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Homer und die frühe Botanik

18. September 2008
Über „Homerische Pflanzen – Nutz-, Heil- und Zauberpflanzen in Ilias und Odyssee“ spricht Prof. Claudia Erbar vom Heidelberger Institut für Pflanzenwissenschaften im Rahmen der Homer-Ausstellung – 19. Oktober 2008, 11.00 Uhr, Reiss-Engelhorn-Museum Mannheim (Mannheim, D5)
Wenn Joachim Latacz, der Wissenschaftliche Leiter der Mannheimer Homer-Ausstellung, schreibt, dass wir heute von Homer nicht mehr Geographie und Botanik lernen, so stimmt das nicht ganz. Homers Epen sind nicht nur die erste schriftliche Überlieferung europäischer Literaturgeschichte, sondern auch die erste schriftliche Erwähnung von Pflanzennamen im europäischen Raum. Eigentlich gelten Aristoteles (384-322 v.Chr.) und vor allem sein Schüler Theophrast (371-285 v.Chr.) als Begründer einer wissenschaftlichen Botanik. Aber Theophrast (und auch später Dioskurides, 60 n.Chr, der den ersten 'Klassiker' unter den Kräuterbüchern schreibt) beziehen sich in ihren botanischen Werken auf die 'Autorität' Homer.

Homer (etwa 8. Jh. v. Chr.) beschreibt in 'Ilias' und 'Odyssee' die mykenische Zeit etwa 500 Jahre zuvor. Die geographische Kenntnis dieser Zeit umfasst im wesentlichen den ostmediterranen Raum, ging nach Osten aber bis zur Kolchis (am Schwarzen Meer), nach Westen bis Sizilien (vielleicht auch bis Gibraltar). Mehr als 50 Pflanzen finden sich in den beiden Werken. Nutzpflanzen wie der Weinstock, Getreidearten (Weizen-Arten, Dinkel, Gerste) und Bäume wie Eichen, Platanen, Tannen und Kiefern-Arten, teilweise als Bauholz und zur Waffenherstellung benutzt, finden Erwähnung. In den Gärten wuchsen Feigen, Birnen, Äpfel, Granatäpfel und Ölbäume. Auch auf wildwachsende Pflanzen, wie etwa die Affodil-Wiesen in der Unterwelt oder das Veilchen, das das Auge des Hermes auf der Insel der Kalypso erfreut, wird eingegangen. Einige Pflanzen sind nicht ganz eindeutig zu bestimmen und es bleibt auch heute noch Raum für Spekulationen.

Was ist 'nepenthes', welches Helena in den Wein mischt, um den Kummer zu vertreiben? Was ist die bittere Wurzel, mit der die Griechen die Pfeilwunden behandelten? Welche Frucht aßen die Lotophagen, die auch die Begleiter des Odysseus ihre Heimat vergessen lässt? Mit welcher Pflanze trübte Circe das Bewusstsein der Gefährten des Odysseus, so dass sie meinten, Schweine zu sein? Und was verbirgt sich hinter dem geheimnisvollen Kraut Moly, das Hermes Odysseus gibt als Mittel gegen die Zauberkräfte der Circe?

In ihrem Vortrag „Homerische Pflanzen – Nutz-, Heil- und Zauberpflanzen in Ilias und Odyssee“ im Rahmen der Homer-Ausstellung am Sonntag 19.10.2008 (11.00 Uhr, rem, Mannheim, D5) wird Prof. Claudia Erbar vom Heidelberger Institut für Pflanzenwissenschaften, Abteilung Biodiversität und Pflanzensystematik, Universität Heidelberg, versuchen, einige der Geheimnisse zu lüften! Seit Mitte des 19. Jahrhunderts hat es keine Zusammenstellung der homerischen Pflanzen mehr gegeben (u.a. 1820 durch Friedrich Creuzer, Professor der Alten Literatur in Heidelberg). Die Zuordnung der Pflanzen zu heutigen Namen ist nicht immer einfach, weil nur selten Eigenschaften erwähnt werden, die die Bestimmung erleichtern würden. Hilfreich sind Nennungen und ausführlichere Beschreibungen bei den nachhomerischen Autoren (Theophrast, Dioskurides), aber auch Abbildungen auf zeitgenössischen Münzen. Teilweise sind die Namen bis heute in den griechischen Vulgärnamen erhalten geblieben oder sind sogar von Linné, dem Begründer der heutigen Nomenklatur, in den wissenschaftlichen Pflanzennamen 'konserviert' worden. Wenig hilfreich für die Pflanzenbestimmung ist allerdings zuweilen die berühmte Voß'sche Übersetzung. Hier wird beispielsweise 'ion', das Veilchen, zum 'Klee', aber auch 'lotos' wird mit 'Klee' übersetzt. 'Pitus' ist mal als 'Kiefer' mal als 'Tanne' zu finden. Und 'platanistos' wird wohl wegen des Versmaßes als 'Ahorn' und nicht als 'Platane' übersetzt. Die Auseinandersetzung mit dem ursprünglichen griechischen Text ist also unerlässlich. Aber mit dem Kraut 'moly' (gegen die Vergesslichkeit) kann die Brücke geschlagen werden zu der modernen medizinisch-pharmakologischen Forschung, wie im Vortrag dargestellt werden wird.
 
In einer Kooperation zwischen den Reiss-Engelhorn-Museen, Luisenpark und Universität Heidelberg wird es ab Mitte Oktober im Luisenpark eine Ausstellung homerischer Pflanzen geben.

Kontakt:
Prof. Dr. Claudia Erbar
Universität Heidelberg, Heidelberger Institut für Pflanzenwissenschaften (HIP), Biodiversität und Pflanzensystematik
claudia.erbar@hip.uni-heidelberg.de

Allgemeine Rückfragen von Journalisten auch an:
Dr. Michael Schwarz
Pressesprecher der Universität Heidelberg
michael.schwarz@rektorat.uni-heidelberg.de

Irene Thewalt
presse@rektorat.uni-heidelberg.de

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