Siegel der Universität Heidelberg
Bild / picture

Gespannte Bindungen mit Spannung erforscht

Warum klebt Zwei-Komponenten-Kleber so schnell und bombenfest? Und gibt es eine Möglichkeit, die Energie des Sonnenlichts zu ,fangen", wie Pflanzen es tun? Kann man es vielleicht sozusagen in chemische Käfige sperren? Antworten auf diese und viele andere Fragen gibt die Grundlagenforschung, die Rolf Gleiter und seine Mitarbeiter am Organisch-Chemischen Institut der Universität Heidelberg betreiben. Chemische Moleküle, die unter Spannung stehen, sind ihre Spezialität. Käfigmoleküle, von Ingenieuren und Chemikern geschätzt wegen ihrer Reaktionsfreudigkeit, dienen als Energiespeicher und als Modell, um Bindungs- und Spannungstheorien zu überprüfen. Molekulare Käfige, also chemische Verbindungen, deren Struktur an einen Käfig erinnert, können aus Kohlenstoff- und Wasserstoffatomen bestehen. Ein Naturwissenschaftler wird sich an dieser Stelle an seine erste Vorlesungsstunde in organischer Chemie erinnern: Am Beispiel einfacher Kohlenwasserstoffe wie Methan, Ethan oder Propan werden seit Generationen die Grundlagen der Bindungsverhältnisse in organischen Molekülen gelehrt. Kohlenwasserstoffe bieten jedoch keineswegs nur Stoff für Einführungsvorlesungen, wie die Forschung unserer Arbeitsgruppe am Organisch-Chemischen Institut zeigt. Hier werden Kohlenwasserstoffe mit gespannten Bindungen hergestellt und analysiert. Gespannte Käfigmoleküle zählen heute zu den wichtigsten Informationsquellen, um chemische Theorien zur Struktur und Reaktivität organischer Verbindungen zu überprüfen. Eine gespannte chemische Bindung stellt man sich am besten als gespannten Bogen vor: Je stärker ein Bogen gespannt wird - oder je mehr eine chemische Verbindung gebogen ist -, desto höher ist die darin gespeicherte Energie. Und so, wie der assyrische Gott Assur sich zuerst darauf konzentrieren mußte, seinen Bogen zu spannen, bevor er den Pfeil losließ, um sein Ziel möglichst exakt zu treffen, bemühen sich Chemiker, stabile Moleküle mit energiereichen gespannten Bindungen herzustellen, um diese dann gezielt in unterschiedliche Substanzen zu verwandeln, wobei die Spannungsenergie frei wird. Eingeweihte wissen, daß sowohl die Herstellung gespannter Moleküle als auch eine gezielte Kanalisation der Spannungsenergie in nützliche Reaktionsprodukte nicht ganz einfach sind. Vor allem Vorhersagen bezüglich der Reaktivität gespannter Bindungen sind schwierig, unter anderem, weil theoretische Modelle solcher Bindungen erst seit kurzem entwickelt werden.

Seit ,Chemikergedenken" wandeln sich Modellvorstellungen über das Wie und Warum des Aufbaus von Molekülen stetig. Das Fundament der heute gültigen Strukturtheorie der Lehre der Chemie der Kohlenstoffverbindungen, der organischen Chemie, wurde in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts geschaffen. Im Jahre 1857 erkannten Friedrich August Kekulé, ein Schüler Robert Wilhelm Bunsens, und der Engländer Archibald Scott Couper, daß Kohlenstoff in seinen einfachsten Verbindungen mit genau vier weiteren Atomen verknüpft ist. Diese fundamentale Entdeckung hatte zur Folge, daß die Struktur hunderter chemischer Verbindungen erstmals korrekt bestimmt werden konnte.

Aus der optischen Aktivität bestimmter Kohlenstoffverbindungen folgerte man knapp 30 Jahre später, daß die vier Bindungspartner des Kohlenstoffs nicht in einer Ebene gruppiert, sondern tetraederförmig angeordnet sind. Röntgenstrukturanalysen bestätigten Anfang des 20. Jahrhunderts experimentell, daß Kohlenstoffatome, die vier Einfachbindungen ausbilden, in der Regel Bindungswinkel von 109 Grad erzeugen - ein eindeutiger Beweis für die Tetraederstruktur.

Kurz nach der Entdeckung der Vierbindigkeit fand man, daß sich Kohlenstofftetraeder fast beliebig miteinander verknüpfen lassen und mühelos verzweigte oder unverzweigte Ketten unterschiedlicher Längen hergestellt werden können. Die ersten Versuche, die Ketten zu Ringen zu schließen, verliefen jedoch unbefriedigend: Fünf- und sechsgliedrige Ringe ließen sich ohne Probleme produzieren, die Synthese kleinerer oder größerer Ringe erwies sich dagegen als äußerst schwierig.

Adolf von Baeyer, ein Schüler Kekulés, versuchte 1885 erstmals, die unterschiedlichen Bildungstendenzen von Kohlenstoffringen zu erklären. Er ging davon aus, daß sämtliche Kohlenstoffringe eben gebaut sind. Dadurch ergeben sich zwangsläufig verschiedene Kohlenstoffbindungswinkel, die alle mehr oder weniger stark vom stabilen Tetraederwinkel von 109 Grad abweichen. Seiner Theorie zufolge führen diese Abweichungen zu Winkelspannungen, die sich für jeden Zyklus zu einer bestimmten Ringspannung addieren. Von Baeyer nahm an, daß die Stabilität von Kohlenstoffringen mit steigender Ringspannung abnimmt, und erklärte so die Unbeständigkeit von Drei-, Vier- und Siebenringen sowie größeren Zyklen.

Die von Baeyersche Spannungstheorie lieferte bahnbrechende Impulse für die Entwicklung der modernen organischen Chemie. Erstmalig demonstrierte sie die Bedeutung der Bindungswinkel für die Stabilität und die Reaktivität organischer Moleküle. Sein Konzept der ,gespannten Bindungen" führte dazu, daß Chemiker ihre starren Strukturmodelle durch deformierbare ersetzten. Außerdem gilt Spannung seither als einer der wichtigsten Faktoren, welche die Struktur, die Energie und die Reaktivität eines Moleküls bestimmen.

Auch die Natur nutzt Molekülspannung, um die Reaktivität verschiedener Wirkstoffe zu modulieren, zum Beispiel Kohlenstoffdreiringe in Pyrethrin, einem Insektizid aus Pyrethrumarten. Vierringe sind Bestandteile des alpha-Pinens, aus dem Terpentinöl überwiegend besteht. Und auch das Antibiotikum Penicillin enthält einen gespannten Vierring aus drei Kohlenstoffatomen und einem Stickstoffatom. Heute sind Theoretiker und Experimentalisten gleichermaßen daran interessiert, den Einfluß von Spannung auf chemische Verbindungen weiter zu erforschen. Die einen sehen in ihnen wichtige Prüfstände für alte und neue Bindungstheorien, die anderen schätzen sie als wirkungsvolle Triebkraft für chemische Reaktionen. Wir beschäftigen uns seit etwa zehn Jahren mit gespannten Käfigverbindungen. Unsere Spezialität ist die Synthese kleiner, hochgespannter Käfige, die nicht nur als Modellsubstanzen verwendet werden können, um Bindungsvorstellungen zu überprüfen, sondern auch als Modelle für Reaktionswege oder als Ausgangsstoffe für Polymere. Beispielsweise gelang es, einen außergewöhnlichen Abkömmling des Kohlenwasserstoffes Prisman herzustellen. Prisman ist eine der kleinsten Käfigverbindungen. Seine Struktur erinnert an ein optisches Prisma. Die Ringspannung des Moleküls ist so groß, daß die Verbindung, eine farblose Flüssigkeit, bei Zimmertemperatur nur wenige Minuten existiert, bevor sie in andere stabilere Produkte zerfällt.

Bisher verhinderte die geringe Stabilität eine detaillierte Strukturanalyse des Prismans. Der von unserer Arbeitsgruppe synthetisierte Prismanabkömmling ist hingegen äußerst stabil. Deshalb konnten die Bindungslängen und -winkel des Derivats durch Messungen der Differenzelektronendichten bestimmt werden, einer besonders genauen Methode der chemischen Strukturanalyse. Der Experte im Haus, Hermann Irngartinger, untersuchte winzige Kristalle des Prismanderivats bei minus 178 Grad Celsius. Er analysierte mehr als 10 000 Reflexe energiereicher Röntgenstrahlung an einem würfelförmigen Kristall mit einer Kantenlänge von zirka 0,5 Millimetern. Danach stand fest: Alle Bindungen des aus Kohlenstoffdrei- und -vierringen bestehenden Derivats sind ,Bananen"-Bindungen. Diese gebogenen Bindungen wurden vor einigen Jahren erstmals an Kohlenstoffdreiringen entdeckt. Sie treten immer dann auf, wenn Kohlenstoffbindungswinkel sehr viel kleiner sind als der stabile Tetraederwinkel von 109 Grad (im Dreiring theoretisch 60 Grad), und die daraus resultierende Winkelspannung so hoch ist, daß ,normale", gerade Bindungen nicht gebildet werden können. Die maximale Elektronendichte liegt bei ,Bananen"-Bindungen nicht auf der kürzesten Strecke zwischen den Kohlenstoffkernen, wie bei normalen Bindungen, sondern auf einer gekrümmten Linie außerhalb des Rings.

Die Strukturanalyse des Prismanderivats bot die seltene Gelegenheit, die unterschiedlichen Ringspannungen von Kohlenstoffdrei- und -vierringen innerhalb eines einzigen Moleküls zu vergleichen. Die Elektronendichte einzelner Atombindungen wird gemessen - wobei gilt, je höher die Elektronendichte, desto stärker ist die Bindung. Herrmann Irngartinger entdeckte feine Unterschiede zwischen den Bindungen, die ausschließlich Kohlenstoffvierringe bilden und solchen, die gleichzeitig Teil eines Drei- und Vierrings sind. Er fand, daß die Elektronendichte der Bindungen des zweiten Typs nur etwa halb so groß ist wie die des ersten, sie also deutlich schwächer sind. Das illustriert den unterschiedlichen Spannungszustand von Kohlenstoffdrei- und -vierringen: Bindungen eines Dreirings sind deutlich schwächer, da die Molekülspannung erheblich größer ist als im Vierring. Neben anomalen Bindungswinkeln kann Ringspannung auch atypische Bindungslängen erzeugen. Ein in unserer Arbeitsgruppe synthetisierter sternförmiger Kohlenwasserstoffkäfig fiel ursprünglich auf, weil seine zentralen sich kreuzenden Bindungen ungewöhnlich reaktionsfreudig sind. Die Vermutung lag nahe, daß die hohe chemische Reaktivität auf strukturellen Besonderheiten beruht. Über die detaillierte Struktur von Stellanen (vom lateinischen Wort für ,Stern") gab es nur wenige Informationen, die geringe Stabilität der hochgespannten Systeme erschwerte wiederum die Strukturbestimmung.

Daher züchteten wir Kristalle des Stellanderivats bei minus 20 Grad Celsius und ermittelten die Röntgenstruktur. Es zeigte sich, daß die zentralen Bindungen des Moleküls ungewöhnlich lang sind: 1,6 Ångström, während der Normwert für Kohlenstoff- Kohlenstoff-Einfachbindungen nur 1,5 Ångström beträgt. Ein Ångström entspricht einem zehnmillionstel Millimeter. Auf den ersten Blick mag die Abweichung gering erscheinen. Sie ist jedoch groß genug, um die beobachtete Labilität der Bindungen zu erklären. Bei Stellanen bewirkt Ringspannung demnach eine Verlängerung der zentralen Bindungen, was zu erhöhter chemischer Reaktivität führt.

Manchem Leser mögen die hier beschriebenen Moleküle ziemlich exotisch vorkommen, und er wird nach dem Nutzen der Grundlagenforschung fragen. Dazu sei gesagt, daß die Erforschung solch ,seltsamer", aus der Sicht eines theoretischen Chemikers jedoch relativ ,einfacher" Käfige wesentliche Erkenntnisse über die Zusammenhänge zwischen Molekülspannung und chemischer Reaktivität liefert. Und gerade diese regen Wissenschaftler und Ingenieure immer wieder dazu an, chemische Spannungsenergie technisch zu nutzen. Ein bekanntes Beispiel sind die sogenannten Epoxi- oder Zwei-Komponenten-Kleber. Ihre speziellen Eigenschaften beruhen auf der gezielten Freisetzung der Spannungsenergie eines Dreirings. Eine Komponente besteht aus einer Verbindung, die Epoxidringe enthält. Mischt man die zweite Komponente hinzu, wird ein Teil der Ringe aus zwei Kohlenstoffatomen und einem Sauerstoffatom geöffnet, Spannungsenergie wird frei, und die Epoxidmoleküle polymerisieren. Der Vorgang verläuft äußerst rasch, und das entstandene Polymer ist extrem stabil - die erwünschten Eigenschaften eines schnell und dauerhaft wirkenden Epoxi- Klebers. Die Liste potentieller Anwendungsmöglichkeiten für gespannte Systeme ist lang. Da es sich um sehr energiereiche Moleküle handelt, ließen sich bestimmte Käfigverbindungen zum Beispiel als Treibstoffzusätze für Rennwagen oder Raketen verwenden, wo Treibstoff mit hoher Energiedichte benötigt wird. Käfigmoleküle liefern aber nicht nur interessante Einblicke in die Bindungsstruktur, sondern eignen sich auch zur Untersuchung von Reaktionswegen. Chemische Reaktionen bestehen fast immer aus einer Vielzahl von Einzelschritten. Um neue chemische Synthesen zu entwickeln oder bekannte Verfahren zu optimieren, müssen neben der Gesamtreaktion auch möglichst viele Einzelschritte der Reaktionswege erforscht werden. Hierzu benötigt man in der Regel Modellsubstanzen. Dafür eignen sich die Käfigmoleküle besonders gut. Normalerweise sind chemische Moleküle flexibel, ihre Atome können verschiedene räumliche Anordnungen einnehmen. In kleinen Käfigen dagegen sorgt die Molekülspannung dafür, daß die Positionen der einzelnen Atome zueinander fixiert sind. Deshalb kann man zwei reaktive Gruppen innerhalb eines Käfigs in genau definierten Abständen anordnen und eine Reaktion zum Beispiel als Funktion des Abstands zwischen zwei Reaktionszentren analysieren.

In diesem Sinne untersuchen Wissenschaftler unserer Arbeitsgruppe zur Zeit eine photochemische Reaktion, bei der zwei Kohlenstoff-Kohlenstoff-Doppelbindungen unter Bestrahlung einen Kohlenstoffvierring bilden, eine beliebte Methode für die Synthese von Vierringen. Besondere Aufmerksamkeit gebührt dieser Reaktion auch, weil sie die Möglichkeit bietet, Sonnenenergie in chemische Energie umzuwandeln: Die von den Doppelbindungen absorbierte Strahlungsenergie wird von den gespannten Vierringen als chemische Energie gespeichert.

Unser Interesse an dieser sogenannten photochemischen [2+2] Cycloaddition erwachte, als wir einen Käfig untersuchten, dessen Doppelbindungen nicht zu einem Vierring reagierten. Wir vermuteten, daß ein Ringschluß nicht stattfinden konnte, weil der Abstand zwischen den Doppelbindungen zu groß war. Um dies zu beweisen, synthetisierten wir eine zweite Käfigverbindung, die zwei Kohlenstoff-Kohlenstoff-Doppelbindungen in ähnlicher Anordnung, aber geringerem Abstand enthielt: 2,6 Ångström statt 3,1 Ångström. Da beide Systeme hochgespannte, starre Verbindungen darstellen, kann man davon ausgehen, daß die Doppelbindungen in beiden Molekülen im gemessenen Abstand fixiert sind. Wie erwartet, lieferte das zweite Käfigmolekül das gewünschte Cubanderivat (vom lat. Wort für ,Würfel"), als es bei zehn Grad Celsius bestrahlt wurde. Damit war bewiesen, daß der Abstand zwischen den Doppelbindungen einen entscheidenden Einfluß auf deren Reaktivität ausübt.

Wie so oft im Alltag eines Wissenschaftlers deckte die Beantwortung einer Frage eine halbes Dutzend neuer Ungereimtheiten auf. Wurde die zweite Käfigverbindung beispielsweise nicht bei zehn Grad Celsius sondern bei minus 70 Grad Celsius bestrahlt, entstand kein Cubanderivat. Stattdessen bildeten sich andere Produkte. Zur Zeit gibt es noch keine Hinweise darauf, warum das photochemische Verhalten der Käfigverbindung temperaturabhängig ist. Um die Frage zu beantworten, untersuchten wir ein drittes Käfigmolekül. Es gleicht elektronisch dem zweiten, der Abstand der Doppelbindungen wurde jedoch vergrößert, so daß er etwa dem Doppelbindungsabstand des Käfigs entspricht, der nicht zum Cuban reagierte. Die Auswertung wird wertvolle Informationen über den Einfluß geometrischer und elektronischer Faktoren auf die photochemische [2+2] Cycloaddition liefern. Eines unserer jüngsten Forschungsprojekte befaßt sich mit der Energieübertragung in organischen Substanzen. Da das Interesse an der Nutzung von Sonnenenergie steigt, versuchen verschiedene Arbeitsgruppen, künstliche Photosyntheseapparate herzustellen. Keinem Wissenschaftler ist es jedoch bisher gelungen, die Leistungsfähigkeit der natürlichen Systeme auch nur annähernd zu kopieren, unter anderem, weil viele chemische Details der natürlichen Photosynthesereaktionen noch unerforscht sind. Ein großes Rätsel ist die Frage, wie Lichtenergie in Pflanzenzellen von einem Reaktionszentrum zum anderen transportiert wird. Es ist bekannt, daß verschiedene Zentren durch komplizierte Proteingerüste miteinander verknüpft sind. Ihr Abstand ist jedoch so groß, daß ,konventionelle" Wege des Energietransfers ausgeschlossen werden müssen.

Um die Energieübertragung zwischen zwei Reaktionszentren zu modellieren, eignen sich kleine Käfigmoleküle. Sie sind zwar viel simpler als die von der Natur eingesetzten Proteine, bieten jedoch den Vorteil, daß experimentelle Ergebnisse direkt zur Erweiterung bestehender Theorien über Energieübertragungsreaktionen verwendet werden können. Aus dem Wechselspiel von Theorie und Experiment erhofft man sich ein besseres Verständnis der natürlichen Photosyntheseprozesse. Unsere Arbeitsgruppe analysierte den Energietransfer innerhalb zweier Stellanderivate. Wir maßen die Wechselwirkungsenergie zwischen zwei Kohlenstoff-Kohlenstoff-Doppelbindungen, die entweder durch einen oder durch zwei Stellankäfige miteinander verbunden waren. In beiden Fällen lagen die Doppelbindungen so weit voneinander entfernt, daß laut konventioneller Theorien keine Wechselwirkungen hätten stattfinden dürfen. Daher war die Begeisterung groß, als wir für beide Stellanderivate hohe Wechselwirkungsenergien maßen. Wir folgern daraus, daß gespannte Käfige in der Lage sind, als ,Signalverstärker" zu wirken und beachtlich effektive Energieübertragungen innerhalb chemischer Moleküle zu ermöglichen. Dieser ,Relais-Effekt" scheint um so stärker zu sein, je gespannter die Käfigmoleküle sind. Sollte sich diese Vermutung bestätigen, hätten wir die richtigen Werkzeuge zur Hand, um effektive Energieübertragungssysteme zu entwickeln. Ob Molekülspannung auch beim Energietransfer in biologischen Systemen eine Rolle spielt, ist zur Zeit noch unklar. Die Erforschung gespannter Käfige bleibt weiterhin spannend.

Autoren:
Dr. Ute Hänsler, Prof. Dr. Rolf Gleiter
Organisch- Chemisches Institut, Im Neuenheimer Feld 270, 69120 Heidelberg,
Telefon (06221) 56 24 00

Seitenbearbeiter Email
zum Seitenanfang