Siegel der Universität Heidelberg
Bild / picture

Wo hat die Natur nur Mathematik studiert?

25. April 2008

Professor Willi Jäger vom Interdisziplinären Zentrum für Wissenschaftliches Rechnen (IWR) suchte die Fibonacci-Zahlen in den Lebewesen

"Wo hat die Natur nur Mathematik studiert?", fragte Professor Willi Jäger von Interdisziplinären Zentrum für Wissenschaftliches Rechnen (IWR) der Universität Heidelberg bei seinem Vortrag zum Jahr der Mathematik in den voll besetzten, großen Hörsaal des Kirchhoff-Instituts für Physik. Schließlich ist es schon erstaunlich, welchen mathematischen Gesetzmäßigkeiten die Natur folgt. Da gibt es beispielsweise die so genannten Fibonacci-Zahlen. Und wie der große Mathematiker des 13. Jahrhunderts Leonardo da Pisa, auch Fibonacci genannt, so erklärte auch Willi Jäger diese Zahlenabfolge mit Hilfe einer sich entwickelnden Kaninchenpopulation. Diese hat sich allerdings entsprechend bestimmter Regeln zu vermehren: Zu Beginn gibt es ein Paar geschlechtsreifer Kaninchen, jedes neugeborene Paar wird im zweiten Lebensmonat geschlechtsreif und jedes geschlechtsreife Paar wirft pro Monat ein weiteres Paar. Zusätzlich verlässt kein Tier die Population, etwa durch Tod, und es kommen keine Tiere von außen hinzu. Das erste Paar erzeugt seinen Nachwuchs bereits im ersten Monat. Jeden Folgemonat kommt dann zu der Anzahl der Paare, die im letzten Monat gelebt haben, eine Anzahl von neugeborenen Paaren hinzu, die gleich der Anzahl der Paare ist, die bereits im vorletzten Monat gelebt haben. So werden aus einem Paar, nach einem Monat zwei Paare, nach zwei Monaten drei und innerhalb eines Jahres sind es 377.

Diese Abfolge der Zahlen 1, 2, 3, 5, 8, 13, 21, 34, .... wird eben als Fibonacci-Folge bezeichnet, und diese hat es in sich, wie der Mathematikprofessor Jäger weiter aufzeigte: "Die Verhältnisse zweier aufeinanderfolgender Fibonacci-Zahlen konvergieren zu 0,618, und das hat etwas mit dem so genannten Goldenen Schnitt zu tun." Dieses Verhältnis berücksichtigten schon berühmte Geigenbauer bei ihrer Arbeit, und auch in der Architektur findet es sich immer wieder. Außerdem lässt sich die Fibonacci-Folge grafisch als Spirale darstellen. Etwas, was sich in der Natur im Bauplan von Schnecken oder Ammoniten wiederfindet. Genauso weisen viele Pflanzen in ihrem Bauplan Spiralen auf, wie beispielsweise die Samen in den Blütenständen der Sonnenblume. Hier lassen sich etwa die Fibonacci-Zahlen 34 und 55 wiederfinden. "Dadurch wird eine gewisse optimale Anordnung der Samenkörner erreicht", erläuterte Willi Jäger. Ebenso finden sich die Fibonacci-Zahlen bei der Anordnung der Pflanzenblätter: Lilie und Iris haben drei Blütenblätter, Rosen dagegen fünf. Diese sind so angeordnet, dass sie wiederum dem durch den Goldenen Schnitt gegebenen Winkeln folgen – und so bekommt jedes Blatt möglichst viel Licht.

"Wir sind dabei, Mathematik an der Natur zu lernen", hielt der Mathematikprofessor fest. Aber wie lassen sich die Regeln, denen die Natur folgt, begreifen? Viele Probleme in der Biologie ließen sich mit mathematischen Modellen beschreiben und berechnen, meinte Jäger, und so werde Leben erfassbar. Da lässt sich das Wachstum eines Baumes oder das Wachstum von Wurzeln simulieren, und selbst das Wandern von Stammzellen in Richtung Knochenmark nach einer Stammzellentransplantation kann nachgebildet werden. Dabei erkennen die Mathematiker immer wieder, dass die biologischen Prozesse keine Sonderstellung in der Natur einnehmen, jedoch sehr komplex sind. Bei allem sei auch zu berücksichtigen, dass die mathematischen Modelle nur einen Projektraum lieferten, also gefilterte Bilder der Wirklichkeit darstellten, wie Professor Willi Jäger abschließend betonte.
Stefan Zeeh
© Rhein-Neckar-Zeitung

Rückfragen bitte an:
Dr. Michael Schwarz
Pressesprecher der Universität Heidelberg
Tel. 06221 542310, Fax 542317
michael.schwarz@rektorat.uni-heidelberg.de

Irene Thewalt
Tel. 06221 542310, Fax 542317
presse@rektorat.uni-heidelberg.de
Seitenbearbeiter: E-Mail
zum Seitenanfang