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Was haben Steroidhormone mit Dinosauriern gemeinsam?

Die Vorstellungen, die wir uns über die Vorgänge in unserem Körper machen, müssen von Zeit zu Zeit revidiert werden, wenn die Wissenschaft zu neuen Erkenntnissen kommt und noch detaillierter, im immer Kleineren, etwa die Wirkung von Hormonen versteht. So geschehen bei den Steroidhormonen, die zum Teil als Streßhormone bekannt sind. Innerhalb von wenigen Sekunden bis Minuten kann zum Beispiel Aldosteron über einen neu entdeckten Weg die Kreislaufregulation beeinflussen. Der Durchmesser der Gefäße verändert sich und damit der Blutfluß. Die ersten Schritte der schnellen Wirkung ziehen langfristige Veränderungen im Funktionszustand von Zellen nach sich. Die Entdeckung, daß Aldosteron ein akut wirksames Kreislaufhormon ist, öffnet möglicherweise Wege zur Entwicklung neuer Therapieansätze für Hypertonie oder Herzinsuffizienz. Am Institut für Klinische Pharmakologie haben Martin Wehling und Michael Christ die schnellen Steroidwirkungen untersucht.

Wer kennt sie nicht, die aktuellen Spitzenreiter in Spielwarengeschäften, Buchläden und Kinos: Dinosaurier. Die bekannten Verfilmungen der Bestseller von Michael Crichtons „Dino-Park“ und „Vergessene Welt“ lösten einen unglaublichen Boom aus und brachten diese altertümlichen Geschöpfe in die eigene Wohnung. Welten und Lebewesen, die uns allen aus der Kindheit vertraut – aber eben doch nicht vertraut waren, bekamen eine neue Perspektive und damit einen neuen Blickwinkel. Diese für ein breites Publikum aufbereitete phantasievolle Weiterführung und Weiterverarbeitung der augenblicklichen technischen Möglichkeiten in Biochemie und Molekularbiologie verdrängten jedoch einen weiteren, unseres Erachtens sehr wichtigen Punkt, der ebenfalls in diesen Romanen enthalten ist. Während sich wohl jeder von uns (und natürlich auch die Wissenschaftler) die Dinosaurier als plumpe, kaltblütige Lebewesen vorstellte, zeigt das von Crichton aufgegriffene Bild, das sich zwischenzeitlich in der Fachwelt durchgesetzt hat, ein völlig anderes Szenario: Neuere wissenschaftliche Ergebnisse bestätigen, daß Dinosaurier schnelle, intelligente und warmblütige Tiere waren. Auch bezüglich der Pflege des Nachwuchses ergibt sich ein völlig konträres Bild. So zeigte sich der Oviraptor laut neuesten wissenschaftlichen Erkenntnissen eben nicht als der „Eiräuber“, sondern als ein sich um den eigenen Nachwuchs sorgendes Lebewesen. Ähnlich verhält es sich mit den Steroiden. Wissenschaftler beschäftigten sich über Jahrzehnte mit diesen körpereigenen Hormonen und untersuchten deren träge Langzeitwirkungen, die man sich über eine Modulation der Genexpression erklärt. Aktuelle Erkenntnisse unterstreichen jedoch eindeutig, daß eben neben diesen langsamen Effekten auch schnelle Effekte nachweisbar und an wichtigen physiologischen und pathophysiologischen Prozessen beteiligt sind. Doch um diese neuen Aspekte griffiger darstellen zu können, möchten wir im folgenden einen kurzen Überblick über die Biochemie von Steroiden und deren Funktionen in der Physiologie und Pathophysiologie des Organismus geben.

Steroidhormone sind kleine hydrophobe Moleküle, die vor allem in der Nebennierenrinde des Körpers gebildet werden. Chemisch gemeinsam haben sie ein Grundgerüst, das sich von der „Muttersubstanz“, dem Cholesterin, herleitet. Die verschiedenen Steroide werden durch sogenannte Monooxygenasen (Cytochrom P450-abhängige Enzyme) chemisch verändert und erfüllen durch die verschiedene chemische Struktur unterschiedliche Aufgaben. Androgene (wie Testosteron) sind für die Entwicklung der männlichen Geschlechtsmerkmale und -funktionen verantwortlich, während Östrogene (wie 17ß-Östradiol) an der Ausbildung der weiblichen primären und sekundären Geschlechtsmerkmale und natürlich an Fortpflanzungsprozessen beteiligt sind. Progesteron, aus der Unterfamilie der Ge-stagene, ist wesentlich an der Vorbereitung der weiblichen Geschlechtsorgane zur Aufnahme der befruchteten Eizelle und an der Aufrechterhaltung der Schwangerschaft beteiligt. Glukokortikoide (wie Cortisol) sind, wie der Name impliziert, an der Zuckerneusynthese und am Abbau von körpereigenem Fett und Proteinen beteiligt. Sie werden den sogenannten Streßhormonen zugeordnet, die bei körperlichen Grenzsituationen zur Aufrechterhaltung der „Energieversorgung“ beitragen. Mineralokortikoide (wie Aldosteron) tragen über ihre Wirkungen auf die distalen Abschnitte des Nierentubulus zur Regulation des Wasser- und Elektrolythaushalts bei. Führen Krankheiten zu einem Syntheseausfall einzelner Steroidhormone, können diese Teilfunktionen nicht mehr ad-äquat kompensiert werden, es kommt dadurch zu Fehlfunktionen des Körpers, schlimmstenfalls zum Tod des Patienten.

Wie üben die Steroide – nach der herkömmlichen Theorie und Lehrmeinung – ihre Wirkungen aus? Sie werden über das Blut an ihre Wirkorte gebracht und diffundieren in das Zellinnere. Dort binden sie an spezifische Rezeptoren, und diese Komplexe koppeln, nach Verlagerung in den Zellkern, an komplementäre Erkennungssequenzen des Genoms. Gemeinsam mit anderen Bestandteilen des Transkriptionsapparates (darunter versteht man verschiedene Eiweißbestandteile, die das Ablesen der genetischen Information ermöglichen) wird dadurch die Neusynthese von Proteinen verstärkt oder vermindert. Steroide sind wesentlich an der Modulation und Feinabstimmung der zellulären und damit natürlich auch an der körperlichen Funktion beteiligt: Steroide beeinflussen die Umsetzungsrate von genetischer Information in funktionsfähige Proteine und damit natürlich die Funktion, die diese Proteine ausüben.

Zur „Überfamilie“ der Steroidrezeptoren gehören auch die Rezeptoren der Schilddrüsenhormone, der am Knochenstoffwechsel beteiligten D-Vitamine und der Retinsäuren. Obwohl sich diese Substanzen ganz erheblich von der chemischen Struktur der eigentlichen Steroide unterscheiden, weisen die vorgestellten intrazellulären Rezeptoren sehr vergleichbare Bausteine auf, die diese Gliederung für die wissenschaftliche Klassifizierung zulassen. Während die Erklärungsmodelle zur Steroidwirkung mit Beginn der 60er Jahre beschrieben, über die Jahrzehnte zunehmend erweitert und schrittweise begriffen wurden, lassen sich über diese Wirkmechanismen nicht alle Phänomene der Steroide erklären. Hierzu ein kurzes Beispiel, das die neuartige Sichtweise der Steroidwirkung darlegen soll: Für Östrogene, also Hormone, die vor allem an der sexuellen Entwicklung und an Reproduktionsvorgängen beteiligt sind, konnten neben ihren Wirkungen auf die klassischen Zielorgane relativ früh Wirkungen auf die Blutgerinnung und den Fettstoffwechsel nachgewiesen werden. Äußerst interessant sind hierbei Befunde, die auf eine direkte Wirkung von Östrogenen auf die Blutgefäße hinweisen.

Dadurch scheinen sie direkt an atherosklerotischen Prozessen und an der Gefäßtonusregulation beteiligt zu sein. Bisher erklärte man sich diese positiven Wirkungen von Östrogenen, die am Schutz von Frauen vor Herzinfarkt und anderen vaskulären Erkrankungen beteiligt sein sollen, vor allem durch die langsame, genomische Beeinflussung der oben angesprochenen krankhaften Prozesse. Aktuelle Untersuchungen weisen jedoch eindeutig darauf hin, daß die intravenöse Gabe von Östradiol sofort die eingeschränkte Herzdurchblutung positiv beeinflussen kann. Diese rasche Wirkung läßt sich nicht durch genomische Effekte erklären, sondern ist auf eine schnelle, nichtgenomische Beeinflussung der Gefäßmotorik zurückzuführen. Derartige schnelle Effekte sind inzwischen für Steroide aller Klassen, aber auch für Schilddrüsenhormone und Vitamin D3 beschrieben.

Diese Erkenntnisse führen heute zu einem Umdenken über die Wirkweise von Steroiden. Anhand eigener Untersuchungen zur Aldosteronwirkung, einem Hormon, das vor allem an der Regulation von Wasser- und Elektrolythaushalt beteiligt ist, entwickelten wir ein neues mechanistisches Erklärungsmodell der Steroidwirkung. Einige Untersuchungsergebnisse möchten wir im folgenden kurz darstellen. Funktionelle in vitro-Studien zeigen Effekte von Aldosteron auf die Natrium- und Kalium-konzentrationen in menschlichen mononukleären Leukozyten innerhalb von einer Stunde. Die Wirkung war bei einer Aldosteronkonzentration von 0,14 nM halbmaximal. Cortisol (40 nM) zeigte hingegen keinen Effekt. Parallel zu den Elektrolytverschiebungen treten zur Erhaltung der intrazellulären Isotonie Volumenänderungen um etwa 15 Prozent auf. Als wesentliches, in die schnellen nichtgenomischen Aldosteronwirkungen involviertes Membrantransportsystem konnte für den Lymphozyten der Natrium-Protonen-Austauscher identifiziert werden, der bereits nach einer Inkubationsdauer von nur ein bis zwei Minuten signifikant stimuliert war. Die Halbsättigungskonstante lag bei 0,04 nM. Die Dosis-Wirkungskurven der Glukokortikoide Corticosteron, Dexamethason und Cortisol sind um drei bis vier Zehnerpotenzen zu höheren Konzentrationen hin verschoben, der Maximaleffekt ist kleiner als der des Aldosterons. Die klassischen klinisch eingesetzten Mineralokortikoidantagonisten aus der Gruppe der Spironolaktone, Canrenon und Canrenoat, antagonisieren die Aldosteronwirkung auch bei hohen Überschußkonzentrationen nicht.

Ein weiterer wichtiger Schritt war der Nachweis schneller Aldosteroneffekte auf den Natrium-Protonen-Austauscher an einem Effektororgan der Herz-Kreislauf-Regulation, der glatten Gefäßmuskelzelle. An kultivierten, glatten Gefäßmuskelzellen aus der Rattenaorta zeigte sich eine Stimulation des Natrium-Protonen-Austauschers durch 1 nM Aldosteron bereits nach vier Minuten. Der halb-maximale Effekt war bei einer Aldosteronkonzentration von 0,17 nM erreicht. Auch für diese schnelle Steroidwirkung waren Cortisol und Canrenon wirkungslos. Weiter war nach den in diese schnellen Aldosteroneffekte involvierten Second-Messenger-Systemen, also den intrazellulären Botenstoffen, zu fragen. In Analogie zu raschen Wirkungen anderer Hormone wie Wachstumsfaktoren auf den Natrium-Protonen-Austauscher, schien die Untersuchung der Inositol-1,4,5-Trisphosphatproduktion aussichtsreich. Es zeigt sich eine schnelle stimulierende Wirkung von Aldosteron auf die Inositol-1,4,5-Trisphosphatproduktion in menschlichen mononukleären Leukozyten und glatten Gefäßmuskelzellen. Die Analyse der Dosis-Wirkungskurve ergibt eine halbmaximale Wirkung (EC50) bei etwa 0,1 nM. Wiederum waren die Glukokortikoide Dexamethason und Cortisol – nur in mikromolaren Konzentrationen wirksam, Canrenon war als Aldosteronantagonist unwirksam. Ähnliche pharmakologische Kenndaten konnten für die Erhöhung des freien intrazellulären Kalziums als einem wichtigen intrazellulären second messenger durch Aldosteron innerhalb von zwei bis drei Minuten erhoben werden.

Die schnelle Stimulation des Natrium-Protonen-Austauschers sowie der Inositol-1,4,5-Trisphosphat-Produktion durch Aldosteron ist mit einer Vermittlung durch die klassischen intrazellulären Rezeptoren nicht vereinbar, da diese völlig andere pharmakologische Eigenschaften aufweisen. Die Effekte scheinen vielmehr durch Aldosteron-spezifische Rezeptoren vermittelt zu werden, die am ehesten an der Zellmembran zu suchen sind. Zum Nachweis dieser Rezeptoren wurden Bindungsversuche an Membranpräparationen von menschlichen mononukleären Leukozyten durchgeführt. Es fand sich eine spezifische Aldosteronbindung an Plasmamembranen von humanen mononukleären Leukozyten bei einer Kd (Kenngröße für die Affinität des Rezeptors zum Bindungspartner) für Aldosteron von 0,04 nM. Cortisol und Canrenon binden erst bei weit höheren Konzentrationen (>0,1 µM). In weiteren Untersuchungen wurden diese Membranbindungsstellen hinsichtlich des Molekulargewichtes charakterisiert und auf SDS-Gelen dargestellt. Es zeigten sich bei einem Molekulargewicht von 50 Kilodalton ein deutlicher Bindungsgipfel, aus dem das radioaktiv markierte Aldosteron durch unmarkiertes Aldosteron, nicht aber durch Cortisol, verdrängt werden konnte. Die schnelle Stimulation des Natrium-Protonen-Austauschers an Lymphozyten und glatten Gefäßmuskelzellen ist nicht mit der genomischen Theorie der Steroidwirkung vereinbar. Sie stellt ein gutes Korrelat zu früheren Befunden dar, die bereits 1984 schnelle Aldosteroneffekte an glatten Rattengefäßmuskelzellen nachweisen konnten. Diese waren durch Inhibitoren der genomischen Steroideffekte (Aktinomycin D und Cycloheximid) nicht hemmbar. Auch die Übereinstimmung der Halbwirkungskonzentration mit der physiologischen Konzentration von freiem Aldosteron zwischen 0,1 und 0,3 nM im Blutplasma des Menschen weist auf eine Relevanz dieser Mechanismen für die Kreislaufregulation hin. Die bekannten schnellen Änderungen der Aldosteronplasmaspiegel nach Lage- änderung wären in einem trägen genomischen Ant-wortsystem mit stundenlangen Latenzen ohne sinnvolle Wirkung. Sie bekommen nur durch ein schnelles Antwortsystem, wie es hier beschrieben wird, aus teleologischer Sicht einen „Sinn“. Nur die neu beschriebenen Membranbindungsstellen für Aldosteron mit den Eigenschaften der schnellen Aldosteroneffekte auf den Natrium-Protonen-Austauscher an glatten Gefäßmuskelzellen können als Rezeptoren für die Vermittlung schneller Aldosteroneffekte in Frage kommen. Ein neuer Mineralokortikoidrezeptor mit hoher Affinität würde die biologische Aktivität von physiologischen Plasmakonzentrationen des freien Aldosterons beim Menschen (~ 0,1 nM) besser erklären als der klonierte Mineralokortikoidrezeptor, der Aldosteron erst bei höheren Konzentrationen bindet.

Diese Daten geben eine mögliche Erklärung für die klinisch bekannten Wirkungsunterschiede der Gluko- und Mineralokortikoide. Dies würde die jetzt häufig diskutierte Rolle der renalen 11ß-Hydroxysteroiddehydrogenase als Mechanismus der spezifischen Unterschiede zwischen beiden Hormonklassen um einen weiteren davon unabhängigen Mechanismus ergänzen.

Neben der Erklärung physiologischer Steroideffekte durch die neuen Befunde erscheint die Erforschung der nichtgenomischen Mineralokortikoideffekte auch bei Patienten im Hinblick auf ihre pathophysiologische Relevanz wesentlich. Das Lymphozytenmodell wurde bereits zum Studium von extrarenalen Mineralokortikoid-effekten bei Patienten mit Störungen des Wasser- und Elektrolythaushaltes eingesetzt. Erwähnenswert scheinen hier Befunde bei Patienten mit Pseudohypoaldosteronismus, bei denen eine Unempfindlichkeit der Ziel-organe (besonders der Nieren) gegenüber Aldosteron angenommen wird. Die Endorganresistenz konnte auch im in vitro-Experiment an Lymphozyten nachgewiesen werden, die keinen Effekt von Aldosteron auf lymphozytäres Natrium und Kalium erkennen lassen.

Auch für Patienten mit Conn-Syndrom (primärem Aldosteronismus) zeigte sich eine Unempfindlichkeit der lymphozytären Elektrolytkonzentrationen gegenüber Aldosteron, die einem bislang auf zellulärer Ebene nicht nachweisbaren Korrelat des klinisch lange bekannten „escape“-Phänomens entsprechen dürfte. Dieses „escape“-Phänomen bezeichnet ein geringer werdendes Ansprechen renaler Funktionen auf chronisch einwirkende, hohe Mineralokortikoidkonzentrationen.

Alte und neue Befunde sprechen dafür, daß die schnellen Aldosteroneffekte eine kreislaufregulierende Wirkung haben. Invasive (Herzkatheter) und nichtinvasive (Impedanzkardiographie) Daten zeigen, daß intravenös gegebenes Aldosteron bei Gesunden trotz bereits vorhandener endogener Spiegel schnell (in drei bis fünf Minuten) zu einer Erhöhung des Gefäßwiderstandes führt und so eine Feineinstellung dieses Parameters, auch im Konzert mit anderen kardiovaskulären Hormonen, erzielt. Aldosteron hat auch schnelle Effekte auf den Ener-giestoffwechsel der menschlichen Wadenmuskulatur, die die Bereitstellung energiereicher Phosphate betrifft. Diese Befunde sprechen für die neue Annahme, daß Aldosteron ein akut wirksames Kreislaufhormon, ein „neues/altes“ Streßhormon ist.

Aldosteron, ein „neues-altes“ Streßhormon

Die Aldosteronwirkung kann unter Einbeziehung der geschilderten Membranrezeptoren in einem neuen Zwei-Stufen-Modell beschrieben werden, das analog auch zur Erklärung von Effekten anderer Steroide herangezogen werden kann:

  1. Als initialer, schneller Aldosteroneffekt wird durch einen Membranrezeptor wahrscheinlich unter Vermittlung von Inositol-1,4,5-Trisphosphat und Kalzium als intrazelluläre Botenstoffe der Na+-H+-Austauscher aktiviert (primäre, nicht-genomische schnelle Antwort innerhalb von Minuten).
  2. Die sekundäre Aktivierung der Na+-K+-ATPase ist die Folge der Erhöhung der intrazellulären Natriumkonzentration.
  3. Die de-novo-Synthese der Na+-K+-ATPase wird entweder durch eine adaptative Stimulation („up-regulation“) der Enzymproduktion oder über den klassischen Weg der Steroidwirkung unter Vermittlung der nukleären DNA erreicht (späte, genomische Antwort innerhalb einiger Stunden).
Die in dieser Übersicht beschriebenen Befunde und das um nicht-genomische Wirkungen erweiterte Konzept der Steroidwirkung könnten Anlaß sein, in einem neuen Therapieansatz Antagonisten gegen die Membranwirkung von Aldosteron zu entwickeln. Diese könnten ergänzend zum Antagonismus der genomischen Aldosteronwirkung durch Spironolakton oder Canrenon wirken und so zum Beispiel den peripheren Gefäßwiderstand bei Hypertonie oder Herzinsuffizienz senken. Die geschilderten ersten Anwendungen des Studiums extrarenaler Mineralokortikoidwirkungen in klinischen Situationen lassen Entwicklungen auf diesem Gebiet aussichtsreich erscheinen.

Welche Bedeutung haben die schnellen Aldosteron-Effekte?

Bewegung am Rand des Spinnennetzes teilt sich dem Zentrum mit. Schnelle Wirkungen von Steroiden müssen nicht im Widerspruch zu den trägen, genomischen Wirkungen der Hormone stehen. Nichtgenomische und genomische Steroideffekte wirken vermutlich zusammen. Die schnellen, die über Membranrezeptoren die Signalwege des Zellinneren beeinflussen, können über diese „Botenstoffe“ auch die genomischen Mechanismen beeinflussen. Die früher durchgeführte Trennung zwischen rein Membranrezeptor-vermittelten Wirkungen, die die Kurz-zeitwirkungen von Hormonen erklären (wie sie für die Gefäßtonusregulation durch Adrenalin zutrifft), und über intrazelluläre Rezeptoren vermittelten Effekte der Steroide (langsame Änderung der zellulären Funktion durch Zellumbau) ist nach heutigem wissenschaftlichen Kenntnisstand in dieser strikten Form nicht mehr zu halten. Vielmehr sollte man sich das Zellinnere wie das Netz einer Spinne vorstellen: Kommt es in der Peripherie des Netzes zu einer Bewegung, wird auch der innere Teil (bildlich als Zellkern zu sehen) benachrichtigt, ändert sich der innere Teil zum Beispiel durch einen Umbau, wird auch der äußere Teil des Netzes beeinflußt. Schnelle Steroideeffekte beeinflussen innerhalb weniger Sekunden bis Minuten das Milieu der intrazellulären Botenstoffe und dadurch den aktuellen Funktionszustand der Zelle. Es kommt so zu einer Änderung des Durchmessers der Gefäße und damit zu einer Veränderung des Blutflusses. Diese ersten Schritte der Signalkaskade beeinflussen wiederum die Ableserate der genetischen Zellkerninformation und somit langfristig die Zellfunktion durch eine Änderung der Proteinzusammensetzung. Obwohl viele dieser Einzelheiten phänomeno-logisch nachgewiesen werden konnten, sind derzeit noch wichtige Fragen nicht beantwortet: Welche physiologische oder patho-physiologische Relevanz haben die schnellen Steroideffekte vor allem in den Geweben, die nicht als klassische Zielgewebe für Steroidwirkungen zu sehen sind?

Schnelle Wirkung auf die Herzdurchblutung

Sind schnelle, nicht genomische und langsame, genomische Steroidwirkungen koordiniert, beziehungsweise beeinflussen sie sich gegenseitig? Kann ein Membranrezeptor für schnelle Steroideffekte kloniert werden, der die weiter oben kurz angerissenen schnellen Steroidwirkungen in vollem Umfang erklären kann? Der Einsatz moderner molekular- und zellbiologischer Methoden wird dazu beitragen, Antworten für diese essentiellen Fragen zu finden.

Autoren:
Prof. Dr. Martin Wehling, Dr. Michael Christ,
Institut für Klinische Pharmakologie, Fakultät für Klinische Medizin Mannheim der Universität Heidelberg,
Theodor Kutzer Ufer 1-3, 68167 Mannheim,
Telefon (06 21) 3 83 40 58

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