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T. van de Kamp, A.H. Schwermann, T. dos Santos Rolo, P.D. Lösel, T. Engler, W. Etter, T. Faragó, J. Göttlicher, V. Heuveline, A. Kopmann, B. Mähler, T. Mörs, J. Odar, J. Rust, N. Tan Jerome, M. Vogelgesang, T. Baumbach, L. Krogmann: Parasitoid biology preserved in mineralized fossils. Nature Communications (published online 2018. DOI: 10.1038/s41467-018-05654-y

 
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Parasiten in fossilen Fliegenpuppen nachgewiesen

31. August 2018

Heidelberger Forscher liefern mathematische Algorithmen und Software für die digitale Rekonstruktion

Video: Thomas van de Kamp, KIT; Nature Communications

Digitale Rekonstruktion der parasitischen Wespe Xenomorphia resurrecta mit der Biomedisa-Anwendung: Hier das Weibchen.

Parasitisch lebende Wespen gab es schon vor vielen Millionen Jahren: Einer internationalen Forschergruppe mit Beteiligung von Heidelberger Wissenschaftlern ist es gelungen, wichtige Erkenntnisse zur Evolution des Parasitismus zu gewinnen. Dank ultraschneller Röntgenbildgebung konnten erstmals fossile parasitäre Wespen in ihren Wirten nachgewiesen werden. Vier ausgestorbene und bis dahin unbekannte Wespenarten wurden neu entdeckt und beschrieben. Forscher der Universität Heidelberg entwickelten passende mathematische Algorithmen und die Software für die digitale Rekonstruktion.

Grundlage der Untersuchungen bildeten mehr als 1.500 Fossilien, die zu Sammlungen des Naturhistorischen Museums Basel (Schweiz) und des Naturhistoriska Riksmuseet Stockholm (Schweden) gehören. Es handelt sich um mineralisierte Fliegenpuppen, die im späten 19. Jahrhundert in Phosphoritminen im südfranzösischen Quercy gefunden und bereits 1944 von dem Basler Entomologe Eduard Handschin ausgiebig beschrieben wurden. Er wies auf die besondere Bedeutung der äußerlich unscheinbaren, nur rund drei Millimeter langen Stücke hin. Handschin hatte zwar in einer schätzungsweise 34 bis 40 Millionen Jahre alten Fliegenpuppe den Umriss einer parasitischen Wespe erahnt, eindeutig nachweisen ließ sich diese mit den damaligen Methoden allerdings nicht.

Wespe

Abbildungen: Thomas van de Kamp, KIT; Nature Communications

Digital wiederauferstanden: Die parasitische Wespe Xenomorphia resurrecta legt ein Ei in einer Fliegenpuppe ab.
Wespe Wespe
Digitale Rekonstruktion der parasitischen Wespe Xenomorphia resurrecta mit der Biomedisa-Anwendung: Männchen (oben) und Weibchen.

Mit der Methode der Synchrotron-Röntgen-Mikrotomographie ist es heute möglich, das Innere von Millionen Jahre alten Objekten zerstörungsfrei zu untersuchen und die darin enthaltenen inneren Strukturen dreidimensional zu erfassen und darzustellen. Geröntgt wurden die Fliegenpuppen an der Hochgeschwindigkeits-Tomographie-Station UFO am Synchrotron des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT), an dem das Projekt auch koordiniert wurde. Nachdem die parasitischen Wespen im Innern der Fliegenpuppen durchleuchtet worden waren, wurden sie aufwendig digital aufbereitet und hochauflösend rekonstruiert.

Für diese Rekonstruktion kam die „Biomedical Image Segmentation App“ (Biomedisa) zum Einsatz. Entwickelt wurde die Online-Anwendung am Engineering Mathematics and Computing Lab, das unter der Leitung von Prof. Dr. Vincent Heuveline am Interdisziplinären Zentrum für Wissenschaftliches Rechnen der Universität Heidelberg arbeitet. „Biomedisa ist in der Lage, in sehr kurzer Zeit sehr große dreidimensionale Bilddaten, wie sie zum Beispiel durch die Synchrotron-Röntgen-Mikrotomographie erzeugt werden, zu analysieren“, so der Wissenschaftler, der zugleich eine Forschungsgruppe am Heidelberger Institut für Theoretische Studien (HITS) leitet.

In den Daten werden dazu einzelne Objekte markiert, um diese anschließend dreidimensional darstellen und sie für weitere Analysen verwenden zu können. „Diese sogenannte Segmentierung wird aufgrund der Komplexität der Objekterkennung häufig noch manuell durchgeführt. Es dauert jedoch mehrere Wochen bis hin zu Monaten, um so das 3D-Modell eines sehr großen Datensatzes zu erstellen“, erläutert Doktorand Philipp Lösel, der maßgeblich an der Entwicklung der Online-Anwendung beteiligt war. Auf der Basis von hochleistungsfähigen, parallel arbeitenden Computertechnologien haben die Heidelberger Wissenschaftler mit Biomedisa ein Segmentierungsverfahren entwickelt, das die Arbeitszeit von einigen Wochen auf wenige Stunden reduziert.

Im Zusammenwirken verschiedener Disziplinen konnte das internationale Forscherteam 55 Parasitierungsereignisse und vier unbekannte, bislang nicht beschriebene, ausgestorbene Wespenarten belegen. Die vier verschiedenen Arten sind Schmarotzer, die sich im Innern ihres Wirts – in diesem Fall der Fliegenpuppe – entwickeln und im Zeitraum von vor rund 40 bis vor rund 23 Millionen Jahren lebten. Die Ergebnisse des Projekts liefern wichtige Erkenntnisse zur Evolution des Parasitismus, der weit verbreitet ist und Ökosysteme wesentlich prägt. Heute gelten rund 50 Prozent aller Tierarten als Schmarotzer. Der Zusammenhang zwischen Artenvielfalt und Parasitismus zeigt sich besonders deutlich bei der Insektenordnung der Hautflügler (Hymenoptera), zu denen die Wespen gehören.

Die Forschungsergebnisse wurden in Nature Communications veröffentlicht.

Seitenbearbeiter: E-Mail
Letzte Änderung: 06.09.2018
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