SUCHE
Bereichsbild

Physik kann sehr unterhaltsam sein

19. Dezember 2008
Professor Christian Enss vom Kirchhoff-Institut für Physik der Universität Heidelberg demonstrierte in seiner Adventsvorlesung, wie die Gesetze der Physik ganz locker angewendet werden können
Im großen Physikhörsaal der Heidelberger Universität duftet es am Mittwoch Morgen nach Glühwein und manche Studenten haben sogar Plätzchen mitgebracht. Es ist Adventszeit, sogar an der Universität. Traditionell finden dann Weihnachtsvorlesungen statt, bei denen es nicht ganz so ernst zugeht wie sonst und wo skurrile und überraschende Experimente rund um naturwissenschaftliche Phänomene von Professoren präsentiert werden. Die Chemiker haben es vorgemacht, aber die Physiker können das auch. Zu theatralischer Musik schreitet Professor Christian Enss die Stufen des Hörsaals herab. Viel beschwingter ist dagegen die musikalische Begleitung für den Einzug seiner jungen Assistentin Angela Halfar, die sich sogleich vier „Freiwillige“ aus den Zuhörern herauspickt und zu einem Auflockerungsprogramm verdonnert. Aerobic ist angesagt, und als Vortänzer dienen grinsende Elche und Weihnachtsmänner in einem animierten Computerbild auf der Leinwand. Nach dieser Lockerungsübung wird es für die „Freiwilligen“ richtig schwierig, gilt es doch auf vier speziell angeordneten Stühlen quer zur Lehne Platz zu nehmen und sich gemütlich zurückzulehnen, so dass einer den anderen stützen kann. Das gibt ein stabiles Gebilde wie bei einem gefalteten Karton, und die Stühle lassen sich problemlos wegziehen, ohne dass die Struktur zusammenbricht. Kein Wunder, nur die Physik allein ist hier am Werke.

Scheinbar schwerelos geht es auch beim nächsten Experiment zu. Ein „Boot“ aus glänzender Folie wird von Angela Halfar in ein Aquarium gesetzt und scheint darin gut 20 Zentimeter über dem Boden zu schweben. „Was ist wohl die Ursache dafür?“, fragt Christian Enss seine Studenten und gibt drei Lösungsvorschläge: Magnetismus, Elektrostatik oder Mechanik. Zum Glück können sich nur wenige seiner Zuhörer für diese drei Möglichkeiten begeistern, denn in Wirklichkeit ist es ein besonders schweres Gas am Boden des Glasgefäßes, auf dem das Boot scheinbar „schwimmt“. Schwefelhexafluorid heißt es, und der Auftrieb ist für das Phänomen verantwortlich. Wieder pickt sich Angela Halfar einige Helfer heraus. Diesmal geht es darum, einen Styroporball aus einem Trichter herauszublasen. Was soll daran so schwer sein? Einfach unten in den Trichter kräftig hineinblasen, und schon springt der Ball aus dem Trichter. Pustekuchen, nichts passiert, der Ball bewegt sich nicht einen Millimeter. Dahinter steckt eine Kraft, die senkrecht zur Luftströmung wirkt und die Daniel Bernoulli im 18. Jahrhundert entdeckt hat. Mit dieser Kraft lassen sich auch Mülltüten rasend schnell aufblasen. Während die Studenten in zehn Sekunden vielleicht ein Zehntel einer Mülltüte aufblasen, füllt der Professor die gesamte Tüte dank Bernoulli und „Gewusst wie“ in etwa einer Sekunde. Zu Weihnachten gehören natürlich Kerzen, und Angela Halfar produziert eine besonders große, nämlich einen Feuertornado. Dazu wird ein drehbarer Zylinder aus Drahtgewebe auf einem Drehteller in Rotation versetzt. Die am Boden des Zylinders befindliche Flamme wächst darauf hin proportional zur Rotationsgeschwindigkeit des Zylinders in die Höhe. Dabei entsteht eine beeindruckende zwei bis drei Meter hohe Feuersäule. Auch das ist pure Physik, aber imposant und wunderschön. Bei so viel Feuerkraft ist nun aber die Zeit für den Glühwein gekommen, und die ungewöhnliche Vorlesung findet einen fröhlichen Abschluss.
Stefan Zeeh
© Rhein-Neckar-Zeitung

Rückfragen von Journalisten bitte an:
Dr. Michael Schwarz
Pressesprecher der Universität Heidelberg
Tel. 06221 542310, Fax 542317
michael.schwarz@rektorat.uni-heidelberg.de

Irene Thewalt
Tel. 06221 542310, Fax 542317
presse@rektorat.uni-heidelberg.de
Seitenbearbeiter: E-Mail
zum Seitenanfang/up