Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg

Ostasien importiert deutsches Recht

Von Mirjam Mohr

Als weltweit erstes Gericht sprach im Juli 2013 der Oberste Gerichtshof in Seoul südkoreanischen Soldaten Schadenersatz zu, weil sie im Vietnam-Krieg als Verbündete der amerikanischen Streitkräfte Opfer des Entlaubungsmittels „Agent Orange“ wurden. Ein Thema, das Christian Förster (Foto: Fink) in seiner Heidelberger Antrittsvorlesung als Start-up-Professor für Transkulturelle Studien aufgriff, denn der Jurist befasst sich mit der Frage, wie sich das Recht eines Landes auf Menschen anderer Länder auswirken kann. Seit gut einem Jahr forscht und lehrt der 43-Jährige am Exzellenzcluster „Asien und Europa im globalen Kontext“. Sein Schwerpunkt liegt dabei auf einem noch weitgehend unerforschten Gebiet: den Einflüssen des deutschen Rechts auf Rechtssysteme in Ostasien.

„Das Spannende am ostasiatischen Recht ist, dass die wesentlichen Rechtsordnungen dort auf dem deutschen Recht beruhen – vor allem in Japan und Korea, die im 19. und frühen 20. Jahrhundert viele Gesetze aus dem deutschen Recht übernommen und in ihr System transformiert haben. Auch heute noch werden neue Entwicklungen im deutschen Recht in diesen Ländern genau zur Kenntnis genommen, und man orientiert sich daran“, legt Christian Förster dar. Deutsche Juristen brächten daher die besten Voraussetzungen mit, um in Asien oder mit asiatischen Unternehmen in Europa zu arbeiten, was sich aber bislang kaum in der juristischen Ausbildung niederschlage.

Hier setzt Försters Professur am Cluster an, die mit einem juristischen Ansatz aus historischer und zeitgenössischer Perspektive transkulturelle Austauschprozesse innerhalb und zwischen Asien und Europa betrachtet. Seine Kenntnisse gibt er in der Lehre im Zuge des Masterstudiengangs und des Graduiertenprogramms für Transkulturelle Forschung weiter.

Zusammen mit einer weiteren Start-up-Professur für Transkulturelle Studien ergänzt Christian Försters Lehrstuhl, der in der zweiten Runde der Exzellenzinitiative eingerichtet wurde, die fünf bestehenden Cluster-Professuren: „Mein Thema ist in dem Sinn transkulturell, dass ich für den Rechtsvergleich nicht wie üblich Länder aus dem westlichen Rechts- und Kulturkreis heranziehe – wie etwa Frankreich, England oder die USA – sondern ostasiatische Staaten, in erster Linie Japan, Südkorea und China, deren Rechtssysteme auf einer gänzlich anderen Kultur und einem anderen Verständnis basieren, als wir es aus Europa kennen. Die Wechselwirkungen von ‚westlichem Rechtsimport‘ und ‚fernöstlicher Tradition‘ finde ich extrem interessant.“ Zurzeit forscht Förster vor allem im Bereich der gesetzlichen Haftung, die in der Praxis eine immer größere Rolle spielt, so im Zusammenhang mit der Reaktorkatastrophe in Fukushima oder eben bei der „Agent Orange“-Problematik.

Das Interesse an Japan und Ostasien kam bei Christian Förster erst nach seinem Jurastudium an der Universität Tübingen auf. Die letzte Station seines Referendariats führte ihn nach Tokio in eine Kanzlei. „Während meines Studiums hat es zeitlich für einen Auslandsaufenthalt nicht mehr gereicht; und da ich zuvor noch nie in Asien war, fand ich es reizvoll, nach Japan zu gehen.“ Weil er von Tokio fasziniert war und nach seinem Zweiten Staatsexamen zu einem rechtsvergleichenden Thema promovieren wollte, wählte er nicht wie zunächst geplant England oder die USA als Vergleichsland sondern beschäftigte sich mit dem deutschen und japanischen Unternehmensrecht. Gleichzeitig lernte er Japanisch und absolvierte das Postgraduiertenprogramm „Japanische Sprache und Kultur“ in Tübingen inklusive eines halbjährigen Aufenthalts in Kyoto und Osaka: „So wurde Japan zu einem wichtigen Teil meines Lebens, und ich habe festgestellt, dass man dort sehr dankbar ist für einen Austausch über juristische Themen.“

Ursprünglich wollte Förster nach der Promotion als Anwalt mit Schwerpunkt Japan arbeiten, entschied sich dann jedoch für eine wissenschaftliche Laufbahn und eine Habilitation. Nach mehreren Lehrstuhlvertretungen – und doch noch einer kurzen Phase in einer Kanzlei – erhielt der Vater zweier Töchter den Ruf an die Universität Heidelberg, an der es ihm nach dem ersten Jahr als Start-up-Professor sehr gut gefällt: „Als großen Vorteil sehe ich vor allem die Offenheit am Cluster, die durch die vielen unterschiedlichen Themengebiete entsteht; dadurch bekommt man automatisch Einblick in viele andere wissenschaftliche Bereiche. Anregend finde ich auch den hohen Internationalisierungsgrad – unter unseren Studierenden liegt der Ausländeranteil bei 60 statt der üblichen zehn Prozent.“

Die Lehre ist Christian Förster, der bereits vier Lehrbücher zum deutschen Recht geschrieben hat, sehr wichtig. Durch sie könne er nicht nur Inhalte weitergeben, erklärt er, sondern auch Werte und Vorstellungen, wie man mit Wissenschaft und mit ostasiatischen Kulturen umgehe. „Und wenn mir einer der Studierenden sagt, dass ich ihn für ein Thema interessiert habe, sodass er oder sie sich weiter damit beschäftigen will, freut mich das mindestens genauso wie die Veröffentlichung eines neuen Aufsatzes.“

www.asia-europe.uni-heidelberg.de/de/personen/alle/person/persdetail/foerster.html