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Meinungen

Peter Hommelhoff, geschäftsführender Direktor des Instituts für deutsches und europäisches Gesellschafts- und Wirtschaftsrecht, zieht eine Zwischenbilanz des Heidelberger Versuchs, die Bedürfnisse von Anwälten in die Juristenausbildung zu integrieren.

Die große Vielzahl aller Juraabsolventinnen und -absolventen wird nicht Richter, Verwaltungsbeamter oder Hochschullehrer, sondern ergreift den Beruf einer Rechtsanwältin oder eines Rechtsanwalts. Und dies nicht etwa (entgegen mancher bösen Zunge), weil die Noten in den Examina für den Eintritt in den Staatsdienst nicht ausgereicht haben. Gewiß - mancher ist Anwalt geworden, da ihr oder ihm nichts anderes übrig geblieben ist. Aber die weitaus überwiegende Zahl der Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte hat den Beruf aus Neigung wegen seiner Besonderheiten ergriffen: wegen der Eigenverantwortlichkeit, wegen der Möglichkeit zu gestalten und zu helfen, wegen des direkten Umgangs mit den Mitmenschen, mit ihren Problemen und Nöten, wegen der großen Einstiegs- und Entfaltungsmöglichkeiten sowie (nicht zuletzt und völlig legitim) wegen der in aller Regel guten Verdienstmöglichkeiten.

Kurzum - die Anwaltschaft ist ein großes und bedeutsames Berufsfeld für Juristen. Bereitet die Universität ihre Absolventen hierauf ausreichend vor? Ja und nein: Das materielle Recht und das Verfahrensrecht muß der Richter ebenso beherrschen wie der Anwalt oder Verwaltungsbeamte; die Universitätsausbildung, nach den Vorgaben des Bundesgesetzgebers darauf ausgerichtet, den Absolventen die Befähigung für das Richteramt zu vermitteln, kommt daher auch all jenen zugute, die in die Anwaltschaft streben. Andererseits kommt in den Jurafakultäten die spezifische Arbeitsweise des Anwalts bislang zu kurz, die Methodik der Rechtsgestaltung: Ein Testament zu gestalten, den oder die Erblasser bei seiner Abfassung zu beraten, ist eine gänzlich andere Aufgabe als die, ein abgefaßtes Testament im Erbstreit als Richter auszulegen. Und selbst die Erfassung des Sachverhalts für einen Prozeß stellt an den Anwalt andere, ziemlich weitergehende Anforderungen als die Sachverhalts-Arbeit an den Richter.

Um ihre Absolventen noch besser zu befähigen, im Wettbewerb um attraktive Stellen in der Anwaltschaft, aber auch in den Unternehmen und Verbänden mithalten zu können, müssen die Jurafakultäten ihre Studiengänge um anwaltsorientierte Ausbildungselemente anreichern, ohne jedoch die Studiendauer zu verlängern. In der Sache bedeutet das vornehmlich: Einbau dieser anwaltsorientierten Ausbildungselemte in die klassischen Lehrveranstaltungen, in die Übungen vor allem, aber auch in die Vorlesungen und hier und da auch in die Seminare. Attraktiv könnten aber auch spezifisch anwaltsorientierte neue Lehrveranstaltungen sein, zum Beispiel "moot courts" nach anglo-amerikanischem Vorbild - Rollenspiele, in denen der Auftritt vor Gericht geprobt wird oder die Verhandlung eines Erbvertrags zwischen zwei anwaltlich beratenen Parteien unter Beteiligung eines Notars.

Die auch anwaltsorientierte Universitätsausbildung fordert die Jurafakultäten heraus. Die Heidelberger Fakultät will sich dem stellen: Zusammen mit erfahrenen und engagierten Repräsentanten der Anwaltschaft und aus dem Notariat erprobt sie, finanziell großzügig unterstützt von der Hans Soldau-Stiftung der Rechtsanwälte, bereits seit mehreren Semestern solche anwaltsorientierten Ausbildungselemente in ausgesuchten Lehrveranstaltungen. Die bisherigen Ergebnisse sind ermutigend, wenn auch noch ausbaubedürftig: Einer immer weiter anwachsenden Zahl von Studentinnen und Studenten macht der andere Arbeitsansatz offenbar Freude. Und nicht minder engagiert stellen sich die anwaltlichen Praktiker und die Hochschullehrer der Heidelberger Fakultät dieser neuen Aufgabe. Deshalb zeichnet sich schon jetzt das erfolgreiche Ziel des hiesigen Probelaufs ab: den Gesetzgeber aufgrund der in Heidelberg (und vielleicht noch an dem einen oder anderen Ort) gesammelten Erfahrungen in die Lage zu versetzen, als Ausbildungsziele neben der Befähigung zum Richteramt gleichberechtigt die zur Ausübung des Anwaltsberufs vorzugeben. Die Dienstleistungsfreiheit innerhalb der Europäischen Union zwingt uns im Interesse unserer Absolventen zu diesem Schritt.

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