Siegel der Universität Heidelberg
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Editorial

Liebe Leserinnen, liebe Leser,

es wird zunehmend geklagt, daß an deutschen Hochschulen zu wenige Ausländer studieren. Die Wirtschaft befürchtet erhebliche Wettbewerbsnachteile des Standorts Deutschland, wo zur Zeit der Anteil der Ausländer bei 7,7 Prozent liegt, ohne Bildungsinländer bei 5,5 Prozent, laut Stuttgarter Wissenschaftsministerium sogar nur bei 4,5 Prozent. In England und Frankreich sind es etwa 8 Prozent, laut Stuttgart sogar 12 bzw. 10 Prozent, in den USA 5,5 Prozent, aber hier gewinnt die absolut sehr hohe Zahl Bedeutung und der Ausländeranteil steigt bei MA- und PhD-Studiengängen auf 25 Prozent. Baden-Württemberg verzeichnet 6, 6 Prozent und soll auf Wunsch der Politik 10 Prozent erreichen.

Die Zahl ausländischer Studierender ist in Deutschland in den letzten Jahrzehnten sowohl absolut wie relativ gestiegen. Heidelberg und Stuttgart errangen einen Anteil von etwa 15 Prozent, Karlsruhe von etwas unter 14 Prozent, (Aachen rund 12 Prozent), Freiburg und Tübingen von 11,3 beziehungsweise 11,2 Prozent. Mannheim und Konstanz liegen über 10 Prozent, Hohenheim bei 9 und Ulm bei 6,6 Prozent. Karlsruhe nahm im Wintersemester 1997/98 sogar 25 Prozent ausländische Erstsemester auf, bei Abzug der Bildungsinländer 20 Prozent. Durch die Qualität von Lehre und Forschung, ein umfassendes Fächerangebot, Reputation der Dozenten und durch intensive Betreuung von seiten der Akademischen Auslandsämter erweisen sich also gerade die klassischen Universitäten, und hier wiederum die ältesten, als die attraktivsten Studienstandorte.

Dennoch könnten die Universitäten noch mehr Ausländer anziehen. Dabei sind Forderungen sehr wohl an die politische und gesellschaftliche Sphäre zu stellen. Die Mittel für Goethe-Institute müßten erhöht, nicht gekürzt werden. In den Fächern mit einem harten Numerus clausus ließe sich der Anteil ausländischer Studierender beträchtlich erhöhen, wenn man mehr Studienplätze zur Verfügung stellte: In Heidelberg zum Beispiel in der Medizin, da sich zehnmal soviele qualifizierte Anwärter bewerben, wie Plätze vorhanden sind – wenn man Studienplätze nicht streicht, sondern für Ausländer freihält. In Heidelberg erhielten im vergangenen Wintersemester nur 2,8 Prozent der ausländischen Studierenden ein Stipendium des DAAD, weitere – nur schätzbare – 1,5 Prozent ein Vollstipendium von irgendeiner anderen deutschen Stelle. Politik und Gesellschaft, insbesondere die Wirtschaft, sind hier gefragt. Das Steuerrecht ist so zu ändern, daß Spenden und Stiftungen attraktiver werden!

Die Universitäten sollten ihre Betreuung durch Studiendekane oder spezielle Tutoren verstärken, um schnell festzustellen, wo es hapert. In Heidelberg unternimmt das Internationale Studienzentrum für einzelne Fächer den Versuch, in die Vorbereitung ausländischer Studierender auf das Studium bereits vor dessen Beginn einen Teil des Stoffes einzubeziehen – ein durchaus ausbaufähiges Modell. Intensive Betreuung während des Studiums müßte auch Sprache und Vorstellungswelt eines Faches den ausländischen Studierenden in gesonderten Lehrveranstaltungen vermitteln. Das Heidelberger Akademische Auslandsamt behilft sich mit dem pairing-Programm, bei dem ein Deutscher und ein Ausländer einander die eigene Muttersprache näher bringen. Auf Englisch zu lehren, zumindest anfangs, wird nicht möglich sein, weil viele, Deutsche oder Ausländer, Englisch nur mangelhaft beherrschen. Sinnvoll wäre dies, für Deutsche und Ausländer, in Aufbaustudiengängen in Naturwissenschaften und in bestimmten Bereichen der Geistes- oder Sozialwissenschaften. Hier könnte man auch den Bachelor oder Master einführen. Bei der Promotion fehlt das Element Lehre, durch welches gerade die amerikanischen Universitäten viel an Attraktivität gewinnen. Dem steht allerdings die völlig unsinnige Bestimmung entgegen, Lehre für Doktoranden nicht auf das Lehrdeputat der Dozenten anzurechnen! Da Ausländer in ihrem Heimatland oft nur Studiengänge mit einem einzigen Fach absolvieren, sollte für sie das Rigorosum durch eine Disputation ersetzt werden. Übrigens: In Amerika erhält fast jeder mit einem Platz für ein doctoral program auch ein Stipendium!

Weil die Heidelberger Universität stolz ist auf ihre ausländischen Studierenden, sucht sie zu tun, was sie kann. Wer sich dafür interessiert, kann im Akademischen Auslandsamt nachfragen. Zur Zeit führt die Universität eine Umfrage durch, um über Probleme ausländischer Studierender besser unterrichtet zu sein. Ein spezielles Tutorenprogramm könnte helfen; Pläne dazu werden entwickelt, aber noch fehlt das Geld. Alle sind aufgerufen, hier ihre Verantwortung zu erkennen.

Heinz-Dietrich Löwe
Prorektor

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