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„Bei uns herrscht ein Geist des Aufbruchs“

9. Dezember 2008
Gespräch mit Klaus van Ackern, dem Dekan der Medizinischen Fakultät Mannheim der Universität Heidelberg – Gemeinsam mit der Heidelberger Schwesterfakultät die Chance auf einen Spitzenplatz
Das nachfolgende Gespräch mit Prof. Klaus van Ackern, dem Dekan der Medizinischen Fakultät Mannheim, bildet den Abschluss der 15-teiligen Interviewserie „Die Universität Heidelberg in den Zeiten der Exzellenz", an der sämtliche Prorektoren und Dekane der Ruperto Carola teilgenommen haben. 

Herr Prof. van Ackern, wie macht sich der Exzellenzstatus der Universität Heidelberg in der Medizinischen Fakultät Mannheim bemerkbar?

Wir sehen dieser Herausforderung zuversichtlich entgegen. Denn wir sind eng vernetzt mit den Life Sciences der Universität Heidelberg, die in Deutschland einzigartig sein dürften. Unsere Fakultät ist in der Exzellenzinitiative sowohl am Cluster „Zelluläre Netzwerke“ als auch an der molekularbiologischen Graduiertenschule beteiligt. Und auch am jetzt beginnenden weiteren Fortgang der Exzellenzinitiative werden wir intensiv mitwirken.

Wie viele hauptamtliche Professoren hat die Medizinische Fakultät Mannheim?

Das sind gegenwärtig 51 Professoren, und wir wachsen weiter. Damit sind wir nach der Heidelberger Schwesterfakultät die zweitgrößte Fakultät der Ruperto Carola. Der Zuführungsbetrag des Landes für Forschung und Lehre beläuft sich auf jährlich rund 50 Millionen Euro und beträgt damit etwa die Hälfte der entsprechenden Heidelberger Mittel. Das Centrum für Hochschulentwicklung (CHE) hat festgestellt, dass unsere Fakultät unter allen medizinischen Fakultäten in Deutschland die höchste Anzahl an Publikationen pro Professor erreicht. Zugleich sind wir die kleinste medizinische Fakultät in Baden-Württemberg.

Wie ist der Medizinstandort Mannheim aufgestellt?

Im Verhältnis zu unserer Schwesterfakultät versuchen wir, uns komplementär auszurichten. Deshalb arbeiten wir mit Heidelberger Einrichtungen zusammen, die in Mannheim nicht zur Verfügung stehen. Das gilt etwa in Bezug auf die Herzchirurgie. Dagegen ist die Kinderchirurgie nur in Mannheim als Lehrstuhl vertreten. Grundsätzlich haben wir die gleichen Einrichtungen aller großen Universitätskliniken, um die Versorgung der Bevölkerung sicherzustellen. So ist die Aufteilung in der inneren Medizin oder in der Chirurgie ähnlich wie in Heidelberg.

Um welche Größenordnungen geht es?

Insgesamt hat das Klinikum 1500 Betten, pro Jahr werden etwa 70.000 Patienten stationär behandelt. Dazu kommen rund 280 000 Patienten in den Ambulanzen. Mannheim allein hat 320.000 Einwohner, aber unser Einzugsgebiet ist natürlich größer: Gemeinsam mit Heidelberg versorgen wir 2,2 Millionen Einwohner. Zwischen den beiden Standorten gibt es keinerlei Konkurrenz um die Patienten: Hier wie dort sind die Kliniken eher überbelegt.

Wie entwickeln sich die Studierendenzahlen, und welche Studiengänge werden angeboten?

Wir haben 170 Studierende pro Jahr, insgesamt werden etwa 1200 angehende Mediziner ausgebildet. Unser Reformstudiengang MaReCuM – das Mannheimer reformierte Curriculum – eröffnet neben der praktischen und wissenschaftlichen Ausrichtung neigungsorientierte Wege. So können verschiedene Masterstudiengänge sowohl parallel zum Medizinstudium als auch aufbauend absolviert werden. Ein Beispiel ist der erfolgreiche Masterstudiengang Medical Physics, der international vernetzt ist: mit der Shanghai Jiao Tong University, der Harvard Medical School, dem London University College und der Johns Hopkins University.

Zum 1. Oktober 2006 wurde die Medizinische Fakultät Mannheim zur Vollfakultät ausgebaut. Seither muss die Vorklinik nicht mehr in Heidelberg durchlaufen werden, sondern erfolgt komplett in Mannheim. Wie hat sich diese Veränderung ausgewirkt?

Mit der Vorklinik sind wir nun eine Vollfakultät. Der Wissenschaftsrat hat uns in der Vergangenheit eine zusätzliche naturwissenschaftliche Kernkompetenz empfohlen. Da ist es für uns ein Glücksfall, dass wir die Vorklinik völlig neu einrichten und entsprechend unserer Forschungsschwerpunkte besetzen können. So ist unser Biochemiker auf die Onkologie spezialisiert, der Anatom engagiert sich in der Neuroanatomie, und der Physiologe ist in der Neurophysiologie tätig. Diese neuen Gestaltungsmöglichkeiten sorgen bei uns für Aufbruchstimmung.

Wie ist die Startphase der Vorklinik verlaufen?

Wir haben gespannt darauf gewartet, wie unser erstes Staatsexamen ausfällt, das bundesweit zentral durchgeführt wird: Aus dem Stand haben wir Platz 2 erreicht, übertroffen nur von unserer Schwesterfakultät. So hat die Universität Heidelberg zwei medizinische Fakultäten, die auf nationaler Ebene in der Lehre spitze sind.

Wo liegen die Mannheimer Forschungsschwerpunkte?

Unsere Aufgabe ist es, die Ergebnisse der Grundlagenforschung in Diagnostik und Therapie zu überführen. Da die kardiovaskulären Erkrankungen die häufigste Todesursache sind, haben wir einen Schwerpunkt in der vaskulären Medizin. An zweiter Stelle folgen die Krebserkrankungen, und so gibt es einen weiteren Schwerpunkt in der Onkologie. Vor dem Hintergrund der alternden Gesellschaft widmen wir uns gemeinsam mit dem Mannheimer Zentralinstitut für Seelische Gesundheit (ZI) dem Forschungsschwerpunkt Neuroplastizität, der die degenerativen Veränderungen im Gehirn untersucht. Der vierte Schwerpunkt liegt in der Medizintechnologie, bei der wir in Baden-Württemberg ein Alleinstellungsmerkmal haben. Hier spielen bildgebende Verfahren eine zentrale Rolle.

Wie sieht die Zusammenarbeit mit der Heidelberger Medizin aus?

Die Existenz zweier medizinischer Fakultäten unter dem Dach der Universität Heidelberg bietet die Chance auf einen nationalen Spitzenplatz. Und die Mediziner beider Standorte arbeiten gut zusammen. Gemeinsam bilden die Klinika in Heidelberg und Mannheim eines der größten universitären Betten-Konglomerate in Deutschland. Unsere Konkurrenten sind München und in Zukunft Berlin. Wir fühlen uns jedoch gut gerüstet.

Welche Kooperationspartner sind besonders wichtig?

Mit der Hochschule Mannheim haben wir in der Medizintechnologie sowohl in der Lehre als auch in der Forschung eine enge Zusammenarbeit. In der Gesundheitsökonomie gibt es eine produktive Kooperation mit der Universität Mannheim. Der vom BMBF geförderte Spitzencluster „Organic Electronics“ ist ein wichtiger Forschungsmotor, der gemeinsam mit vielen Industriepartnern besteht. Mit dem Pharma-Unternehmen Novartis haben wir 2007 einen Forschungsvertrag in Höhe von 12 Millionen Euro unterzeichnet, eine Rekordsumme an der Universität Heidelberg. Außerdem wird ein Teil unserer acht Stiftungsprofessuren von der Wirtschaft finanziert. Besonders enge und vielfältige Verbindungen bestehen zu den Life Sciences sowie zum Deutschen Krebsforschungszentrum.

Wie steht es um die internationale Vernetzung?

In der Lehre haben wir seit langem eine exzellente Zusammenarbeit mit der Universität Groningen in den Niederlanden, zu der das Graduiertenkolleg Vascular Medicine für Elite-Studenten zählt. Auf EU-Ebene haben wir das Leukemia-Netzwerk eingeworben, das sich der Leukämie widmet und an dem 24 Länder beteiligt sind. In der Schlaganfallforschung sind wir am European Stroke Research Network beteiligt, das 21 Millionen Euro eingeworben hat, davon 13 Millionen Euro durch unsere Fakultät.

Wie sehen Sie Ihre Fakultät positioniert, und wie schätzen Sie die Zukunftsperspektiven ein?

Vor dem Hintergrund unseres rasanten Aufwuchses während der vergangenen fünfzehn Jahre sind wir natürlich optimistisch. Bei uns herrscht ein Geist des Aufbruchs. Gemeinsam mit unserer Heidelberger Schwesterfakultät können wir international mithalten.

Welche Mannheimer Mediziner haben die 1964 gegründete Fakultät besonders geprägt?

Zu den Gründervätern unserer Fakultät zählt der Heidelberger Pathologe Wilhelm Doerr. Zu nennen sind auch der Pathologe Uwe Bleyl und der Dermatologe Ernst Jung, die Prorektoren der Ruperto Carola waren, sowie der Psychiater Heinz Häfner. Hinzu kommen der Chirurg Michael Trede, der Internist Dieter Ludwig Heene oder der Onkologe Rüdiger Hehlmann.
Heribert Vogt
© Rhein-Neckar-Zeitung

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Dr. Michael Schwarz
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