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Meinungen

Harald zur Hausen, Leiter des Deutschen Krebsforschungszentrums, Heidelberg, würdigt die Verdienste der Erfinder des „BioRegio“-Konzepts.

Die Wahl des Rhein-Neckar-Dreiecks als eine der drei Regionen, die aus dem „BioRegio“-Wettbewerb als Sieger hervorgegangen sind, hat mit Recht Freude unter den beteiligten Unternehmen und wissenschaftlichen Einrichtungen ausgelöst. Das Rhein-Neckar-Dreieck weist gewiß eine für das übrige deutsche Bundesgebiet überdurchschnittliche Dichte an wissenschaftlichen und industriellen Einrichtungen im Bereich der Biotechnologie auf. Wichtiger aber war noch, daß sich diese Institutionen auf ein gemeinsames Konzept verständigen konnten, dessen Realisierung nun möglich ist. Dem Ergebnis dürfen wir in den kommenden Jahren mit Spannung entgegensehen.

Die Idee zum „BioRegio“-Wettbewerb war originell und hat in allen 17 am Wettbewerb beteiligten Regionen zu einer spürbaren Belebung der Kontakte zwischen Wissenschaft und Wirtschaft beigetragen. Auch für den Rhein-Neckar-Bereich gingen – wie in diesem Heft ausgeführt – eine Reihe von neuen Impulsen von dieser Initiative aus, die bereits jetzt erste Früchte zu tragen beginnen.

War sie notwendig? Ich glaube, ja. Im akademischen Bereich hat die Biotechnologie in diesem Lande nicht einen vergleichbar schweren Stand gehabt wie in ihrer wirtschaftlichen Verwertung. Die Förderung von Forschungsprojekten der Molekularbiologie und ihr nahestehender Bereiche umfaßt – wenn man von der Analyse des Humangenoms absieht – in Deutschland bereits eine beträchtliche Zeitspanne. Mit der Gründung universitärer und außeruniversitärer Einrichtungen wie dem Europäischen Molekularbiologischen Laboratorium, dem Zentrum für Molekulare Biologie der Universität Heidelberg und zahlreicher Abteilungen im Deutschen Krebsforschungszentrum und im Max-Planck-Institut für Medizinische Forschung dokumentiert, wurde bei uns ein Ausbildungsstand erreicht und eine wissenschaftliche Aktivität entwickelt, die sich durchaus mit der sehr prominenter biotechnologisch aktiver Gruppen des Auslands messen können. In einer Analyse des „Science Watch“ rangierten drei Heidelberger Einrichtungen unter den ersten 50 Institutionen, die in führenden molekularbiologischen Zeitschriften ihre Ergebnisse veröffentlichen konnten.

Der Start der wirtschaftlichen Nutzung der Biotechnologie im industriellen Bereich war dagegen unvergleichlich schwieriger: Die bei uns intensiv diskutierten möglichen Risiken – vielfach begleitet von handgreiflichen Protestaktionen und langwierigen Rechtsverfahren – stoppten fast über ein Jahrzehnt die industrielle Nutzung der Biotechnologie, auch wenn dies heute allenthalben als wichtiger Faktor für die Wirtschaftsentwicklung anerkannt wird. Die „Nachwehen“ dieser Aktionen spüren wir noch in diesen Jahren in der Verwüstung von Feldern, auf denen gentechnisch veränderte Pflanzen gezüchtet werden.

Die Folge diese Entwicklung war, daß eine große Zahl hervorragend ausgebildeter junger Nachwuchswissenschaftler entweder um die wenigen verfügbaren Stellen im akademischen Bereich wetteifern mußte, obwohl viele von ihnen gern in der Industrie tätig geworden wären, oder aber – wie es vielfältig geschah – die guten Arbeitsmöglichkeiten im Ausland speziell in den Vereinigten Staaten nutzte. Eine weitere bedauerliche Konsequenz war das sinkende Interesse an entsprechend ausgerichteten Studiengängen – besonders bei begabten jungen Schulabsolventen.

Das „BioRegio“-Programm kann hier eine Trendwende einleiten. Schon heute liegen zahlreiche Pläne zur Zusammenarbeit zwischen Forschergruppen und Industrie vor, die durch dieses Konzept angeregt wurden. Dabei sind einige dieser Pläne bereits der Verwirklichung sehr nahe gerückt. Auch Planungen zur Gründung neuer Unternehmen kommen gut voran. Insgesamt scheint die Bereitschaft unter jungen Wissenschaftlern zu wachsen, ein Unternehmen eigenständig zu starten. Die finanzielle Unterstützung durch Mittel des BMBF – auch nach erfolgreicher Beteiligung am „BioRegio“-Wettbewerb – ist zwar nicht so hoch, daß sie viel Spielraum erlaubt, sie ist dennoch eine erkennbare Ermutigung.

Die Erfinder des „BioRegio“-Konzeptes verdienen unsere Anerkennung. Nach Jahren der Stagnation – gerade im Bereich der Biotechnologie – kommt Bewegung in die deutsche Forschungslandschaft, eine Bewegung, die dringend benötigt wird. Gleichzeitig ist ein vertiefter Dialog mit der Industrie eingeleitet. Flankiert vom deutschen Genomprojekt ist eine Entwicklung in Gang gekommen, die hoffentlich dazu führt, daß auch dieses Land in der Nutzung der Biotechnologie die Stellung einnimmt, die ihm aufgrund der immer noch guten akademischen Infrastruktur auch zusteht
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