Codex Manesse: Berühmte Handschrift des Mittelalters wird im Original gezeigt
11. Juni 2010
Als Beitrag zum 625-jährigen Jubiläum der Universität Heidelberg wird eine der bedeutendsten Handschriften des Mittelalters, der zu Beginn des 14. Jahrhunderts entstandene Codex Manesse, nach längerer Zeit erstmals wieder öffentlich zu sehen sein: Die Universitätsbibliothek Heidelberg zeigt die prachtvoll gestaltete Sammlung mittelhochdeutscher Lied- und Spruchdichtung, die aus konservatorischen Gründen nur sehr selten die klimatisierten Tresore der Bibliothek verlassen darf, von Oktober an in einer Ausstellung mit dem Titel „Der Codex Manesse und die Entdeckung der Liebe“. Sie ist ein zentraler Beitrag zum großen Veranstaltungsprogramm, mit dem sich die Ruperto Carola im Jubiläumsjahr von Oktober 2010 bis zum Oktober 2011 der Öffentlichkeit präsentiert.
Der Codex Manesse entstand in seinem Grundstock um 1300 in Zürich – vermutlich auf Betreiben von Rüdiger Manesse und seinem Sohn Johann, die die mittelhochdeutsche Lieddichtung in ihrer gesamten Gattungs- und Formenvielfalt zusammentragen wollten. Mehrere Nachträge kamen bis etwa 1340 hinzu. Die Handschrift umfasst auf 426 beidseitig beschriebenen Pergamentblättern 140 Dichtersammlungen. Die ältesten Texte reichen bis in die Mitte des 12. Jahrhunderts zurück, viele Dichtungen sind ausschließlich hier überliefert: Die Handschrift ist damit eines der Schlüsselzeugnisse für die Literatur und Kultur der Stauferzeit.
Den Texten sind 138 Miniaturen vorangestellt: Sie zeigen die Dichter in idealisierter Form bei höfischen Aktivitäten und sind ein bedeutendes Dokument oberrheinischer gotischer Buchmalerei. Die Anordnung der Lieder orientiert sich am Stand der Autoren. Am Beginn thronen, als vornehmste Dichter, die staufischen Herrscher Kaiser Heinrich VI. und König Konradin. Neben Fürsten und „herren“ folgen auch Berufsdichter wie Walther von der Vogelweide oder Wolfram von Eschenbach. Die Handschrift, die auch als „Große Heidelberger Liederhandschrift“ bezeichnet wird, gilt als repräsentative Summe des mittelalterlichen Laienliedes.
Seit dem frühen 17. Jahrhundert ist der Codex im Besitz der Heidelberger Kurfürsten nachweisbar. Vor der Eroberung Heidelbergs durch Truppen der katholischen Liga im Jahr 1622 wurde er vermutlich von der kurfürstlichen Familie auf der Flucht mitgeführt. Wahrscheinlich hat nach dem Tod von Kurfürst Friedrich V. im Jahr 1632 seine Witwe die Handschrift in finanzieller Notlage verkauft. Von 1657 an befand sie sich im Besitz der Königlichen Bibliothek in Paris, der heutigen Bibliothèque Nationale de France. 1888 kehrte sie in einem komplizierten französisch-englisch-deutschen Tauschgeschäft nach Heidelberg zurück.
Zum Jubiläum der Universität Heidelberg präsentiert die Universitätsbibliothek mit dem Codex Manesse ihren wertvollsten Schatz im Original. Die Ausstellung steht zugleich im Kontext der großen Mittelalterschau „Die Staufer und Italien“, die in den Reiss-Engelhorn-Museen Mannheim vom September dieses Jahres bis zum Februar kommenden Jahres zu sehen sein wird.
Informationen im Internet können unter http://manesse2010.uni-hd.de abgerufen werden.
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