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Heidelberger Forscher beobachten ein paradoxes Quanten-Phänomen

Pressemitteilung Nr. 307/2010
8. Dezember 2010
Wissenschaftlern gelingt der direkte Nachweis des lange umstrittenen „Efimov-Effekts“

VersuchsaufbauFoto: Selim Jochim

Blick in den experimentellen Aufbau.

Der jahrzehntelang umstrittene „Efimov-Effekt“, den die Wissenschaft bislang nur indirekt beobachten konnte, ist erstmals in Experimenten direkt nachgewiesen worden: Das scheinbar paradoxe Phänomen zeigt, dass drei Atome eine Bindung eingehen können, auch wenn die Kräfte zwischen zwei Teilchen zu schwach sind, um sie aneinander zu binden. Theoretisch vorausgesagt hatte den Quanten-Dreiereffekt – eine universelle Quanteneigenschaft – im Jahr 1970 der russische Forscher Vitaly Efimov. Nun konnten Physiker der Universität Heidelberg und des Max-Planck-Instituts für Kernphysik unter Leitung von Prof. Dr. Selim Jochim den unmittelbaren Beweis für das Verhalten der Efimov-Trimere antreten. Die Forschungsergebnisse wurden in „Science“ veröffentlicht.

Bei dem Efimov-Trimer handelt es sich um ein kugelförmiges Quantenobjekt, das deutlich größer ist als die üblichen Trimere aus drei gleichen Atomen, wie sie die Chemie kennt. Um das Verhalten des Efimovschen Quanten-Dreiers beobachten zu können, erzeugten die Forscher ein ultrakaltes Gas aus Lithium-6-Atomen von etwa einem Millionstel Grad über dem absoluten Temperaturnullpunkt. Bei höheren Temperaturen bewegen sich die Atome heftiger und stoßen damit häufiger und stärker zusammen, was die Beobachtung der empfindlichen Efimov-Zustände unmöglich machen würde. „Denn dieser Effekt ist viel schwächer als die typischen Wechselwirkungen zwischen Atomen, die für chemische Bindungen sorgen“, so Prof. Jochim.

Zur Herstellung des ultrakalten Gases werden die Atome mit Laserlicht abgebremst und in einer sogenannten optischen „Falle“ eingefangen. Um drei Lithium-6-Atome für die Bildung eines Efimov-Trimers in dem dafür erforderlichen Abstand zueinander platzieren zu können, war allerdings ein „Anschubser“ erforderlich: Die Atome können das Trimer nur dann formen, wenn sie ihr atomares Innenleben an diese Dreier-Bindung anpassen. Der Kern des Lithium-6-Atoms hat einen sogenannten Kernspin und verhält sich so wie ein winziger Magnet. Damit die drei Atome zusammenkommen können, müssen ihre Kernspins passend zueinander orientiert sein. Dies erreichten die Wissenschaftler mit der Einstrahlung eines Radiofelds und erhielten auf diese Weise tatsächlich ein Efimov-Trimer.

Auch wenn das Trimer nur eine sehr kurze Lebenszeit von weniger als einer Tausendstel Sekunde hatte, reichte dies dem Team von Prof. Jochim, um den Efimov-Zustand näher zu untersuchen. Sie konnten dabei nachweisen, dass sich die Quanten-Dreier tatsächlich so verhalten, wie es die Theorie von Vitaly Efimov vorhersagt. Mit seinen Forschungsarbeiten am Zentrum für Quantendynamik der Universität Heidelberg will Prof. Jochim künftig Efimov-

Trimere mit einer längeren Lebensdauer erzeugen, um die universellen Quanten-Eigenschaften genauer entschlüsseln zu können. „Universalität heißt, dass es nicht mehr wichtig ist, welches konkrete physikalische System und welche Kraft wir betrachten“, erklärt Prof. Jochim.

Informationen im Internet sind unter der Adresse www.lithium6.de abrufbar.

Hinweis an die Redaktionen:
Digitales Bildmaterial kann in der Pressestelle abgerufen werden.

Originalveröffentlichung:
T. Lompe, T.B. Ottenstein, F. Serwane, A.N. Wenz, G. Zürn, S. Jochim: Radio-Frequency Association of Efimov Trimers. Science, Vol. 330, 12. November 2010, 940-944, doi: 10.1126/science.1193148
 

Kontakt:
Prof. Dr. Selim Jochim
Physikalisches Institut
Telefon (06221) 516-229
jochim@uni-heidelberg.de


Kommunikation und Marketing
Pressestelle, Telefon (06221) 54-2311
presse@rektorat.uni-heidelberg.de

 


 

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