Siegel der Universität Heidelberg
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Editorial

Verehrte Leserinnen und Leser,

mit diesem Vorwort zu dem Forschungsmagazin der Universität Heidelberg stellt sich das neue Rektorat vor. Ihm gehören an neben dem Unterzeichnenden, Professor für Volkswirtschaftslehre und im Rektorat zuständig für den Aufgabenbereich der Lehre, die Prorektoren: Heinz Horner, Theoretische Physik, und zuständig für die Forschung; Hartmut Kirchheim, Physiologie, zuständig für Medizin; Heinz-Dietrich Löwe, Osteuropäische Geschichte, zuständig für die internationalen Beziehungen unserer Universität. Die Kontinuität bewahrt wie seit langer Zeit der Kanzler Siegfried Kraft.

Das neue Rektorat übernimmt von Herrn Kollegen Peter Ulmer, der das vorangegangene Rektorat über sechs Jahre erfolgreich leitete, eine in der Forschung ausgewiesene Universität. Dafür gibt es objektive Kriterien. Die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) hat erstmals eine offizielle Rangliste ihrer Mittelbewilligungen vorgelegt. Die Präsidenten der DFG und der Hochschulrektorenkonferenz begründen die damit verfolgte Absicht zu Recht so: „Einen Leistungsindikator stellen Bewilligungen der DFG allemal dar, denn die Bewertung der Förderungsanträge durch ehrenamtliche Gutachter – vor allem durch die alle vier Jahre gewählten Fachgutachter – geschieht nach Kriterien der wissenschaftlichen Qualität in einem Wettbewerb nach anerkannten Regeln.“

Für den Zeitraum 1991 bis 1995 plaziert die DFG die Universität Heidelberg mit 255 Millionen DM auf Rang vier unter 65 Hochschulen. Vor unserer Universität befinden sich nur die besonders apparate-intensiv forschenden Technischen Universitäten Aachen und München sowie die doppelt so große Universität München. In den Wissenschaftsbereichen Biologie/Medizin gelangt Heidelberg sogar auf Platz zwei. Die naturwissenschaftlichen Forscher plazierten sich auf Rang fünf, Geistes- und Sozialwissenschaften auf Rang neun.

Auch nach anderen Kriterien schneidet die Universität Heidelberg hervorragend ab. So heißt es in dem DFG-Bericht: „Bezogen auf die Anzahl der im Jahr 1996 laufenden Graduiertenkollegs erweist sich vor allem die Heidelberger Universität als besonders erfolgreich: Absolventen promovieren hier in 14 Kollegs – je fünf in den Bereichen Biologie/Medizin und Naturwissenschaften, vier in den Geistes- und Sozialwissenschaften.“ Die so dokumentierte herausragende Stellung der Universität Heidelberg in der deutschen Forschungslandschaft gilt es zu bewahren. Die Einwerbung von Drittmitteln – nicht allein von der DFG, sondern auch von Stiftungen und aus der Wirtschaft wie den Ministerien des Bundes und des Landes – wird angesichts der immer knapper werdenden Ressourcen der öffentlichen Hände in Zukunft noch bedeutsamer als in der Vergangenheit werden. Damit verschärft sich der Wettbewerb aller Forschungsstätten, der universitären wie der außer-hochschulischen Forschungsaktivitäten, um diese Drittmittel.

Um in diesem Wettbewerb zu bestehen, dürfen sich die Universitäten nicht – und auch nicht die Universität Heidelberg – in den Sog der politischen Diskussion um den heute vorherrschenden Begriff „Technologietransfer“ ziehen lassen. Die daraus gefolgerte Forderung nach der ökonomischen „Sicherung des Standortes Deutschland“ mündet in der Wissenschaftspolitik nur allzu schnell in die Förderung allein der Anwendungsforschung unter Vernachlässigung der Grundlagenforschung. Selbstverständlich sind beide Begriffe nicht leicht abgrenzbar, weil beide Forschungsbereiche interagieren. Sie sind keine schroffen Gegensätze. Gleichwohl heißt anwendbare Forschung, daß Erfindungen und Ideen in einem Stadium der Ausreifung sind, die den Versuch einer ökonomischen Umsetzung in marktfähige Produkte und Dienstleistungen erlauben. Grundlagenforschung impliziert noch immer in vielen Fällen einen Zeitraum von zehn oder auch fünfzehn Jahren, bevor Anwendung und ökonomische Verwendung erkennbar werden oder aber auch nicht. Vernachlässigung der zunächst vielleicht nicht einmal ökonomisch zielorientierten Grundlagenforschung heißt, daß es in einer absehbaren Zeitspanne keine anwendbare Forschung mehr geben kann.

Eine enge Fokussierung auf den „Technologietransfer“ beschwört zudem die Gefahr herauf, die Geistes- und Sozialwissenschaften zu vernachlässigen. Diese Disziplinen aber schaffen unsere kulturelle und geistige Identität, auf denen unser viel gelobter Erfolg in der Wirtschaft gründet. Der ökonomische Erfolg beruht heute viel stärker als früher auf dem Erkennen gesellschaftlicher Zusammenhänge nicht nur im Inland, sondern auch Ausland. Die Unternehmen benötigen nicht allein innerbetriebliche Kompetenzen, sondern auch Kompetenzen in gesamt-wirtschaftlicher Sichtweise sowie in gesellschaftspolitischem Denken. In diesem Sinne ist die Gesamtstruktur der Ruprecht-Karls-Universität zu stärken.

Jürgen Siebke
Seitenbearbeiter: Email
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