegs“ erschienen ist, eröffnet Einblicke in die Ergebnisse aus den beiden Teilprojekten „Menschenbild und Neurowissenschaften“ sowie „Menschenwürde am Lebensanfang“.
„Die Fortschritte der biomedizinischen Wissenschaften stellen vielfach das tradierte Menschenbild in Frage“, sagt der Mediziner und Direktor des IFBK, Prof. Dr. Claus R. Bartram. „Zentrale Aspekte wie Personalität, Subjektivität und Freiheit werden verstärkt auf genetische, neuronale, hormonelle oder vergleichbare biologische Prozesse zurückgeführt.“ Dadurch erscheine das menschliche Leben besonders an seinen Grenzen – am Lebensanfang und am Lebensende – für technische Eingriffe verfügbar. „Mit Blick auf die damit häufig einhergehenden naturalistischen Beschreibungen des Menschen werden die Reichweite und die Begründung der Menschenwürde in unserer Gesellschaft zunehmend strittig“, betont der Mediziner und Philosoph Prof. Dr. Dr. Thomas Fuchs, der Geschäftsführender IFBK-Direktor ist. „In diesem Zusammenhang zeigen die interdisziplinären Studien Gemeinsamkeiten und Unterschiede in den Menschenbildern und Wissenschaftskulturen einer international vernetzten Forschung und des gesellschaftlichen Lebens am Beginn des 21. Jahrhunderts.“
Aus dem ersten Teilvorhaben „Menschenbild und Neurowissenschaften“ werden in dem Sammelband unter anderem bioethische Argumentationsstrategien zur Bewertung neuer neurowissenschaftlicher Anwendungen thematisiert. Dabei geht es um das sogenannte Cognitive Enhancement, die Steigerung kognitiver Fähigkeiten. Zur Diskussion steht auch die Anwendung von Methoden der Neurowissenschaften in der psychotherapeutischen Praxis. Weitere Studien zeigen unterschiedliche Sichtweisen auf das Phänomen des menschlichen Willens und der Willensfreiheit. In den Beiträgen des zweiten Teilvorhabens „Menschenwürde am Lebensanfang“ werden der Stand der Forschung über die Embryonalentwicklung sowie die darauf basierenden technischen Methoden in der Fortpflanzungsmedizin beschrieben. Weitere Themen sind medizinische und ethische Fragen des Schwangerschaftsspätabbruchs, der auch aus straf- und verfassungsrechtlicher Sicht behandelt wird. Darüber hinaus werden Parallelen und Differenzen des auf der Menschenwürde beruhenden strafrechtlichen Lebensschutzes zu Beginn und am Ende des menschlichen Lebens aufgezeigt.
Informationen im Internet sind unter www.marsilius-kolleg.uni-heidelberg.de/projekte/menschenwuerde.html zu finden.
Bibliographische Angaben:
Frank Martin Brunn, Claus R. Bartram, Thomas Fuchs (Hg.): Menschenbilder und Wissenschaftskulturen. Studien aus dem Marsilius-Projekt „Menschenbild und Menschenwürde“. Schriften des Marsilius-Kollegs, Band 5, Universitätsverlag Winter, Heidelberg 2011.
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