Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg

Gefriergetrocknete Lebern

Von Tina Schäfer

Die Sammlung des Pathologischen Instituts der Ruperto Carola bildet eine Vielzahl an Erkrankungen ab, die im Laufe eines Menschenlebens auftreten können. „Über Herzinfarkte und Krebserkrankungen spricht man immer wieder“, sagt der Sammlungsbeauftragte Dr. Felix Lasitschka, „wie so etwas in den Organen aber wirklich aussieht, wissen die wenigsten – das können wir in der Ausstellung anschaulich zeigen.“

Von der Arthrose am Oberschenkelkopf über den Herzinfarkt und den Zungentumor bis zur Bauchspeicheldrüse mit Wurmerkrankung (Foto: Sammlung des Instituts für Pathologie) reicht das thematische Spektrum der Exponate. In acht Vitrinen sind vor allem Feuchtpräparate ausgestellt, die nach Organsystemen geordnet sind: Herz, Lunge, Verdauungs- und Fortpflanzungsorgane sowie das Gehirn. Alle Organe stammen aus Obduktionen oder Operationen von Patienten der Heidelberger Kliniken und weisen krankhafte Veränderungen wie Entzündungen oder Geschwüre auf. Während die meisten vollständig konserviert sind, werden die Lungenpräparate in dünnen Scheiben präsentiert, bei denen sich Gewebeveränderungen, etwa bei Tuberkulose oder Tumoren, deutlicher zeigen lassen. Einige Lebern wurden mit der Technik der Gefriertrocknung präpariert: So bleiben Farben wie das Gelb einer Fettleber besonders gut erhalten. Auch Knochenpräparate sind zu sehen, etwa mit Osteoporose oder unbehandelten zusammengewachsenen Brüchen.

Die ältesten Exponate stammen aus den Anfängen der Sammlung um 1924; noch bis in die 1990er-Jahre wurden weitere Präparate aufgenommen. „Gerade für Mediziner ist es spannend, fortgeschrittene Ausprägungen von Krankheiten zu sehen, die heute in der Regel nicht mehr vorkommen“, erklärt Lasitschka, „denn viele Leiden werden mittlerweile früher erkannt oder anders behandelt.“ Studierende, die die Sammlung im Zuge einer Einführung in die Pathologie besuchen, können so etwa auch Blasen- und Nierensteine von der Größe eines Golfballs betrachten. Kapazitäten zur wissenschaftlichen Bearbeitung der Objekte gibt es derzeit keine, interessante Forschungsansätze wären für Felix Lasitschka aber beispielsweise die molekularbiologische Untersuchung der historischen Objekte oder vergleichende Studien zur Epidemiologie von Erkrankungen früher und heute.

Selbst für medizinische Laien ist der „Fremdkörper“ an dem Präparat einer Bauchspeicheldrüse auf dem Foto oben deutlich zu erkennen: Der Ausgang zum Dünndarm wird hier von einem Spulwurm blockiert. Der Wurm der Gattung Ascaris ist einer der größten Parasiten, die im Menschen leben können – ausgewachsene Tiere werden bis zu 40 Zentimeter lang und kommen üblicherweise im Darm vor. Die Bauchspeicheldrüse nun produziert aggressive Verdauungsenzyme und gibt sie in den Dünndarm ab; wird der entsprechende Durchgang verstopft, beginnt die Drüse, sich im Grunde selbst zu verdauen. Was in diesem Präparat durch den Wurm verursacht wird, kann auch durch Entzündungen oder Tumoren bedingt sein – und führt zu starken Schmerzen und Krämpfen. Aufgrund der Inventarnummer des Präparats lässt sich seine Entstehung auf den Zeitraum zwischen 1954 und 1970 eingrenzen. Die Präparation des Gewebes, das die Bauchspeicheldrüse umgibt, weist keine operationstypischen Ausprägungen auf – ein Hinweis darauf, dass das Präparat aus einer Obduktion stammen muss. Genaue Angaben zum Patienten und seiner Krankheitsgeschichte sind zwar nicht erhalten, es ist allerdings unwahrscheinlich, dass die Wurmerkrankung zum Tod geführt hat.

Nicht zuletzt zeigen die Exponate exemplarisch, womit sich Pathologen tatsächlich beschäftigen. „Das, was die meisten Leute aus Krimis kennen, macht höchstens fünf Prozent unserer Tätigkeit aus“, betont Felix Lasitschka. Um die repräsentative Darstellung des Fachs dauerhaft zu erhalten, werden die Präparate in der Sammlung des Pathologischen Instituts nach und nach restauriert. Darüber hinaus gibt die Ausstellung mit einer Galerie der bisherigen Institutsdirektoren und mit Dokumenten sowie Sektions- und Präparierwerkzeugen der Wissenschaftler auch einen Einblick in die Geschichte der Pathologie in Heidelberg. Fernab der rund 200 ausgestellten Objekte sind gut 1000 weitere Präparate in Schränken eingelagert – darunter auch embryonale Fehlbildungen, Totenmasken und Wachsmodelle von Herzfehlern.

Die Ausstellung ist zu den Öffnungszeiten des Hörsaalgebäudes Im Neuenheimer Feld 220/221 jederzeit zu besichtigen. Auf Anfrage werden Führungen angeboten.

www.klinikum.uni-heidelberg.de/Institutssammlung-fuer-Pathologie.129362.0.html

Weitere Infos: www.uni-heidelberg.de/unispiegel/pathologie.html