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Digitale Edition japanischer Querrollen

18. November 2015

Heidelberger Wissenschaftler machen historische Dokumente im Internet frei zugänglich

Ausschnitt japanischer Querrolle
Ausschnitt einer Querrolle aus dem Jahr 1672

Japanische Querrollen, die aus Textpassagen und Malereiszenen bestehen, sind in der Regel schwer zugänglich und werden in der Öffentlichkeit nur selten gezeigt. Ein Team von Studierenden und IT-Spezialisten hat nun unter Leitung von Prof. Dr. Melanie Trede vom Institut für Kunstgeschichte Ostasiens der Universität Heidelberg eine Website realisiert, auf der diese kunst- und religionshistorisch bedeutsamen Dokumente abrufbar sind. Neben wenig bekannten Querrollen umfasst die digitale Edition auch solche Rollen, die bislang noch nie publiziert wurden. Der Schwerpunkt liegt auf Werken aus dem Zeitraum 14. bis 19. Jahrhundert, die den buddhistisch-shintoistischen Gott Hachiman preisen. Die insgesamt sieben Querrollen stammen aus verschiedenen Shinto-Schreinen sowie aus Museen und Bibliotheken in Japan, den USA und Deutschland. Die Website ist unter der Adresse http://hachiman.uni-hd.de frei zugänglich.

Das vom Betrachter mit beiden Händen von rechts nach links zu entrollende Format wurde im achten Jahrhundert vom ostasiatischen Festland übernommen. Heute stellen diese historischen Dokumente ein zentrales Gebiet der kalligrafie-, kunst- und religionsgeschichtlichen Forschung Japans dar. Die wissenschaftliche Beschäftigung mit den Originalen ist allerdings dadurch erschwert, dass diese Querrollen sehr fragil und von Zerfall bedroht sind. „Das ist der Lichtempfindlichkeit der Beschreibstoffe Papier oder Seide sowie den porösen Mineral- und Pflanzenpigmenten geschuldet. Aus diesem Grund werden die handschriftlichen Zeugnisse auch nie über einen längeren Zeitraum ausgestellt“, betont Prof. Trede. Die Wissenschaftlerin hat im Rahmen ihres Forschungsprojekts „Aspekte der Medialität und Materialität illuminierter Querrollen im mittelalterlichen Japan“ am Sonder­forschungs­bereich 933 „Materiale Textkulturen“ der Universität Heidelberg zur Malerei- und Kalligrafieanalyse dieser Dokumente geforscht.

Wie die Heidelberger Kunsthistorikerin erläutert, geben die auf dem Internet-Portal wissenschaftlich aufbereiteten Querrollen eine in religiöser und politischer Hinsicht einflussreiche und mit Malereien illustrierte Legende wieder: erzählt wird von der angeblichen prähistorischen Eroberung Koreas durch die schwangere Kaiserin Jingū. In der Folge trat ihr Sohn und zukünftiger Kaiser Ôjin als Schutz- und Kriegsgott Hachiman in Erscheinung, der in zahlreichen Schreinen noch heute verehrt wird.

Zur Edition der Heidelberger Wissenschaftler gehören neben der Präsentation der sieben digitalisierten Rollen auch Transliterationen und englische Übersetzungen der Kalligrafiepassagen, die in japanischen und chinesischen Schriftzeichen geschrieben worden sind. Darüber hinaus werden auch die Malereiszenen erläutert und Vergleiche einzelner Motive und Szenen der unterschiedlichen Rollen anhand von „Lichttischen“ vorgestellt. „Reaktionen von Wissenschaftlern aus Japan, den USA und aus Europa, die uns zur Freischaltung der Website erreicht haben, heben insbesondere die Innovation und analytische Dichte der Edition hervor“, berichtet Prof. Trede. Derzeit wird in einem Seminar mit Studierenden an einer Aktualisierung und Erweiterung der Website gearbeitet.

Gefördert wurde das Digital Humanities-Projekt vom Field of Focus 3 „Kulturelle Dynamik in globalisierten Welten“ – einem der vier interdisziplinären Forschungsfelder, die im Rahmen der Exzellenzinitiative im „Zukunftskonzept“ der Universität Heidelberg verankert sind. Zu den weiteren Kooperationspartnern gehören außerdem der SFB 933, der Exzellenzcluster „Asien und Europa im globalen Kontext“ der Ruperto Carola sowie Software-Entwickler des IT-Unternehmens bitGilde.

 

Seitenbearbeiter: E-Mail
Letzte Änderung: 18.11.2015
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