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Meinungen

Zum Sinn und Unsinn von Reformen:
Der "BA" als Studienabschluß in den Kulturwissenschaften?

Fast vergessen sind die Zeiten, als um jeden Lehramtskandidaten geworben wurde und Studenten "auf's Land" zogen, um die letzten Begabungsreserven zu aktivieren. Mittlerweile hadert die Kultuspolitik mit angeblich zu langen Studienzeiten und ineffektiver Ausbildungspraxis. Daß daran weniger die Indifferenz von Studierenden als der Niveauverlust des Abiturs, auch die Suche nach einem Arbeitsplatz schuld sein könnte, ganz zu schweigen von studienbegleitenden Qualifikationsanstrengungen, wird selten bedacht. Abhilfe soll nun die Einführung des "Bachelor"-Abschlusses vor allem in den Lehramtsfächern schaffen. Allmählich spricht sich herum, daß damit nicht das Studium der "liberal arts" nach amerikanischem Muster gemeint sein kann. Ein BA solcher Art entspräche allenfalls einem besseren deutschen Abitur. Also ein anderer Weg: sechs Semester Studium, straff organisiert, streng durchgeprüft, im stufenweise geordneten Curriculum aufgebaut. Das klingt gut, bedeutet de facto aber die Auflösung des akademischen Studiums zugunsten einer integrierten Fachhochschule in der Universität. Da gleichzeitig der Weg der Lehramtskandidaten von dem der künftigen Magister und Doktoranden geschieden werden soll, zerfällt die Einheit der Fächer nach Maßgabe eines Baukastensystems, neudeutsch "Modularisierung" genannt.

Wer die zukünftigen BA-Absolventen anstellen soll, bleibt einstweilen im Dunkeln. Geht es nur um die Vergabe eines "looser"-Zertifikats, das die Studentenzahlen senkt und – endlich – noch größere Einsparungen ermöglicht? Wie soll sich der BA-Studiengang vom Magisterabschluß distanzieren, der doch mit politischem Oktroy nach maximal neun Semestern Regelstudienzeit ansteht? Wer die postulative Einheit von Forschung und Lehre als Hindernis aktueller Marktgängigkeit empfindet, sollte dies offen aussprechen. Mit der weiteren Verschulung der Universität jedenfalls lassen sich gerade nicht die kreativen Köpfe fördern, nach denen auch die Wirtschaft lechzt. Im übrigen: Wie verhält sich die dramatische Verminderung des akademischen Mittelbaus zu der mit dem BA-Projekt angestrebten Intensivierung des Grundstudiums? Sollen die Assistenten, die es schwer genug haben, auch noch zusätzliche BA-Kurse samt Abschlußprüfungen übernehmen? Wie steht es mit den bisherigen Zwischenprüfungen? Wie ist mit denen umzugehen, die sich nach Erwerb des BA-Grades doch noch dem Magisterabschluß zuwenden?

Neue Stellen sind nicht in Sicht, stattdessen vielerorts ein Abbau der personellen Ressourcen, dazu ein Dickicht bürokratischer Regelungen und unausgereifter Vorschläge. Die Universität hat bereits vor Jahren in einer Rektoratskommission umsichtig und durchaus nicht in grundsätzlicher Ablehnung zu den BA-Plänen Stellung bezogen. Das diesbezügliche Papier ist längst – leider resonanzlos! – in den Intermundien der Kultuspolitik verschwunden. Wer weiter den fälligen Dialog sucht, wird mit endgültigen "politischen" Vorgaben konfrontiert, wobei das Wort "politisch" auch durch "fiskalisch" ersetzt werden kann. Die Fächer sollen "entrümpelt" werden, was nichts anderes heißt, daß nach Meinung alerter Modernisierer bislang Gerümpel feilgehalten wird. Daß sich Fächer durch einen Gegenstandsbereich mit historischen Dimensionen und sprachlichen Voraussetzungen definieren, bleibt manchen Politikern verborgen. So entschließt man sich offenbar, alles, was nicht in das Prokustesbett fiskalischer Nöte eingezwängt werden kann, an den Seiten abzusägen. Das wird unliebsame Folgen nach sich ziehen, jedenfalls die Lehr- und auch die Forschungspraxis wichtiger Fächer so verändern, daß unser Bild von der "deutschen Universität" sich in naher Zukunft vielleicht zu einem fernen und liebenswerten Erinnerungsgemälde verflüchtigt.

Reformen? Ja, aber im Gespräch mit den Betroffenen und nicht nach Entscheidungen hochschulferner Gremien, die von der akademischen Wirklichkeit, auch von den Problemen der Studierenden, nicht mehr zur Kenntnis genommen haben als Rechensummen und Zahlenkolonnen.


Autor:
Prof. Dr. Wilhelm Kühlmann
Neuphilologische Fakultät, Hauptstraße 120, 69117 Heidelberg,
Telefon (06221) 54 28 90

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